23. Januar 2003
NDR info, Interview


Irak-Krieg notfalls auch ohne das "alte Europa": Wie isoliert ist Bush?

 NDR info Interview mit Otfried Nassauer  


Die Töne aus Washington in Richtung Berlin und Paris werden deutlich schärfer. Sichtlich verstimmt sprach der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vom "alten Europa". Deutschland und Frankreich haben ihren Widerstand gegen einen Irak-Krieg offen erklärt. Das, so sagte der amerikanische Verteidigungsminister in der vergangenen Nacht, werde zum Problem.

NDR Info: Herr Nassauer, was meint denn Rumsfeld eigentlich mit dem alten Europa?

Nassauer: Herr Rumsfeld meint mit dem alten Europa das traditionelle, westliche Europa. Und wenn er davon redet, dass Europa heute größer ist und viele Staaten die amerikanische Politik unterstützen, dann meint er im wesentlichen die mittel- und osteuropäischen Staaten, die neu der NATO, beziehungsweise später auch der EU beitreten sollen.

NDR Info: Warum jetzt diese scharfen Töne aus Washington?

Nassauer: Ich sehe zunächst einmal zwei Gründe. Auf der einen Seite, der amerikanischen Regierung und insbesondere den Falken in der amerikanischen Regierung läuft ein bisschen die Zeit weg. Die politische Unterstützung in der Öffentlichkeit geht zunehmend verloren und deshalb machen sie noch mal erheblich Druck. Nicht zuletzt deswegen, weil wer ein Militäraufmarsch dieser Größe befiehlt und durchführt, der kann zwar auf der einen Seite sagen, ich baue nur eine Drohkulisse auf, um die UNO zu unterstützen, aber auf der anderen Seite kostet ihn das auch eine ganze Menge Geld. Und deswegen, das kann man nicht unendlich lange aufrechterhalten, hat die amerikanische Regierung einfach ein bisschen Zeitdruck. In diesen Äußerungen äußert sich die Ungeduld der amerikanischen Regierung, auch in Blick auf Europa.

NDR Info: Könnten denn diese scharfen Formulierungen vielleicht auch ein Zeichen dafür sein, dass die amerikanische Regierung ein bisschen nervös wird, weil man einfach den Widerstand unterschätzt hat?

Nassauer: Das könnte schon auch der Fall sein. Aber ich denke diese amerikanische Regierung ist durchaus Willens einen Krieg auch alleine zu führen. Sie ist durchaus Willens ihn mit ganz wenigen Verbündeten zu führen und sie ist durchaus Willens in Europa mit Geschenken und Drohungen Druck auszuüben, um zusätzliche Unterstützung zu gewinnen, und zwar politische Unterstützung, genauso wie militärische Unterstützung. Und Sie müssen ja immer daran denken, Washington könnte ja auch auf den Gedanken kommen, im Sicherheitsrat die Fortführung der Inspektionen zu blockieren.

NDR Info: Sind denn eigentlich Deutschland und Frankreich inzwischen ein ernst zu nehmendes Gegengewicht geworden?

Nassauer: Deutschland und Frankreich sind ein politisches Gegengewicht, ein militärisches, das beispielsweise einen amerikanischen Militärschlag wirklich verhindern könnte, sind sie dagegen nicht. Allerdings, und da ist eigentlich die wesentliche Gefahr zu sehen, Washington muss sich jetzt mit der Tatsache auseinandersetzen, dass Großbritannien auch - genauso wie Deutschland und Frankreich - eine zweite Resolution im Sicherheitsrat für notwendig hält. Das ist auch die russische Position und die chinesische wahrscheinlich sowieso. Mit anderen Worten, es sind vier ständige Sicherheitsratsmitglieder, die die Auffassung vertreten, dass man nicht unbedingt einen Automatismus sehen kann.

NDR Info: Die amerikanische Regierung hat ja immer wieder angedeutet, dass man notfalls auch ohne UN-Mandat in den Krieg ziehen würde und auch die Briten haben da ja Unterstützung signalisiert. Ist das - noch einmal gefragt - wirklich ein realistisches Szenario oder ist das eher nur eine Drohkulisse?

Nassauer: Wie gesagt, ich habe schon einmal darauf hingewiesen, dass es auch in Großbritannien starke Stimmen gibt und sie scheinen im Moment politisch die Mehrheit zu sein, die da sagen, wir brauchen eine zweite Resolution. Wir unterstützen die Amerikaner bedingungslos, aber wir brauchen eine zweite Resolution, auch da gibt es ein Hintertürchen Richtung der gegenwärtigen deutschen und französischen Position; wobei, das ist der Punkt, ich bin gespannt, ob die Europäer diesmal den Mut haben ihre Position auch wirklich durchzuhalten, denn das ist nicht unbedingt die europäische Geschichte, dass solche klaren Töne dann auch wirklich kontinuierlich durchgehalten werden.

NDR Info: Wie ist denn das mit dem innenpolitischen Druck in den USA, wird auch der größer?

Nassauer: Das habe ich am Anfang ja schon einmal erwähnt, als ich sagte der Regierung von Herrn Bush läuft ein bisschen die Zeit weg, weil die innenpolitische Unterstützung für einen Irak-Krieg langsam aber sicher wegbröckelt. Auch in Amerika gibt es zunehmend Stimmen, die sagen, also bitte schön, wir brauchen stärkere Belege, dass Saddam Hussein wirklich noch aktiv an Massenvernichtungswaffen arbeitet. Das ist nun einmal die Begründung mit der dieser Krieg geführt werden soll- Ähnlich wie in Europa eine der Begründungen, dass die Regierungen jetzt wieder klarer sagen, die zweite Resolution ist notwendig und wir sind im Moment gegen einen Krieg, ist halt die, die Inspektoren haben bisher eher bestimmte Anschuldigungen falsifiziert, als bestätigen können, die aus England und den USA gegen Saddam erhoben worden sind.