Parole "EdeKa"
Gastbeitrag von Jürgen Rose
GEWISSEN ALS BEFÖRDERUNGSHINDERNIS - Wie die Bundeswehr gegen den
"Befehlsverweigerer" Florian Pfaff nachtritt.
Am 21. Juni des vergangenen Jahres gab es einen "Schwarzen
Dienstag" für die deutsche Wehrjustiz. Kläglich scheiterte an diesem Tag der
Versuch, den Bundeswehrmajor Florian Pfaff mit Schimpf und Schande aus der Armee zu jagen.
Dieser hatte sich zuvor standhaft geweigert, befehlsgemäß den völkerrechtswidrigen
Angriffskrieg der US-geführten Koalition gegen den Irak zu unterstützen. Als loyal
dienender Stabsoffizier fühlte Pfaff sich an seinen einst geleisteten Diensteid gebunden,
"das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen". Deshalb
konnte er den ihm zugemuteten Völkerrechts- und Verfassungsbruch mit seinen
Gewissensprinzipien nicht vereinbaren.
Die Richter am Bundesverwaltungsgericht Leipzig sahen dies genauso und
sprachen ihn folgerichtig in dem vom Wehrdisziplinaranwalt angestrengten dienstrechtlichen
Verfahren von jeglichem Vorwurf eines Dienstvergehens frei. Zugleich wurde ein parallel
dazu von der zivilen Staatsanwaltschaft eingeleitetes Ermittlungsverfahren (Verdacht auf
Gehorsamsverweigerung) mangels hinreichenden Tatverdachtes eingestellt. Ein Sieg auf
ganzer Linie, und zwar nicht nur für den Militärcourage demonstrierenden Soldaten Pfaff,
sondern für Recht und Verfassung schlechthin - nota bene für alle "Staatsbürger in
Uniform".
Wer allerdings von dem im Prozess unterlegenen Dienstherrn eine Geste des
Bedauerns oder gar ein Angebot zur Kompensation des Pfaff zugefügten Unrechts erwartet
hatte, wurde bitter enttäuscht. Zeitweise in die "Klapsmühle" gesteckt,
anschließend durch die Mühlen der Militärjustiz gedreht, vom Truppendienstgericht
degradiert, vom Rausschmiss bedroht, kurzum: mehr als zwei Jahre im Ausnahmezustand mit
permanentem Ärger - alles nur eine Lappalie? Fairness im Umgang mit widerspenstigen
Untergebenen - selbst wenn diese im Recht sind - zählt offenkundig nicht zu den im
deutschen Militär gepflegten Tugenden. Doch auch von solch verteidigungsministerieller
Starrheit ließ der erzkatholische Bajuwarenschädel Pfaff sich nicht ins Bockshorn jagen.
Überzeugt von seinem Recht wandte er sich Ende 2005 mit einem Gesuch an seine
Vorgesetzten und beantragte seine längst fällige, aber durch den Prozess verzögerte
Beförderung in den Dienstrang eines Oberstleutnants rückwirkend nachzuholen. Eine
keineswegs unziemliche Forderung, schließlich waren seine gleichaltrigen Kameraden
längst aufgestiegen. Darüber hinaus ersuchte er um seine - wie es im Fachjargon heißt -
"laufbahnrechtliche Schadlosstellung". Danach hätte ihn das zuständige
Personalamt der Bundeswehr im Hinblick auf seinen beruflichen Werdegang so behandeln
müssen, als hätte es den Rechtsstreit nie gegeben. Schlussendlich bat Pfaff um einen
angemessenen Schadensersatz für all den Aufwand, der mit den langwierigen juristischen
Kontroversen verbunden war.
Gleichwohl fand er sich in Bausch und Bogen abgewiesen. Mag allein schon
die schroffe Abfuhr, die Pfaff erteilt wurde, irritieren - um so mehr trifft das auf die
amtliche Begründung zu. So bestehe für eine "laufbahnrechtliche
Schadlosstellung" kein Grund, da Pfaff mit seinem Verhalten höchst selbst den Anlass
für Ermittlungs- und Gerichtsverfahren gegeben habe. Außerdem setze ein
Schadensersatzanspruch "eine Verletzung der aus dem öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnis erwachsenen Rechtspflichten des Dienstherrn voraus" - und die liege
in seinem Fall nicht vor. Wer auf solch dreiste Weise Ursache und Wirkung verkehrt, hat
offenbar die Urteilsbegründung der Leipziger Richter nicht gelesen. Dort steht
geschrieben: "Nicht damit rechnen musste er [Pfaff] dagegen damit, dass die an Recht
und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und damit auch an das geltende Völkerrecht gebundene
Regierung der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit einem Krieg, gegen den
gravierende völkerrechtliche Bedenken bestehen, militärische Unterstützungsleistungen
zugunsten der USA und ihrer Verbündeten beschließen und erbringen würde und dass in
diesem Kontext des Irak-Krieges die nicht auszuschließende Möglichkeit bestand, dass er
mit seiner konkreten dienstlichen Tätigkeit in solche Unterstützungshandlungen
verstrickt würde."
Mitnichten also ist es der rechts- und gewissenstreue Major, dem die
juristischen Querelen zuzuschreiben sind. Vielmehr ist deren Ursprung in den kriminellen
Handlungen der damaligen Regierung und Bundeswehrführung zu sehen. Denn messerscharf
hatte das Bundesverwaltungsgericht geurteilt: "Eine Beihilfe zu einem
völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt".
Noch bizarrer wirken die Einlassungen, mit denen das Personalamt der
Bundeswehr Pfaff die zustehende Beförderung versagt. Es bestünden "begründete
Zweifel an seiner uneingeschränkten persönlichen Eignung und Befähigung", einem
höheren Dienstgrad gerecht zu werden. Dort, wo er seinen Dienst verrichtet, sieht man das
hingegen völlig anders. In der vor wenigen Tagen verfertigten dienstlichen Beurteilung
schreibt Pfaffs zuständiger Vorgesetzter nämlich: "Major Pfaff ist ein gradliniger,
eher ruhiger Stabsoffizier mit klaren Wertvorstellungen ... Major Pfaff ist mit
Überzeugung Soldat, ... Major Pfaff sollte nun auch zügig die durch seine Arbeit
verdiente Beförderung zum Oberstleutnant zuteil werden."
Zweitens aber - so das Personalamt - sei er "aus den anerkannten
Gewissensgründen" nur "eingeschränkt verwendungsfähig". Soll wohl
heißen: Ein Soldat, der sich weigert, an einem Bruch der Verfassung mitzuwirken, ist in
der Bundeswehr eigentlich völlig fehl am Platze. Die auf potenzielle Nachahmer Pfaffs
abzielende Botschaft ist eindeutig: Wer nicht pariert, wird sanktioniert. Mag einer auch
vor höchsten Gerichten noch so viel Recht haben und bekommen - es gilt die Parole
"EdeKa", gleichbedeutend mit: Ende der Karriere!

Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt
in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen.
|