Iranischer Rundfunk (deutsches Programm) - Interview
28. November 2005


Israel erklärt ja nicht offen, dass es Atomwaffen besitzt

Interview mit Otfried Nassauer

Rundfunk: Herr Nassauer, Sie haben in den deutschen Medien die Lieferung von zwei neuen U-Booten an Israel kritisiert. Sagen Sie, um was für U-Boote es sich handelte?
Nassauer: Israel hat seit 2002 den Wunsch geäußert, zwei, möglicherweise später drei U-Boote des Typs "Dolphin" von Deutschland zu bekommen. Das sind U-Boote wie die, die 1999-2000 geliefert wurden. Allerdings unterscheiden sich diese neuen U-Boote, die jetzt geliefert werden sollen, von den älteren, indem diesen U-Booten ein von Außenluft unabhängiger Antrieb hinzugefügt wird, das heißt, ein Antrieb, der es diesen U-Booten erlaubt, sehr viel weiter zu fahren und länger zu tauchen, als das bei normalen, konventionellen Diesel-U-Booten der Fall ist.

Rundfunk: Wer entscheidet in Deutschland über die Lieferung von Rüstungsgütern ins Ausland?
Nassauer: Umstrittene Liferungen, z. B. nach Israel oder in die Türkei werden in der Bundesrepublik Deutschland in der Regel durch den Bundessicherheitsrat entschieden. Das ist ein geheim tagendes Gremium aus einigen Ministern, und in diesem Gremium ist dieses Geschäft mit Israel verhandelt worden, und, soweit das öffentlich bekannt ist, hat dieses Geschäft die Zustimmung sowohl der SPD als auch der Grünen bekommen.

Rundfunk: Ist diese Entscheidung verfassungskonform?
Nassauer: Von der Verfassung her betrachtet, ist die Bundesregierung frei, wem sie Rüstungsgüter liefert, und wem nicht. Das ist eine Entscheidung der Exekutive, die diese auch zu verantworten hat. Also von der Verfassung her kann man wenig Kritik üben. Was allerdings möglich ist, ist dieses Geschäft unter politischen Gesichtspunkten zu kritisieren, zum Beispiel entlang der Rüstungsexport-Richtlinien, die sich die Bundesrepublik selbst gegeben hat, oder aber auch entsprechend der europäischen Rüstungsexport-Richtlinien, die in einem "Code of Conduct" zusammengefasst sind.

Rundfunk: Aber soweit ich informiert bin, darf die Bundesregierung von der Verfassung her keine Rüstungsgüter in die Krisengebiete liefern.
Nassauer: Das ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass es in Deutschland ein Gesetz gäbe, das die Lieferung von Rüstungsgütern in Krisengebiete grundsätzlich verbietet, dass dieses Gesetz Verfassungsrang hat. Das gibt es nicht. Es gibt politische Richtlinien und daneben zwei Gesetze, nämlich das "Außenwirtschaftsgesetz" und das "Kriegswaffenkontrollgesetz", nach denen Rüstungsexporte aus Deutschland verhandelt und behandelt werden. Und in diesen Rüstungsexportrichtlinien gibt es eine Reihe von Formulierungen, die sagen, dass Rüstungsgüter nicht in Gegenden geliefert werden, wo sie zu mehr Spannung führen und einen Krieg befördern könnten. Das sind politisch, aber nicht rechtlich bindende Richtlinien, und insofern muss die Exekutive, also die Regierung, in einem solchen Fall immer die Entscheidung fällen. Sie nimmt dieses Kriterium und sagt, das ist mir wichtiger als beispielsweise die wirtschaftlichen Interessen oder die außenpolitische Situation und entscheidet dann für oder gegen eine Lieferung. Also, verfassungsrechtlich gesehen, ist es kein Problem. Allerdings kann man ein anderes juristisches Problem daraus ableiten, dass nämlich dies ein Verstoß gegen selbst gegebene politische Richtlinien ist, die dann ihrerseits umgesetzt werden müssen.

Rundfunk: Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung auf die Situation in der Nahost-Region?
Nassauer: Es wird eine sehr entscheidende Frage sein, was Israel mit diesen U-Booten macht. Wenn Israel sie nicht wie die bisherigen im Mittelmeer einsetzt, sondern im arabischen See oder im indischen Ozean, dann versucht es dadurch natürlich seine militärische Reichweite und seine militärischen Handlungsmöglichkeiten gegenüber den Staaten zu erweitern, die es heute für gefährlich hält, also beispielsweise das atomare Pakistan, das wichtigste ölreiche Land, Saudi-Arabien, dass Israel politisch immer wieder attackierte oder den Iran, dem Israel den Bau von Atomwaffen unterstellt. Insofern habe ich meine Kritik dahingehend geäußert, dass ich gesagt habe, hier kommt nicht nur das falsche Signal zur falschen Zeit, nämlich Israel mit diesen U-Booten zu unterstützen, bei dem Erwerb solcher Möglichkeiten abzudecken, sondern es ist auch ein Signal, dass die Position der Deutschen als Vermittler in der Diskussion um das iranische Atomprogramm geschwächt wird, weil die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik ein Stückchen weit geschwächt wird.

Rundfunk: Sie wissen ja, dass Israel die einzige Atommacht in der Nahostregion ist, deswegen wird die Entscheidung der Bundesregierung über den Verkauf von zwei neuen U-Booten das ohnehin bestehende militärische Ungleichgewicht zugunsten Israel weiter verschieben.
Nassauer: Das ist eines meiner Argumente bei meiner letzten Antwort , dass ich gesagt habe, das ist ein falsches Signal zur falschen Zeit. Sie haben es jetzt ein bisschen genauer ausargumentiert. Ich sehe es auch so, dass hier auf der einen Seite die Vermittlungsrolle Deutschlands in den EU-Iran-Gesprächen über das iranische Atomprogramm nicht gestärkt, sondern eher geschwächt wird, dass auf der anderen Seite Deutschland sich ohne Not an einer Stelle zur Unterstützung Israels bereit erklärt hat, die zumindest zweifelhaft ist. Israel erklärt ja nicht offen, dass es Atomwaffen besitzt, und deswegen glauben zum Beispiel die Unterstützer dieses Vorhabens in Europa und in Deutschland argumentieren zu können, Israel werde keine Atomwaffen auf diesen U-Booten stationieren. Aber ich kann beim besten Willen so etwas nicht glauben. Denn dann würden diese U-Boote für Israel keinen Sinn machen, den sie aber machen würden, wenn man dies tun würde.

 

Das Interview führte Seyed Hedayatollah Shahrokny


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS