Eine Vorliebe für die Anarchie?
Geschrieben am 11.04.2003 um 23.00 Uhr / von Otfried Nassauer


Amerikas Neokonservative, die treibende Kraft hinter dem Krieg im Irak, scheinen eine Vorliebe für die Anarchie zu haben. Sie betrachten - so Robert Kagan, einer ihrer Vordenker - das Verhältnis zwischen Staaten als zumeist anarchisch. Deshalb müsse der Starke das Recht des Stärkeren exekutieren. Ganz so wie im Fall Irak geschehen. Doch nun gibt es Anarchie - im Irak - und darauf, so scheint es, sind sie schlecht vorbereitet, weil die Stärke der US-Verbände im Lande nicht ausreicht, um Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Oder ist das alles gar nicht so schlimm und vor allem eine gute Begründung, um Milliarden in die rechten Hände fließen zu lassen?

Kaum zwei Tage nach den Bildern jubelnder Iraker, die den Untergang der Diktatur feiern, beherrschen andere Motive die Berichterstattung aus dem Irak: Regierungsgebäude, Universitäten, Hotels und selbst Krankenhäuser werden geplündert. Mancherorts bricht sogar das Telefon zusammen, weil die Technik der Vermittlungsstellen geklaut wurde. Bewaffnete Banden und Milizen rauben alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Ein Menschenleben zählt dabei wenig. Erste Kämpfe zwischen bewaffneten Gruppen von Irakern flackern auf. Das Militär der Sieger und künftigen Besatzungsmächte schaut bislang zu. Noch hat es andere Prioritäten, den verbliebenen Widerstand regimetreuer Irakis. UNO-Generalssekretär Annan sieht sich genötigt, auf die Verantwortung der kriegführenden Parteien für Sicherheit und Ordnung hinzuweisen.

Doch so kampfkräftig und überlegen die Truppen der Alliierten während des Krieges auch gewesen sein mögen - nun stehen sie vor der eigentlichen Herausforderung: Zu verhindern, dass der Irak auf Dauer im Chaos versinkt, ein "failing state" wird. Das dürfte kompliziert werden, nicht nur wegen der vielen widerstreitenden Interessen im Irak, sondern auch, weil die Kampftruppen weder für diese Aufgabe ausgebildet sind, noch das Peacekeeping lieben. Zudem darf bezweifelt werden, dass die im Irak eingesetzten Kräfte - auch einschließlich der noch verfügbaren, aber nicht schnell heranführbaren Reserven - ausreichen werden, um die öffentliche Sicherheit bald wieder zu garantieren.

Das Wundermittel, das Washington für solche Fälle bereithält, heißt Outsourcing. Private Dienstleister, mittlerweile ganze Konzerne, übernehmen den Job, Polizisten, Justizangestellte und andere Fachleute für das von den Militärs ungeliebte Nation-Building zu rekrutieren und bereitzustellen. Sie erfüllen schon heute allerlei Aufgaben bis hin zu paramilitärischen Funktionen - verdingen sich sogar als moderne Söldner. Ihr Ruf ist oft nicht der Beste. Dyncorp z.B., eine Tochterfirma von CSC, die Milliarden mit dem Pentagon umsetzt, in Kolumbien Drogenbekämpfung im US-Auftrag durchführt, in Afghanistan Regierungschef Karzai schützt, in Bosnien Polizeidienstleistungen erbringt und in Amerika die Flugzeug- und Hubschrauberflotte von George W.Bush operiert, hat bereits begonnen, Polizei- und Justizpersonal aller Art für den Irakeinsatz zu rekrutieren - ein Milliardengeschäft winkt.

Die Weitsicht bei Dyncorp erinnert an eine andere Firma "Kellog, Brown und Root", eine Tochter der Ex-Firma von Vizepräsident Cheney, Halliburton. Sie erhielt ohne Ausschreibung vom Pentagon den äußerst lukrativen Auftrag zur Bekämpfung von Ölbränden im Irak. So hellseherisch man bei Dyncorp oder der Mutter CSC auch gewesen sein mag, die Firma hat keinen besonders guten Ruf: In Bosnien sollen etliche Polizei-Trainer von Dyncorp in Prostitution und den Handel mit Prostituierten verwickelt und deshalb zur Kündigung gezwungen gewesen sein; im Kosovo sollen andere Beschäftigte der Firma Menschenhandel und Sklaverei betrieben haben. Aber vielleicht ist ja auch hier an eine Auftragsvergabe ohne Ausschreibung gedacht.

Denn eines steht außer Zweifel. Chaos und Anarchie sind günstige Gelegenheiten für das Recht des Stärkeren und sind somit eine günstige Gelegenheit zur Selbstbereicherung.

 

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