Financial Times Deutschland - Interview
18. September 2009


Nicht eingeknickt - Obama stoppt Raketenabwehr in Europa

Interview mit Otfried Nassauer

FTD: Hat Obama mit der Absage des Raketenschilds russischem Druck nachgegeben?

Nassauer: Obama ist nicht eingeknickt. Er hat eine Ankündigung aus dem Wahlkampf eingehalten und das Projekt auf Notwendigkeit und Machbarkeit überprüft. Er muss aufpassen, dass ihm die Falken in den USA nicht vorwerfen, eingeknickt zu sein. Schon im Haushalt für 2010 zeichnete sich das Ende des Projekts ab.


Laut Obamas Experten bestehe vorerst noch keine Gefahr durch iranische Langstreckenraketen

Nassauer: Das Raketenprogramm des Irans wurde schon unter George W. Bush kontrovers diskutiert. Bush neigte zur alarmistischen Interpretation, da er einen großen Faible für die Raketenabwehr hatte. Der Iran wird noch lange brauchen, bis er Interkontinentalraketen bauen kann, die einen Atomsprengkopf tragen könnten. Derzeit hat er sogar noch Probleme, Mittelstreckenraketen zu bauen, die zielgenau über 2000 Kilometer fliegen können. Obama will die Raketenabwehr auf solche naheliegenden Bedrohungen umsteuern.


Müssen Polen oder Tschechien sich ohne den Raketenschild stärker bedroht fühlen?

Nassauer: Wenn es keine Bedrohung durch iranische Raketen gibt, müssen sie auch nichts befürchten. Aber die Sorgen dieser Länder richten sich ja eher gegen Russland und verstärkten damit Moskaus Befürchtung, die Raketenabwehr sei gegen Russland gerichtet.


Kann Obama nun hoffen, dass Russland ihm auf anderen Gebieten Zugeständnisse macht?

Nassauer: Russland und die USA haben beide ein großes Interesse an einem neuen Start-Abkommen über die Abrüstung atomarer Waffen. Das Ende des Raketenschilds wird das Klima verbessern. Das räumt eine wichtige Hürde weg.

Das Interview führte Stefan Schaaf


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS