Israel erklärt ja nicht offen, dass es Atomwaffen besitzt
Interview mit Otfried Nassauer
Rundfunk: Herr Nassauer, Sie haben in den deutschen Medien die Lieferung von
zwei neuen U-Booten an Israel kritisiert. Sagen Sie, um was für U-Boote es sich handelte?
Nassauer: Israel hat seit 2002 den Wunsch geäußert, zwei, möglicherweise später
drei U-Boote des Typs "Dolphin" von Deutschland zu bekommen. Das sind U-Boote
wie die, die 1999-2000 geliefert wurden. Allerdings unterscheiden sich diese neuen
U-Boote, die jetzt geliefert werden sollen, von den älteren, indem diesen U-Booten ein
von Außenluft unabhängiger Antrieb hinzugefügt wird, das heißt, ein Antrieb, der es
diesen U-Booten erlaubt, sehr viel weiter zu fahren und länger zu tauchen, als das bei
normalen, konventionellen Diesel-U-Booten der Fall ist.
Rundfunk: Wer entscheidet in Deutschland über die Lieferung von
Rüstungsgütern ins Ausland?
Nassauer: Umstrittene Liferungen, z. B. nach Israel oder in die Türkei werden in
der Bundesrepublik Deutschland in der Regel durch den Bundessicherheitsrat entschieden.
Das ist ein geheim tagendes Gremium aus einigen Ministern, und in diesem Gremium ist
dieses Geschäft mit Israel verhandelt worden, und, soweit das öffentlich bekannt ist,
hat dieses Geschäft die Zustimmung sowohl der SPD als auch der Grünen bekommen.
Rundfunk: Ist diese Entscheidung verfassungskonform?
Nassauer: Von der Verfassung her betrachtet, ist die Bundesregierung frei, wem sie
Rüstungsgüter liefert, und wem nicht. Das ist eine Entscheidung der Exekutive, die diese
auch zu verantworten hat. Also von der Verfassung her kann man wenig Kritik üben. Was
allerdings möglich ist, ist dieses Geschäft unter politischen Gesichtspunkten zu
kritisieren, zum Beispiel entlang der Rüstungsexport-Richtlinien, die sich die
Bundesrepublik selbst gegeben hat, oder aber auch entsprechend der europäischen
Rüstungsexport-Richtlinien, die in einem "Code of Conduct" zusammengefasst
sind.
Rundfunk: Aber soweit ich informiert bin, darf die Bundesregierung von der
Verfassung her keine Rüstungsgüter in die Krisengebiete liefern.
Nassauer: Das ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass es in Deutschland ein Gesetz
gäbe, das die Lieferung von Rüstungsgütern in Krisengebiete grundsätzlich verbietet,
dass dieses Gesetz Verfassungsrang hat. Das gibt es nicht. Es gibt politische Richtlinien
und daneben zwei Gesetze, nämlich das "Außenwirtschaftsgesetz" und das
"Kriegswaffenkontrollgesetz", nach denen Rüstungsexporte aus Deutschland
verhandelt und behandelt werden. Und in diesen Rüstungsexportrichtlinien gibt es eine
Reihe von Formulierungen, die sagen, dass Rüstungsgüter nicht in Gegenden geliefert
werden, wo sie zu mehr Spannung führen und einen Krieg befördern könnten. Das sind
politisch, aber nicht rechtlich bindende Richtlinien, und insofern muss die Exekutive,
also die Regierung, in einem solchen Fall immer die Entscheidung fällen. Sie nimmt dieses
Kriterium und sagt, das ist mir wichtiger als beispielsweise die wirtschaftlichen
Interessen oder die außenpolitische Situation und entscheidet dann für oder gegen eine
Lieferung. Also, verfassungsrechtlich gesehen, ist es kein Problem. Allerdings kann man
ein anderes juristisches Problem daraus ableiten, dass nämlich dies ein Verstoß gegen
selbst gegebene politische Richtlinien ist, die dann ihrerseits umgesetzt werden müssen.
Rundfunk: Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung auf die Situation in der
Nahost-Region?
Nassauer: Es wird eine sehr entscheidende Frage sein, was Israel mit diesen
U-Booten macht. Wenn Israel sie nicht wie die bisherigen im Mittelmeer einsetzt, sondern
im arabischen See oder im indischen Ozean, dann versucht es dadurch natürlich seine
militärische Reichweite und seine militärischen Handlungsmöglichkeiten gegenüber den
Staaten zu erweitern, die es heute für gefährlich hält, also beispielsweise das atomare
Pakistan, das wichtigste ölreiche Land, Saudi-Arabien, dass Israel politisch immer wieder
attackierte oder den Iran, dem Israel den Bau von Atomwaffen unterstellt. Insofern habe
ich meine Kritik dahingehend geäußert, dass ich gesagt habe, hier kommt nicht nur das
falsche Signal zur falschen Zeit, nämlich Israel mit diesen U-Booten zu unterstützen,
bei dem Erwerb solcher Möglichkeiten abzudecken, sondern es ist auch ein Signal, dass die
Position der Deutschen als Vermittler in der Diskussion um das iranische Atomprogramm
geschwächt wird, weil die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik ein Stückchen weit
geschwächt wird.
Rundfunk: Sie wissen ja, dass Israel die einzige Atommacht in der Nahostregion
ist, deswegen wird die Entscheidung der Bundesregierung über den Verkauf von zwei neuen
U-Booten das ohnehin bestehende militärische Ungleichgewicht zugunsten Israel weiter
verschieben.
Nassauer: Das ist eines meiner Argumente bei meiner letzten Antwort , dass ich
gesagt habe, das ist ein falsches Signal zur falschen Zeit. Sie haben es jetzt ein
bisschen genauer ausargumentiert. Ich sehe es auch so, dass hier auf der einen Seite die
Vermittlungsrolle Deutschlands in den EU-Iran-Gesprächen über das iranische Atomprogramm
nicht gestärkt, sondern eher geschwächt wird, dass auf der anderen Seite Deutschland
sich ohne Not an einer Stelle zur Unterstützung Israels bereit erklärt hat, die
zumindest zweifelhaft ist. Israel erklärt ja nicht offen, dass es Atomwaffen besitzt, und
deswegen glauben zum Beispiel die Unterstützer dieses Vorhabens in Europa und in
Deutschland argumentieren zu können, Israel werde keine Atomwaffen auf diesen U-Booten
stationieren. Aber ich kann beim besten Willen so etwas nicht glauben. Denn dann würden
diese U-Boote für Israel keinen Sinn machen, den sie aber machen würden, wenn man dies
tun würde.
Das Interview führte Seyed Hedayatollah Shahrokny
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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