"Das Wettrüsten wird neu angeheizt"
Interview mit Otfried Nassauer
taz: Herr Nassauer, bei den geplanten Waffenlieferungen der USA an
Golfstaaten und Israel soll es sich um das größte Waffengeschäft der bisherigen
Amtszeit George W. Bushs handeln. Warum gerade jetzt?
Otfried Nassauer: George W. Bush will lange über seine eigene Amtszeit hinaus
festschreiben, dass befreundete Staaten im Nahen und Mittleren Ostens US-Militärhilfe und
Rüstungsgüter bekommen. Seine Ziele sind die klassischen: Israel soll die stärkste
Militärmacht der Region und Washingtons Stellvertreter bleiben. Ägypten wird mit
Militärhilfe belohnt, weil es eine proamerikanische Politik macht und Frieden mit Israel
schloss. Saudi-Arabiens Regierung soll gestärkt und zusammen mit den Golfstaaten ein
stärkeres Gegengewicht zum Iran werden. Alles zusammen schafft beste
Verdienstmöglichkeiten für die US-Rüstungsindustrie.
Um welche Waffen geht es?
Im Detail ist das noch nicht bekannt. Klar aber ist: Israel will u. a. modernste
Jagdbomber vom Typ Joint Strike Fighter und die dazugehörige Bewaffnung, z. B.
Präzisionsbomben und Abstandswaffen. Dieses Flugzeug soll auch bei der US-Luftwaffe
eingeführt werden. Saudi-Arabien will ebenfalls Hochtechnologie- und Präzisionswaffen,
wird aber nur bekommen, was Israel nicht gefährdet. Im Marinebereich und bei der
Luftabwehr können die Saudis und die Golfstaaten mit Hilfe rechnen. Was genau geliefert
wird, werden wir aber erst wissen, wenn wir das Washingtoner Angebot und die Wunschzettel
der Empfänger kennen und wenn klar wird, was der Kongress billigt.
Warum liefert Washington? Militärhilfe kostet doch.
Das Argument, man liefere wegen des bedrohlichen schiitischen Iran, ist für die
Regierung Bush ein Verkaufsargument. Washington will jetzt die sunnitischen arabischen
Nachbarn militärisch handlungsfähiger machen, weil der Iran aufgrund des Wegfalls seines
klassischen Gegengewichts, des Irak, als Regionalmacht stärker geworden ist. Da bekämpft
Bush die ungewollten Nebenwirkungen seiner eigenen Intervention. Zum Geld: Ja,
Militärhilfe kostet amerikanisches Steuergeld. Das gilt für Empfänger wie Israel und
Ägypten. Die reichen Golfstaaten aber zahlen selbst. Beides kommt der
US-Rüstungsindustrie zugute und ist damit im Interesse Bushs und der USA.
Wird Iran auf die US-Militärhilfe reagieren? Gibt es einen neuen
Rüstungswettlauf?
Auf jeden Fall wird das Wettrüsten in der Region neu angeheizt. Der Iran wird das mit
Sicherheit zum Anlass nehmen, sich selbst verstärkt in Russland mit modernerer
Rüstungstechnik zu versorgen.
Die USA haben immer wieder ihre Partner in der Region aufgerüstet - oft
hat sich das als kontraproduktiv erwiesen. Warum verfällt Washington immer in die
gleichen Muster?
Für Washington sind Rüstungsexporte ein Instrument, befreundete Regime zu
stabilisieren. Außerdem sind es Möglichkeiten, viel Geld für die amerikanische
Industrie zu verdienen, einschließlich der Möglichkeit, Petrodollars zu repatriieren,
weil Saudi-Arabien und die Golfstaaten ihre Rüstungslieferungen aus den USA mit Hartgeld
bezahlen können. Drittens wird hier die Vorstellung klassischer Machtpolitik praktiziert:
Wer die Balance in die ein oder andere Richtung verschieben will, muss bestimmte Dinge
tun, auch wenn er weiß, dass das mittel- oder langfristig seine Interessen gefährdet.
Dann muss er eben wieder etwas tun und kann wieder Geld verdienen.
Das Interview führte Bernd Pickert. |
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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