Übersetzung des Artikels "Never Under Any Circumstances",
aus CBW Conventions Bulletin, Quarterly Journal of the Harvard Sussex Program
Issue 68 vom Juni 2005


"Niemals, unter keinen Umständen"

Die Chemiewaffen-Konvention im dritten Jahre nach ihrer ersten Überprüfungskonferenz

Dr. Walter Krutzsch [1]

Die erste Überprüfungskonferenz (RevCon) der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) war Gelegenheit, den nahezu universellen internationalen Konsensus über das vollständige Verbot chemischer Waffen zu bewerten, weiterzuentwickeln und zu bekräftigen. Wenn dieser Konsensus erhalten bleiben soll, müssen seine Prinzipien bei Belastungen durch politische Spannungen, Krieg und Terrorismus verteidigt und den tiefgreifenden ökonomischen und wissenschaftlich-technischen Entwicklungen angepasst werden. Eine umfassende Mobilisierung der Bemühungen der Regierungen und der Öffentlichkeit ist erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen. Angesichts dieser Umstände war es schon ein Erfolg, dass die RevCon nicht ergebnislos endete. Es wurden eine Politische Deklaration[2] und ein umfassender Bericht[3]angenommen. Diese Papiere können als Leitlinie für künftige Aktionen dienen. Gleichzeitig darf nicht übersehen werden, dass mit diesen Papieren ernsthafte Mängel bei der Verwirklichung der Konvention verdeckt wurden[4]. Ob ihr potentieller Wert zutage tritt und das umfassende CW-Verbot fördert, wird sich an Tatsachen zeigen.


Grundprinzipien

Universalität

Die Konvention erfreut sich breiter internationaler Anerkennung, aber nicht universeller Akzeptanz. Als im April 2003 die RevCon zusammentrat, hatte sie 151 Mitgliedstaaten. Am 3. Juli 2005 waren es 169. 15 Staaten haben die Konvention unterschrieben, aber nicht ratifiziert und etwa ein Dutzend Staaten haben die Konvention weder unterschrieben noch sind sie ihr beigetreten. Davon glauben einige, dass ihre Sicherheitsinteressen einen Beitritt nicht gestatten, weil sie sich militärischer Bedrohung, einschließlich Bedrohung mit Kernwaffen, ausgesetzt sehen. Das trifft auf einige Staaten des Mittleren Ostens zu. Gegenwärtige Bemühungen zur Schaffung einer von Massenvernichtungswaffen freien Zone im Mittleren Osten werden, falls sie Früchte tragen, diese Hürde überwinden helfen. Andere Staaten wenden ein, dass ihnen ein Beitritt keine Vorteile brächte, weil ihnen auch weiterhin Chemikalien, die außer für zivile auch für Waffenzwecke verwendbar sind sowie sensitive Technologien durch die ‚Australische Gruppe‘ vorenthalten würden. Andere Staaten bleiben außerhalb, weil sie über keine finanziellen oder personellen Voraussetzungen für die Durchführung der Konvention verfügen.

Deshalb muß noch mehr getan werden, um Universalität zu erreichen[5]. Dabei zählen nicht nur Ratifizierung oder Beitritt, sondern die tatsächlichen Veränderungen, einschließlich:

  • Vernichtung der chemischen Waffen (CW) und ihrer Produktionsanlagen;
  • Verhinderung der Weiterverbreitung von CW einschließlich neuer Typen solcher Waffen;
  • regelmäßige Veröffentlichung von Vertragseinhaltung oder –Nichteinhaltung bewiesen durch objektive Verifizierung;
  • wirksame Hilfe und Schutz bei CW Bedrohung;
  • uneingeschränkte ökonomische und technologische Entwicklung im Schutze der Konvention;
  • internationale Zusammenarbeit bei chemischen Aktivitäten, die nicht durch die Konvention verboten sind.

"Auslegung in gutem Glauben entsprechend der gewöhnlichen Bedeutung der Begriffe des Vertrages, gegeben in ihrem Zusammenhang und im Hinblick auf dessen Zweck und Ziel."

Mit diesen Worten kodifiziert die Wiener Vertragsrechtskonvention[6] die allgemeine Regel zur Interpretation von Verträgen. Sie ist unverzichtbar für die Verwirklichung des internationalen Konsenses, der in dem Text der CWC verankert ist. Seit den ersten Tagen der Vorbereitungskommission (1993-1997) gab es inkorrekte Auslegungen der CWC, die sich fortsetzten und gegenwärtig ihren Höhepunkt in der Fehlinterpretation der CW-Definition erreicht haben. Artikel II definiert alle toxischen Chemikalien, dazugehörige Vorprodukte, Munition und Spezialausrüstung als chemische Waffen, wenn sie nicht für Zwecke bestimmt sind, die als ‚von der Konvention nicht verboten’ gelten. Diese Zwecke werden im gleichen Artikel aufgelistet und sind das bestimmende Kriterium dafür, ob eine toxische Chemikalie von dem Verbot ausgenommen ist (oft genannt general purpose criterion – allgemeines Zweckkriterium). Die Definition erfasst Arten toxischer Chemikalien, eingeschlossen neue Wirkstoffe, die geschaffen worden sind oder noch werden, wie die sogenannten ‚nicht-tödlichen‘ Wirkstoffe. Diese Definition mißachten bedeutet gegen das umfassende CW Verbot in Artikel I der Konvention verstoßen‚ das mit den Worten ‘niemals, unter keinen Umständen’ jegliche Einschränkungen ausschließt.

 

Auslegungsproblem: ‚nicht-tödliche‘ Waffen und ‚Rechtsdurchsetzung einschließlich innerer Aufstandsbekämpfung’ in Artikel II, Paragraph 9 (d).

2002 berichtete das ‚Sunshine Project’ über Forschungs- und Entwicklungsprogramme der USA über ‚nicht-tödliche‘ chemische Waffen (z.B. vom US Marine Corps geförderte Arbeiten an der Universität des Staates Pennsylvania), die vermutlich die CWC verletzen[7]. Das Geiseldrama in einem Moskauer Theater im Oktober des gleichen Jahres, bei dem das Betäubungsmittel Fentanyl zu Befreiung der Geiseln angewandt und dadurch mehr als 120 von ihnen getötet wurden, wurde als eines der Szenarien beschrieben, für das neue ‚nicht-tödlichen’ Waffen gebraucht würden. Auslegungen von Artikel II, Paragraph 9 (d) wurden vorgenommen, die mit Geist und Buchstaben der Konvention unvereinbar sind. Als die RevCon zusammentrat, waren Schritte dringend notwendig, um Schaden von der Konvention abzuwenden. Obwohl Neu Seeland, Norwegen und die Schweiz in der Konferenz dieses Problem aufwarfen[8], unternahm diese nichts.

Während eines ‚Offenen Forums über die CW-Konvention’, das außerhalb der formellen Sitzungen der RevCon abgehalten wurde, nahmen mehrere Redner von außerhalb der OPCW zu dieser Angelegenheit Stellung[9]. Dr. Adolf von Wagner, ehemals Botschafter der BRD bei der Abrüstungskonferenz und während des letzten Jahres der CWC-Verhandlungen, Vorsitzender ihres CW ad hoc Komitees, widmete seine Grundsatzrede diesem Thema. In Hinblick auf Versuche, diesen Paragraphen zur Rechtfertigung des Einsatzes von Chemikalien zu mißbrauchen, die nicht zur Aufstandsbekämpfung zugelassen sind, unterstrich er: "Jede Auslegung ist einfach falsch, die Rechtsdurchsetzung als besonderen Zweck betrachtet, der nicht in der Konvention definiert ist und es deshalb gestattet, zu unterscheiden zwischen nicht verbotenen toxischen Chemikalien für Rechtsdurchsetzung und solchen für Aufstandsbekämpfung". Daraus folgt, die Definition für ‚Mittel für Aufstandsbekämpfung’ in Paragraph 7 des Artikels II gilt für alle Mittel, die von der Aussage in Paragraph 9 (d) abgedeckt sind. Von Wagner bezog sich weiterhin auf das Genfer Protokoll von 1925, das jegliche Anwendung chemischer Waffen in jedem Konflikt verbietet[10]. Auch danach ist eine Unterscheidung zwischen erlaubten Mitteln zur Rechtsdurchsetzung und verbotenen zur Aufstandsbekämpfung vom rein rechtlichen Standpunkt unzulässig. Das wäre eine Auslegung ohne Berücksichtigung der Zusammenhänge und stände im Widerspruch zu Ziel und Zweck der Konvention. Weiterhin ist entsprechend der Auslegungsregeln in Artikel 30, Paragraph 2 der Wiener Konvention und des Artikels XIII der CWC jede Auslegung der CWC ausgeschlossen, die dem Verbot des Genfer Protokolls widerspricht. Eine vom Verfasser dieses Artikels vorgelegte Studie kommt zu den gleichen Ergebnissen.[11]

Die meisten der auf dem ‚Offenen Forum’ abgegebenen Beiträge unterstützten Dr. von Wagners Standpunkt. Lediglich Professor D. Fidler von der Föderation Amerikanischer Wissenschaftler widersprach ihr. Er behauptete: "Die Anwendung toxischer Chemikalien für Zwecke der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung im Rahmen der CWC ist nicht auf ‚Mittel zur Aufstandsbekämpfung’ beschränkt." Er ging davon aus, dass Rechtsdurchsetzung eine eigenständige Kategorie ist (getrennt von Aufstandsbekämpfung) und dafür alle toxischen Chemikalien, ausgenommen solche in Liste I, erlaubt seien, beginnend mit solchen niedriger Gefährlichkeit bis zu solchen, die tödliche Dosen enthalten, erlaubt seien. Gerechtfertigt sei diese Auslegung, weil die Anwendung tödlicher Chemikalien zur Vollstreckung der Todesstrafe durch den Zweck Rechtsdurchsetzung mit erfasst sei. Dazu ist zu sagen, dass die Rechtfertigung des Gebrauchs von Chemikalien für einen solchen Zweck nicht Gegenstand von Verhandlungen zur CWC gewesen ist, weil nicht für ihr Ziel und ihren Zweck von Belang. Ausgehend davon wäre es abstrus und unvereinbar mit einer Auslegung im Guten Glauben, derartiges in Paragraph 9(d) hinein zu lesen, Professor M. Dando vom Department für Friedensforschung der Bradford University (GB) bezog sich ebenfalls auf den Fall der Geiselnahme in dem Moskauer Theater und warnte: "Einige militärischen oder polizeilichen Kreise könnten in Betracht ziehen oder versucht sein, Chemikalien ähnlicher Art bei ähnlichen Operationen anzuwenden - und das nicht nur in einem innerstaatlichen Zusammenhang." M. Dando hatte bereits in einer früheren Studie[12] erwähnt, dass in jüngster Vergangenheit militärische Kreise technologisch entwickelter Länder ein erneutes Interesse an vielen Arten ‚nicht-tödlicher‘ Waffen entwickelt hatten. In diesem Zusammenhang bezog er sich auf einen Artikel von D. Fidler, in dem dieser Gedanken Ausdruck verlieh, wonach neue ‚nicht-tödliche’ Waffen den Streitkräften neue Fähigkeiten verschaffen und ‚deshalb unsere Bewertung der Ethik des Waffengebrauchs beeinflussen’, sogar bis zu dem Punkt, in dem Elemente des Völkerrechts über Abrüstung und über humanitäre Regeln für bewaffnete Konflikte beiseite gestellt werden können, wenn militärische operative Notwendigkeiten und neue militärische Technologie das verlangen.

 

EFFECTIVITÄT GEGENWÄRTIGER VERIFIZIERUNGSMASSNAHMEN

Zu den Fragen, die direkten Einfluß auf das CWC Verifizierungssystem haben, gehören: Die unabhängige und neutrale Stellung des Technischen Sekretariats (TS), die nationale Implementierung durch die Mitgliedstaaten, das Berücksichtigen technologischer Entwicklungen, die Anwendung von Probenahmen und Analysen bei Inspektionen sowie die Folgen politischer Entscheidungen auf die Abteilungen Verifizierung und Inspektorat des TS. Sie werden im Folgenden behandelt.

 

Die Unabhängigkeit des Technischen Sekretariats

Um ihren Zweck zu erfüllen, müssen Verifizierungsmaßnahmen durch ein unabhängiges Organ ausgeführt werden. Artikel VIII CWC verbietet in Paragraph 46 dem General-Direktor, den Inspektoren und den Angestellten des TS ‚von irgendeiner Regierung oder irgendeiner anderen Quelle außerhalb der Organisation, Weisungen einzuholen oder entgegenzunehmen’. Paragraph 47 verpflichtet die Mitgliedstaaten, ‚den internationalen Charakter der Verantwortlichkeiten’ solcher Personen zu respektieren und ‚nicht zu versuchen, diese bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortlichkeiten zu beeinflussen’. Jedoch wurde die Unabhängigkeit des TS, ein Eckpfeiler objektiver Verifizierung, aufgeweicht. Das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeits-Organisation (ILO) kennzeichnet die Mißachtung dieser Prinzipien als unvereinbar mit dem richtigen Funktionieren einer Internationalen Organisation[13]. Die Mitgliedstaaten der OPCW betonen (in Paragraph 12 der Politischen Deklaration der RevCon), dass das Verifizierungssystem in nicht diskriminierender Weise anzuwenden ist und unterstreichen (in Paragraph 13) ihre Verpflichtung zu einem wirksamen und glaubhaften Verifizierungsregime.

Zum Schutze unabhängiger Verifizierung verleihen die Vorschriften über Privilegien und Immunitäten den Mitgliedern von Inspektionsteams volle diplomatische Immunität, unter anderem für Papiere und Korrespondenz einschließlich Berichten, Proben und genehmigte Ausrüstung[14]. Diese Schlüsselvorschriften wurden bei Hunderten von Inspektionen verletzt: Obwohl die Notizbücher der Inspektoren durch die von der Konvention verliehene Immunität geschützt sind, müssen auf Verlangen des inspizierten Staates Kopien von diesen Notizbüchern gemacht und an ihn übergeben werden.

 

Nationale Implementierung

Noch Vieles bleibt zu tun, bis die Verpflichtungen des Artikels VII erfüllt sind. Das kommt klar in den Paragraphen 15 und 16 der Politischen Deklaration zum Ausdruck. Nicholas Sims unterstrich auf dem Offenen Forum die Verpflichtung in Artikel VII‚ ‚jegliche Aktivitäten an jedem Ort unter der Kontrolle eines Mitgliedstaates zu unterbinden, die ihm durch die Konvention verboten sind und entsprechende Gesetze zu erlassen’[15]. Trotz der in den letzten Jahren zunehmenden wichtigen Hilfe durch das TS ist gegenwärtig der Stand der Dinge nicht ermutigend. Am 31. Oktober 2004 waren die meisten Mitgliedstaaten dieser Verpflichtung nicht vollständig gefolgt: Während 82% von ihnen eine Nationale Behörde[16] geschaffen hatten, haben nur 58% die OPCW über ihre angenommenen Durchführungsgesetze informiert und nur 32% berichteten, dass ihre Gesetzgebung alle entscheidenden Gebiete für die Durchführung der Konvention erfaßt[17].

Außer nationaler Gesetzgebung sind weitere Durchführungsmaßnahmen notwendig, damit sichergestellt wird, dass alle nicht verbotenen Aktivitäten in Übereinstimmung mit den Kriterien des Artikels II, insbesondere mit dem allgemeinen Zweckkriterium, vereinbar sind. Das umfaßt operative Beobachtung und Lenkung der chemischen Aktivitäten im Lande (Produktion, Verbrauch, Export, Import). Die Chemikalienlisten dienen als wichtiges Instrument bei der Verwirklichung dieser Verpflichtung, besonders bei der Verifizierung und Durchführung der Import- und Exportbeschränkungen. Mitgliedstaaten haben die OPCW zu informieren, wenn sich aus ihren Erfahrungen eine Ergänzung der Chemikalienlisten erforderlich macht. Diese Verpflichtung wird weitgehend vernachlässigt. Das betrifft besonders solche Mitgliedstaaten, in denen ausgedehnte Forschungsprogramme mit chemischen und biologischen Stoffen durchgeführt werden. Obwohl die Chemikalienlisten Instrumente für die Durchsetzung der Nichtweiterverbreitung sind, wurden sie tatsächlich zu Instrumenten der Behinderung der Verifizierung gemacht. Die Bestimmung in Artikel II, Paragraph 2, die alle toxischen Chemikalien (durch das allgemeine Zweckkriterium) erfasst, wird hinfällig, wenn man die Verifizierung auf die existierenden Chemikalienlisten beschränkt und diese nicht ständig der Entwicklung angepasst werden. Nach den Listen richtet sich, was unter den Bestimmungen des Teils VI des Verifizierungsanhangs zu deklarieren ist. Veraltete Listen schaffen Schlupflöcher. Solche Schlupflöcher für neue Stoffe und Technologien müssen so bald wie möglich durch die politischen Organe der Organisation geschlossen werden.

 

Berücksichtigung wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen

Die RevCon erachtete es für notwendig, neue industrielle Methoden, wie Mikro- und Nano-Reaktortechnologien zu untersuchen, die in der Konvention nicht berücksichtigt sind. Andere neue Technologien erfordern es, sich solche Betriebe genauer anzusehen, die bestimmte, nicht auf Listen erfaßte organische Chemikalien (DOCs) produzieren und problematische Chemikalien in die analytische Datenbank der OPCW aufzunehmen. Stoffe aus der Novichok-Kategorie[18] wurden bisher auch nicht in Listen aufgenommen. Im Offenen Forum wurden dazu wertvolle Beiträge unterbreitet[19], die zu dem Schluß kamen, dass heutzutage hochentwickelte Prozeßkontrolle hohe Anforderungen an das technische Wissen der Inspektoren stellt. Produktion mit Mikroreaktoren von gelisteten Chemikalien, Novichocks usw. kann in einer globalisierten Umgebung möglicherweise für verbotene Zwecke abgezweigt werden. Zusätzliche Aufmerksamkeit muß der Biotechnologie und den mid-spectrum agents gewidmet werden und den Chemikalien, die als ‘nicht-tödliche’ Waffen ein ernstes Risiko bedeuten. M. Dando warnte: "Ich hoffe, diese Konferenz wird nachdrücklich bekräftigen, dass die Konvention sich eindeutig auf alle Chemikalien erstreckt und folglich Dinge, wie Toxine, Proteine, Peptide, Bioregulatoren und deren biologisch oder synthetisch hergestellten Analoge und Bestandteile erfaßt. Falls Sie das unterlassen, werden Sie, wenn Sie das nächste Mal wiederkommen, ein unlösbares Durcheinander vorfinden"[20]. Unglücklicherweise hat die Konferenz auf diese Warnungen nicht reagiert.

 

Probenahme und Analyse

Die Analyse von Proben ist ein sehr wichtiges Instrument, das die Konvention liefert, um unanfechtbare Beweise über Einhaltung oder Nichteinhaltung der Vertragspflichten zu erlangen. Leider wurde dem TS die Anwendung dieses Instruments sehr beschnitten: Mitgliedstaaten möchten meistens ihre eigenen Geräte dazu angewendet haben. Obwohl die Konvention es verbietet, dem Inspektionsteam den Gebrauch ordnungsgemäß durch die Konferenz der Mitgliedstaaten genehmigten Gerätes irgendwie zu beschränken, wurde die Durchsetzung dieses Verbotes auf verschiedene Weise verhindert. Das begann 1997, als die USA bei der Ratifizierung der Konvention durch einen rechtlich fragwürdigen Vorbehalt es untersagten, Proben außerhalb des Territoriums der USA zu analysieren. Indien folgte diesem schlechten Beispiel und fügte ein Ablehnungsrecht in sein nationales Recht ein. Der Obstruktion dieser wesentlichen Vorschrift folgten finanzielle Beschränkungen für Ausrüstung und Ausbildung von Personal. Gegenwärtig stellen Mitgliedstaaten – unter Mißachtung der Vorschriften der CWC – generell in Frage, ob bei der Verifizierung der chemischen Industrie die Probenanalyse überhaupt notwendig sei. Dies ist das treibende Moment für die Reaktion zweier Mitgliedstaaten (Deutschland und Japan) auf einen Entwurf des TS vom April 2004 "Probenahme und Analyse bei Inspektionen nach Artikel VI". Ihre Argumente waren: Probenahme und Analyse seien zu kostspielig für die OPCW; man könnte das versuchsweise bei einigen komplexen Chemieanlagen für Liste 2 Chemikalien anwenden; es würden dadurch finanzielle Mittel von der Verifizierung der CW-Vernichtung abgezogen; es wäre unvereinbar mit dem Prinzip der CWC, stets die am wenigsten störende Methode anzuwenden; es sollte nur ausnahmsweise zur Beseitigung von Unklarheiten angewandt werden. Dieser Standpunkt steht in offenem Widerspruch zu den Erkenntnissen der International Union of Pure and Applied Chemistry (UIPAC). Christopher K. Murphy, Programmdirektor der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA[21] legte ihn vor im Namen der Mitglieder dieser Union, die Nationale Akademien und Chemiegesellschaften von vierundvierzig Ländern, die weltweit 85% der chemischen Industrie repräsentieren. Er behandelte neue synthetische Methoden für die Herstellung von Chemikalien, neue Methoden wie database mining, welche es ermöglichen, schnell chemisch-toxische Entwicklungen anzuvisieren und die Tatsache, dass kleine Einrichtungen für Serienproduktion möglicherweise toxische Chemikalien herstellen, die für verbotene Zwecke abgezweigt werden könnten. Er wies auf die Konsequenzen für die Verifizierung hin, zum Beispiel auf das Regime für die OCPFs[22] und legte allgemein Gewicht auf neue analytische Methoden und analytische Instrumente mit erhöhter Empfindlichkeit. Es ist zu hoffen, dass seine Idee einer Zweibahnstraße zwischen der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft und der OPCW zur Ausbildung und Weitergabe von Erfahrung aufgegriffen wird, und zwar nicht nur von den Mitarbeitern des Technischen Sekretariats, sondern auch von den Repräsentanten der Mitgliedstaaten der OPCW.

 

Effizienz des politischen Prozesses in der OPCW

Die RevCon vertagte ihre Beratungen um zu einer eintägigen Sondertagung der Konferenz der Mitgliedstaaten zusammenzutreten. Erstaunlicherweise nahm die Sitzung eine Entscheidung an, wonach die Beschäftigungszeit von Mitarbeitern und Inspektoren des TS auf maximal sieben Jahre begrenzt wird. Die Debatte darüber war 10 Jahre lang hin und her gegangen. Es wurde rückwirkend beschlossen, dass die erste Periode 1999 begonnen hat. Die Entscheidung verpflichtet zu einem jährlichen Austausch von 14,5% des gesamten Personals und gestattet eine besondere einmalige Ausnahme für die erste Periode für 10% der Mitarbeiter zwischen 2006 und 2009[23]. Damit ist gewiß, dass das TS seine erfahrensten Leute, besonders die Spezialisten für Verifizierung und Inspektorat, nicht behalten kann. Das korporative Gedächtnis des TS, dass sich seit 1993 aufgebaut hat, wird 2009 erloschen sein. Die anwachsende Last der Inspektionen in den Einrichtungen zur CW-Vernichtung im zweiten Teil dieses Jahrzehnts, verbunden mit dem Zwang, neue Leute auszubilden, wird höhere Anforderungen an Professionalität und Integrität der Verifizierung stellen (Politische Deklaration, Paragraph 14). Man war der Gefahren dieses Konzepts gewärtig, aber infolge des Drucks einflußreicher Mitgliedstaaten wurde eine Entscheidung auf der Sondertagung erzwungen.

Es besteht ein schlagender Widerspruch zwischen der Annahme einer derartigen Entscheidung einerseits und einer Verpflichtung für ein glaubhaftes und wirksames Verifizierungsregime andererseits[24]. Obwohl es vernünftig ist, einen gesunden Austausch von Mitarbeitern zu fördern, so eindeutig konterproduktiv ist es, dies in einer derart inflexiblen und strikten Art und Weise zu tun. Es sollte nun eine Aufgabe ersten Ranges sein, den Verlust von hochqualifizierten und erfahrenen Mitarbeitern zu verhüten, die unersetzbar sind angesichts der neuen Herausforderungen auf dem Gebiete der Verifizierung und der nationalen Durchführung der CWC.

 

MODUS OPERANDI DER OPCW

Der Exekutivrat

Im Jahre 2001, nach der Maitagung der Konferenz der Mitgliedstaaten, stellte das Harvard-Sussex-Program eine ‚zunehmende Paralyse in den politischen Organen der Organisation‘ fest. Im Appell ehemaliger Teilnehmer an den Verhandlungen und interessierter Wissenschaftler zur Aufrechterhaltung der CWC hieß es ‚bedauerlicherweise haben Regierungen ihre Aufmerksamkeit gegenüber der Konvention auf weniger als Routineniveau zurückgeschraubt‘[25]. Alexander Kelle, Marie Curie Research Fellow an der Universität von Bradford, England, beobachtete eine ‚Kultur des Vertagens‘ beim Exekutivrat[26]. Gegenwärtig ist die Liste seiner unerledigten Angelegenheiten, einschließlich einiger von der Pariser Resolution von 1992[27] übernommenen, noch nicht in Angriff genommen. Zusätzliche Aufgaben aus der Inspektionstätigkeit erfordern eine Aktion des Exekutivrates. Dessen Leistungen sind weniger als ermutigend, wenn es um die Erledigung von Schlüsselaufgaben des Verifizierungsregimes geht. Das gilt sowohl für die Vernichtung chemischer Waffen als auch für Industrieverifikation. Es gab weiterhin erhebliche Verzögerungen durch den Exekutivrat bei der Bestätigung der detaillierten Pläne für die Verifizierung der Vernichtung chemischer Waffen und CW Produktionseinrichtungen sowie von Anlagen und Plänen für die Konversion von Produktionsbetrieben für chemische Waffen. Trotz der Auffassung des Wissenschaftlichen Beratergremiums, Salze der ausgewählten Amino-Gruppe in die Chemikalienliste aufzunehmen, hat der Exekutivrat nicht entsprechend reagiert und die Angelegenheit in einer Expertengruppe begraben.

Es gibt aber auch lichte Momente: Die Entscheidungen über Grenzen für Produktion und versteckten Gebrauch von Chemikalien der Listen 2 und 3, die die Möglichkeiten für angeglichene Erklärungen über Produktion solcher Chemikalien verbessert; ferner die sofortige Unterstützung einer Änderung gemäß Artikel XV der Konvention, die Libyen ermöglicht, eine frühere CW Produktionseinrichtung für nicht verbotene Zwecke zu konvertieren.

Eine Regel, wonach im Exekutivrat nur Entscheidungen im Konsensus getroffen werden dürfen, ist illegal[28] und hat sich jahrelang als schädlich erwiesen. Es mag eine konstruktive Idee sein, Staatenvertreter als ‚Vermittler‘ mit der Vorbereitung von Entscheidungen zu beauftragen, wenn sie die Ergebnisse ihrer Bemühungen dann vorlegen würden, wenn die notwendige Unterstützung von zwei Dritteln des Rates in Sichtweite ist. Aber weiter und weiter zu ‚vermitteln‘ wegen des Widerstandes einiger Mitglieder, die anonym bleiben, ist nichts anderes als Arbeitsbehinderung; nicht nur die des Exekutivrates, sondern der OPCW. Die Paralyse des Rates muß sich notwendigerweise auf die Arbeit der Konferenz der Mitgliedstaaten auswirken, denn dem Rat sind wichtige allgemeine und 68 spezielle Aufgaben übertragen worden[29], die für die Konferenz von wesentlicher Bedeutung sind. Die wichtigste Aufgabe des Rates ist in Paragraph 36 von Artikel VIII festgelegt: Die Behandlung von Zweifeln und Besorgnissen bezüglich Vertragseinhaltung und Fälle von Nichteinhaltung der Konvention. Der Rat muß, gemeinsam mit der Vertragspartei, entweder die Situation bereinigen, oder wenn das mißlingt, andere Maßnahmen ergreifen[30].

Während der acht Jahre nach in Kraft treten der Konvention ist keine solche Maßnahme ergriffen worden. Jedenfalls ist nichts davon allgemein bekannt geworden. Damit in Widerspruch steht eine Menge von Fällen der Nichteinhaltung, (z. B. willkürliche Falschinterpretation von Vorschriften, Verletzung der Immunität von Inspektoren und Inspektionsausrüstung, Versäumnisse hinsichtlich nationaler Maßnahmen zur Durchführung der Konvention, verspätete Abgabe von Deklarationen oder Zahlung finanzieller Beiträge). Diese Lähmung spiegelt sich auch in der Arbeit der Konferenz der Mitgliedstaaten wider, die ihrer Verantwortung nicht nachkommen konnte, entsprechend Artikel XII gegen Fälle der Nichteinhaltung von Vertragspflichten vorzugehen, weil der Exekutivrat ihr keine derartigen Empfehlungen vorgelegt hat. Eine Ausnahme bildet der Aktionsplan des TS zu Artikel VII, den die RevCon in Auftrag gegeben hatte[31]. Im Hinblick auf Resolution 1540 des UN Sicherheitsrates (siehe unten) sollte die Verpflichtung beachtet werden, Fälle der Vertragsverletzung, die von besonderem Gewicht sind, der UN Generalversammlung und dem UN Sicherheitsrat zu unterbreiten.

Es sollte eine transparente Prozedur eingeführt werden, ungelöste Fälle von Vertragsnichteinhaltung entsprechend Artikel VIII, Paragraph 35 und 36 CWC innerhalb bestimmter Fristen zu lösen. Nur dadurch werden Versuche ausgeschlossen, Inspektoren oder Mitarbeiter der Verifizierungsabteilung des TS zu zwingen, ungeklärte Zweideutigkeiten (in Inspektionsergebnissen) zu vernachlässigen oder ihre Bewertung anderweitig zu beeinflussen. Eine ‚Kultur des Vertuschens‘ darf nicht der ‚Kultur des Vertagens‘ hinzugefügt werden.

 

Der Prozeß der Aufstellung des Budgets

Der Prozeß der Aufstellung des Budgets, ebenfalls Opfer der illegalen Konsensusprozedur, erwies sich als schädlich für eine gesunde Entwicklung der OPCW und ihres Verifizierungsregimes. Erstens wurde das Budget niemals erstellt als Ergebnis von Überlegungen darüber, was für ein glaubwürdiges Verifizierungsregime erforderlich ist. Um einen Konsensus zu ermöglichen, wurde jedes Jahr ein quid pro quo gesucht. Zweitens wurde das Budget auf das zurückgeschraubt, was die Mitgliedstaaten bereit waren zu zahlen.

Das Sekretariat sollte bestimmen, wann und wie oft Einrichtungen inspiziert werden sollten. Statt dessen wird jedes Jahr eine bestimmte Zielsumme von Inspektionen für jede Kategorie durch das Budget festgelegt. Während zum Beispiel das TS darauf verweist, dass das von einer erklärten Liste 1 Einrichtung ausgehende Risiko minimal ist, sorgte das Budget dafür, dass diese sechsmal inspiziert werden mußte. Im Gegensatz dazu wurden im gleichen Zeitraum in den nahezu 5000 anderen deklarierten chemischen Produktionsstätten weniger als 250 Inspektionen durchgeführt. An keiner Stelle sagt die Konvention, dass die Mitgliedstaaten die Verifizierung durch Budgetmaßnahmen regulieren können, aber genau das geschieht jedes Jahr zum Schaden einer wirklich glaubhaften Verifizierung. Wie von der RevCon bestätigt, sollte der Prozeß der Aufstellung des Budgets nach den Regeln des ergebnisorientierten Budgetierungsprozesses (results based budgeting – RBB) erfolgen. In einem solchen Prozeß würde das TS die Notwendigkeit von Inspektionen und die Anzahl von Inspektionen für jede Kategorie einschätzen: Liste 1, Liste 2, Liste 3 und OCPF. Daraus würde sich eine glaubwürdige Verifizierung nach Artikel VI ergeben. Die Mitgliedstaaten müßten versuchen, diese Vorschläge durch die Zuordnung der notwendigen Mittel zu unterstützen. Wenn die Mittel knapp sind, wären jene Verifizierungsmaßnahmen zu unterstützen, welche am notwendigsten sind. Verifizierung ist die wichtigste Aufgabe des TS, und nicht eine, die gleiche oder weniger Mittel erhält als Verwaltung, internationale Zusammenarbeit und Hilfe, Auswärtige Beziehungen usw. Im Laufe der Jahre wurde der Status der Verifizierungsmaßnahmen zugunsten von mehr diplomatischen und politischen Aktivitäten aufgeweicht.

 

Resolution 1540 (2004) des UN Sicherheitsrates

Diese Resolution vom April 2004 hat sich das Ziel gesetzt, die Weiterverbreitung nuklearer, chemischer und biologischer Waffen zu verhindern. Sie bezieht sich auf Kapitel VII der UN Charta: ‚Maßnahmen hinsichtlich der Bedrohung des Friedens, Friedensbruch und Aggressionsakte‘. Gemäß Paragraph 39 dieses Kapitels soll der UN Sicherheitsrat ‚die Existenz einer Bedrohung der Friedens,... feststellen und Empfehlungen (mit bindender Wirkung für alle Staaten und internationalen Organisationen) geben[32]. Diese Resolution hat beachtliche Folgen für die CWC, die OPCW und die Mitgliedstaaten. Sie muß unter Berücksichtigung von Artikel 2, Paragraph 1 der Charta der Vereinten Nationen durchgeführt werden, worin das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten festgelegt ist. Ihre verfassungsmäßige Ordnung hat den Vorrang bei der Durchführung der Empfehlung des UN Sicherheitsrates über Gesetzgebung zu speziellen Maßnahmen der Rechtsdurchsetzung gegenüber nichtstaatlichen Akteuren[33]. Das Prinzip aller demokratischen Verfassungen ‚Gleichheit vor dem Gesetz‘ ist einzuhalten. Es erfordert die Durchführung genereller internationalen Verpflichtungen durch den Erlaß von innerstaatlichen Vorschriften, die für jedermann innerhalb des Geltungsbereichs der Gesetze verbindlich sind. Resolution 1540 definiert ‚nichtstaatlicher Akteur‘ als ‚Individuum oder Einheit, die, nicht unter der Rechtshoheit eines Staates handelnd, Tätigkeiten ausführt, die in den Bereich dieser Resolution fallen‘. Erstens kann die Rechtshoheit eines Staates keine Weiterverbreitungsaktivitäten rechtfertigen, die allgemein durch Völkerrecht verboten sind. Zweitens können Regierung und Personen, die unter deren Hoheit handeln, sich nicht von der Verpflichtung freimachen, derartige internationale Abkommen einzuhalten und gegebenenfalls nationalen Maßnahmen der Rechtsdurchsetzung zu unterliegen. Demgegenüber werden diese Anforderungen durch die Bestimmungen des Artikels VII der CWC erfüllt. Danach sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ‚natürlichen und juristischen Personen ...jede Aktivität zu verbieten, die einem Mitgliedstaat durch die Konvention verboten ist.‘[34] Dieser Wortlaut geht dem der UN Resolution 1540 vor. Wegen des Vorhergesagten sollte ihm Modellcharakter für die entsprechenden Vorschriften, die die Resolution für nukleare und biologische Waffen verlangt, gegeben werden.

Paragraph 5 der Resolution stellt klar, dass die Rechte und Pflichten der jeweiligen Vertragsstaaten und -Organisationen, die sich aus allen drei Abrüstungsverträgen ergeben, unberührt bleiben. Das gilt auch für Artikel XI der CWC, der fordert, auf chemischen Gebiet zu kooperieren und den internationalen Handel zu fördern und auszudehnen. Dabei ist die bindende Interpretation von Artikel XI einzuhalten, die in der Genfer Abrüstungskonferenz auf der Grundlage eines Textes des australischen Vertreters, der für die ‚Australische Gruppe‘ sprach, vereinbart worden ist[35]. Damit erhöht sich die Verantwortung der Organe und des TS der OPCW, beweiskräftige Verifikationsergebnisse über Vertragstreue zu liefern. Unter solchen Umständen dürfen die Rechte der Mitgliedstaaten nach Artikel XI nicht durch Exportkontrollen der ‚Australischen Gruppe‘ oder durch andere Maßnahmen, die nicht in der CWC vorgesehen sind, eingeschränkt werden.

Ihrem Abkommen über die gegenseitigen Beziehungen entsprechend, sollten die UN und die OPCW Informationsaustausch und Zusammenarbeit in Fragen der Einhaltung der Verpflichtungen der CW Konvention, identisch oder ähnlich mit denen die UN Resolution, verstärken. Das bezieht sich, u.a., auf die folgenden Aspekte: Nationale Durchführungsmaßnahmen, wie Gesetzgebung, strafrechtliche Durchsetzung, Import und Export von Stoffen, die sowohl für nicht verbotene als auch für verbotene Zwecke einsetzbar sind; internationale Verifizierung; unabhängige und unparteiische Tätigkeit des TS, Listen für Chemikalien, Probenanalyse auf dem Stand der neuen wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, physischer Schutz von gelagerten Chemiewaffen und von chemischen Anlagen.

 

Transparenz der Tätigkeit und Verantwortlichkeit für deren Ergebnisse

Die Politische Deklaration der RevCon. besagt in ihrem ersten Paragraphen, dass die Konvention, wenn sie universell und wirksam angewandt wird, zu einem Aktivposten der Menschheit wird. Wenn diese Aussage mehr als eine leere Phrase sein soll, muß sie mit einem Aktionskonzept darüber verbunden sein, wie der Öffentlichkeit sinnvolle, quantitative und korrekt bewertete Informationen über die Tätigkeit der OPCW zugänglich gemacht werden. Die OPCW ist nicht transparent. Mit Ausnahme eines schöngefärbten Jahresberichts, der jegliche Bewertung des Grades der Vertragstreue oder der ungelösten Probleme der Vertragseinhaltung oder -Nichteinhaltung vermeidet, erreicht nicht viel Information die Öffentlichkeit - einschließlich nichtstaatlicher Organisationen, Wissenschaftlern und Verbänden. Der jährliche Bericht über durchgeführte Verifizierung ist unter "streng geheim" eingestuft und verbleibt beim TS und den Regierungen der Mitgliedstaaten unter Schloß und Siegel. Unter gegenwärtigen Umständen erreicht gehaltvolle Information des OPCW Sitzes die Delegierten des Mitgliedstaates in Den Haag und den Schreibtisch im Außenministerium oder in der Nationalen Behörde, aber weder dessen Parlament noch die Öffentlichkeit. Die einzige Information, erreichbar für die interessierte Öffentlichkeit, ist "Quarterly Review on Progress in the Hague" die dieses Bulletin seit 1993 publiziert. Aber auch diese leidet unter den Informationsrestriktionen, von denen die Organisation gesättigt ist.

 

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Abrüstungsrecht ist ein Entwurf, die Zivilgescllschaft zu verändern. Diese Veränderung wird dann stattfinden, wenn dieses Recht von der Gesellschaft bewußt aufgenommen wird. Ohne die Unterstützung der Gesellschaft kann man nicht ernstlich einen Erfolg der OPCW erwarten.

Ein Appell vom 13. Januar 2003[36] trägt den Titel: "Ein Aktivposten für Frieden und Menschlichkeit". Er wurde von mehr als 60 Personen und Institutionen unterzeichnet, die aktiv an der Verhandlung und Durchführung der Konvention teilgenommen haben. Er schließt: "Bedauerlicherweise haben Regierungen die der Konvention geschuldete Aufmerksamkeit unter das für Routineaufgaben übliche Maß reduziert. Notwendig ist eine aktive Politik, darauf gerichtet, die Konvention vollständig zu verwirklichen und sie mit Hilfe dabei gewonnener Erfahrungen dem wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt und den neuen Herausforderungen durch die Gefahren des chemischen Terrorismus anzupassen.

Der Weg nach vorn erfordert,

  • dass einige Mitgliedstaaten ihre gegenwärtige restriktive Haltung gegenüber der Konvention und ihrer Organisation aufgeben und alle Mitgliedstaaten sich bemühen, den angerichteten Schaden zu beheben;
  • entschlossene Anstrengungen der politischen Instanzen der Organisation, sich auf Fragen der Vertragseinhaltung zu konzentrieren und die Öffentlichkeit über diese Fragen zu informieren - sie müssen bereit sein, schwierige Beschlüsse zügiger und in transparenter Weise zu fassen;
  • eine Rückbesinnung auf den während der Verhandlungen zu dieser Konvention entwickelten Grundkonsens: Jeder Mitgliedstaat muss durch objektive und unparteiische Verfahren davon überzeugt werden, dass alle anderen Mitgliedstaaten sich vertragsgemäß verhalten und ihren jeweiligen Pflichten nachkommen.

Drohende Kriegsgefahren sollten zu diesen Aktivitäten anspornen, damit Ziel und Zweck der Konvention aufrechterhalten bleiben".


 

Dr. Walter Krutzsch war von 1985-90 Mitglied der DDR-Delegation zur Genfer Abrüstungskonferenz im Komitee für Chemische Waffen und dort Leiter mehrer Arbeitsgruppen. Von 1994-98 wirkte er als Senior Legal Officer im Vorbereitungskomitee der Chemiewaffenkonvention bzw. im OPCW. Das Copyright des Textes liegt beim Autor.

Wir möchten darauf hinweisen, dass dieser Artikel unter dem Copyright des Autors steht. Kontakt mit ihm kann über das BITS hergestellt werden. Wir bedanken uns herzlich bei Dr. Krutzsch dafür, dass er uns diesen Artikel zur Veröffentlichung auf unserer Homepage zur Verfügung gestellt hat.

 


 

[1] Der Autor, wohnhaft in Berlin, ist Konsultant für die CW-Konvention. Er arbeitete vorher für das Technische Sekretariat der OPCW und dessen Vorgänger, das Vorläufige Technische Sekretariat. Als Mitglied der Delegation der Deutschen Demokratischen Republik bei der Genfer Abrüstungskonferenz gehörte er zu den langjährigen Teilnehmern an den Verhandlungen und hatte später den Vorsitz von Arbeitsgruppen im Ad Hoc Komitee für chemische Waffen inne.

[2] OPCW document RC-1/3 vom 9. Mai 2003, zugänglich unter: www.opcw.org/cwrevcon/doc/NAT/FRCpoliticaldeclation.html.

[3] OPCW document RC-1/5 , 9. Mai 2003. Siehe auch The CBW Conventions Bulletin, no.60, (Juni 2003), Seiten 2-5.

[4] Robert J Mathews Reviewing the Chemical Weapons Convention: gently does it, VERTIC Verification Yearbook 2003. Zugänglich unter www.vertic.org (assets/YB03/VY03_Mathews.pdf).

[5] Jean Pascal Zanders, The Chemical Weapons Convention and universality: A question of quantity over quality? disarmament forum, [United Nations Institute for Disarmament Research] 2002 Nr.4, Seiten 23-29.

[6] Vienna Convention on the Law of Treaties (1969), in Kraft seit 27 January 1980.

[7] http://www.sunshine-project.org/publications/pr240902map.html.

[8] The CBW Conventions Bulletin, Nr. 60 (Juni 2003) Seiten 1-5 und 49.

[9] Open Forum on the Chemical Weapons Convention: Challenges to the Chemical Weapons Ban, Harvard Sussex Program on CBW Armament and Arms Limitation. Transcript auch zugänglich in HSP website at   http://www.sussex.ac/uk/spru/hsp/publications.

[10] Nur der Einsatz von Tränengas gegen internen Aufruhr kann als von diesem Verbot ausgenommen angesehen werden. Baxter and Buergenthal schlußfolgern: Der Wortlaut des Verbotes chemischer Kriegführung im Genfer Protokoll erlaubt sowohl eine breite als auch eine eingeschränkte Auslegung des beabsichtigten Umfanges. Jedoch ist klar, dass die Mitglieder des Protokolls in ihrem Verhalten und ihren Erklärungen ihr Verständnis bewiesen haben, wonach dieses Verbot den kriegerischen Gebrauch aller chemischen Stoffe untersagt, die eine unmittelbare Wirken auf Menschen haben und als Anti-Personen-Waffen genutzt werden können, einschließlich Tränengas und andere Arten von Reizstoffen. Siehe: Baxter and Buergenthal, Legal Aspects of the Geneva Protocol of 1925 in "The Control of Chemical and Biological Weapons", Carnegie Endowment for International Peace, New York, 1971. – (Artikel XIII der CWC schließt ausdrücklich jede Auslegung der CWC aus, welche die mit dem Genfer Protokoll übernommen Verpflichtungen beschränkt oder beeinträchtigt WK).

[11] Walter Krutzsch, Non-lethal chemicals for law enforcement? (April 2003): BITS Research Note 03.2.

[12] Malcolm Dando: "Scientific and technological change and the future of the CWC: the problem of non-lethal weapons, Disarmament Forum [United Nations Institute for Disarmament Geneva] 2002 Nr.4, Seiten.33-44. Dando bezog sich auf den Artikel: D.P. Fidler, ‘Non-lethal’ weapons and international law : Three perspectives in the future, Medicine, Conflict and Survival, 2001, vol.17 Nr. 3, Seiten 194-206.

[13] Siehe: ILO Administrative Tribunal, Entscheidungen No.2032, No.2232, No.2256.

[14] CWC, Annex zu Fragen der Durchführung und Verifizierung (Verification Annex), Teil II, Paragraph 11.

[15] Nicolas A, Sims, Dozent für Internationale Beziehungen, London School of Economics and Political Science: Nationale Durchführungsgesetze, Open Forum, ebenda, Seiten.13 bis16.

[16] Die nationale Anlaufstelle für Verbindung mit der Organisation und anderen Mitgliedstaaten (Art.VII,4).

[17] Annex 1 zu OPCW Dokument C-9/DG.7, vom 23 November 2004.

[18] Siehe unter Anderem die Beiträge von H. Löwe, V. Hessel and A. Mueller, Microreactors. Prospects already achieved and possible misuse, Pure Appl. Chem., 74, 2271 (2002); Advanced microreactors make chemical processing safer, faster, ChemNews.Cam, http:/chemnews.cambridgesoft.com/art.cfm?S.199; Ibid. references 3 and 4; M. Freemantle, "Numbering up" small reactors, Chemical and Engineering News, 81, 36 (2003); J. Matousek und. Masek in The ASA Newsletter, 94-5 sowie J. Bajgar, J. Fusek u. J. Vachek, in 94-4.

[19] Siehe: René van Sloten, International Council of Chemical Associations, Christopher K. Murphy, International Union of Pure and Applied Chemistry, Graham Pearson, Department of Peace Studies at Bradford University, Malcolm Dando, Department of Peace Studies at Bradford University. Siehe auch M. Dando:, Scientific and Technological Change and the future of the CWC in disarmament forum/Nr. 4/2002,

[20] Open Forum, ebenda, S..39.

[21] Open Forum, ebenda, S..19

[22] Gruppe der "anderen chemischen Produktionsanlagen" nach Teil IX des Annex für Durchführung und Verifizierung der CWC.

[23] OPCW Dokument C.-SS-2/Dec1, vom 30 April 2003.

[24] Vertic (2002). Getting verification right (Der Report empfiehlt :"die strikte Politik der begrenzten Vertragsdauer zu beseitigen).

[25] Appell (2003), Ein Aktivposten für Frieden und Menschlichkeit – zehnter Jahrestag der Ächtung chemischer Waffen, zugänglich unter: http://www.cwc-support.org.

[26] Alexander Kelle, The First CWC Review Conference: taking stock and paving the way ahead, in disarmament forum, Nr.4., S. 7.

[27] Angenommen von den Signatarstaaten der Konvention bei der Unterschriftszeremonie in Paris, am 13.-15. Januar 1993, abgedruckt in L. Tabassi, OPCW: The Legal Texts (1999) Seiten 523-534.

[28] Paragraph 29 von Artikel VIII der Konvention schreibt eine Zweidrittelmehrheit aller Mitglieder für Sachentscheidungen und einfache Mehrheit für Prozedurfragen vor.

[29] Siehe Walter Krutzsch und Ralf Trapp, A Commentary on the Chemical Weapons Convention. Martinus Nijhoff Publishers, 1994, Index, S.537.

[30] Die Maßnahmen unter Art. VIII, Paragraph 36 sind: alle Mitgliedstaaten informieren – die Angelegenheit der Konferenz unterbreiten – der Konferenz Empfehlungen geben über Schritte um die Angelegenheit zu bereinigen und Vertragseinhaltung zu sichern (Artikel XII) – in ernsten und dringenden Fällen die UN Vollversammlung und den UN Sicherheitsrat informieren.

[31] OPCW document,C-8/DEC.16, vom 24. Oktober 2003.

[32] Dokumentiert in: The CBW Conventions Bulletin, Ausg.64, Seiten 12-13.

[33] Das wird bestätigt in Paragraph 5 von Resolution 1540.

[34] Nicolas Sims sagte bezüglich des britischen Gesetzes zu chemischen Waffen von 1996: "Die Initiatoren von Sektion 37 waren darin interessiert, zweifelsfrei klarzustellen, dass Dienst für die Regierung niemals als Entschuldigung für einen Verstoß gegen dieses Gesetz angeführt werden kann. Sie bestanden darauf, dass Regierungsbeamte, einschließlich Wissenschaftler und Angehörige der Streitkräfte, sowie die Politiker, denen gegenüber sie verantwortlich sind, an genau die gleichen Verpflichtungen gebunden sind, als der Rest der Bevölkerung". Er fügte hinzu: "Das ist ein Prinzip vollkommener Erfassung, welches weltweit angewandt werden sollte" und erwähnte Beispiele aus Australien und Kanada. Open Forum, ebenda., S.15.

[35] In seinem Bericht über den vereinbarten Vertragstext der CWC an die CD vom 3. September 1992 (CD/PV.635), zitierte der Vorsitzende des ad hoc Komitees die Erklärung des australischen Vertreters vom 6. August 1992, in der dieser feststellte: "Sie (die Mitglieder der Australischen Gruppe) verpflichten sich, angesichts einer verwirklichten Konvention die Maßnahmen zu überprüfen, die sie getroffen haben, um die Verbreitung chemischer Substanzen und Ausrüstungen, die den Zielen der Konvention zuwiderläuft, zu verhindern. Das dient dem Ziele, solche Maßnahmen gegenüber Mitgliedstaaten der Konvention zu beseitigen, die in voller Übereinstimmung mit ihren Verpflichtungen aus der Konvention handeln."

[36] Appeal (2003), Ein Aktivposten für die Sache des Friedens und der Menschlichkeit – 10. Jahrestag des Verbots chemischer Waffen, zugänglich unter: http://www.cwc-support.org