BITS Briefing Note 01.5
November 2001
ISSN 1434-3266

 

Klar zum Gefecht!?

Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor Laeken

von Joost Sproedt

 

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Beim Gipfel des Europäischen Rates in Köln 1999 legte die Europäische Union den Grundstein für eine Gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GESVP). Diese GESVP umfasst sowohl militärische als auch zivile Komponenten. Die Entwicklung seit Helsinki zeigt allerdings, daß die Ausgestaltung der militärischen Kapazitäten zum Krisenmanagement Priorität hatte gegenüber der Entwicklung der zivilen Komponenten. Die neueste Entwicklung in diesem Bereich ist ein Grundsatzpapier für gemeinsame Übungen im Bereich des Krisenmanagements.

Ziel dieser Briefing Note ist, die letzten Entwicklungen und die anstehenden Probleme im militärischen Bereich der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gegen Ende der belgischen Präsidentschaft darzustellen.


Die Idee einer europäischen Verteidigungskomponente

Im Zuge der Schaffung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) in Maastricht 1991 wurde auch die Rolle der Westeuropäischen Union (WEU) erweitert, und es kam zu einer engeren Verflechtung mit der Europäischen Union. Die WEU besaß als Organisation nur die Funktion eines Beistandspaktes und hatte durch die Dominanz der Nordatlantik-Vertrag Organisation (NATO) wenig praktische Bedeutung. Nun sollte sie sicherheitspolitische Entscheidungen der EU ausführen und der Grundstein für eigene operative Fähigkeiten jenseits der Landesverteidigung werden.

Dazu wurden beim WEU-Gipfel in Bonn 1992 die Petersberg-Aufgaben1 definiert und bescheidene operative Fähigkeiten geschaffen. Außerdem wurde die Mitgliedschaft erweitert: Neutrale EU-Mitglieder wurden Beobachter, europäische NATO-Staaten ohne EU-Mitgliedschaft assoziierte Mitglieder.

Auf Initiative der USA wurde im NATO-Kontext die Europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität (ESVI) entwickelt. Sie sollte den Beitrag der europäischen Mitglieder zur NATO erhöhen und ihnen im Gegenzug ein eigenständiges Engagement im Rahmen der Organisation ermöglichen, so daß die Vereinigten Staaten weiterhin die Kontrolle über militärische Ambitionen der Europäer haben würden. Diese Eigenständigkeit wurde durch das Konzept der 'Combined Joint Task Forces' ermöglicht; multinationale Verbände konnten nun nach Bedarf kombiniert werden. Die ESVI bedeutete für die europäischen NATO-Staaten primär den Ruf nach einem stärkeren finanziellen Beitrag und die prinzipielle Möglichkeit für eigene Einsätze, allerdings unter der Kontrolle der NATO und somit den USA.

In dieser Situation war die WEU letztendlich wieder abhängig von der NATO. Da sie u.a. keine eigenen Planungskapazitäten entwickeln durften, mußte sie auf NATO-Kapazitäten zurückgreifen. De facto hatte sie kaum mehr als eine Mittlerfunktion zwischen EU und NATO, da sie nur aktiv werden konnte, wenn die NATO zuvor zugestimmt hatte.

Mit dem französisch-britischen Gipfel in St. Malo 1998 änderte sich die Richtung erneut; Großbritannien trat plötzlich für eine autonome, militärisch unterstützte Handlungsfähigkeit der EU ein. Die Grundsätze für diese neue Entwicklung beschloß der Europäische Rat in Köln 1999. Wichtige Stationen danach waren die Vereinbarung über die Eingreiftruppe in Helsinki 1999 und die Überführung der operativen Kapazitäten der WEU in die EU in Nizza Ende 2000.


Militärische Kapazitäten

Beim Gipfel des Europäischen Rates in Helsinki im Dezember 1999 vereinbarten die Staats- und Regierungschefs die Aufstellung einer bis zu 60.000 Soldaten starken Krisenreaktionstruppe, die innerhalb von 60 Tagen an ihrem Einsatzort ist und mindestens ein Jahr im Einsatz bleiben kann. Hinzu kommen See- und Luftkapazitäten zur Unterstützung der Operation. Diese Streitkräfte sollen bis 2003 einsatzbereit sein und den vollen Umfang der Petersberg-Aufgaben erfüllen können.

Bei der Brüsseler Beitragskonferenz im November 2000, welche die nationalen Beiträge festschreiben sollte, wurde dieses Planziel voll erfüllt. Dieses Personal und Fähigkeiten, die maximal zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung steht, wird allerdings aus einem größeren Pool (über 100.000 Personen, 400 Kampfflugzeuge und 100 Schiffe) je nach benötigten Fähigkeiten ausgewählt.

Im Zuge der Definition der Aufgabenstellung wurden auch Schwachstellen erkannt, zu deren Behebung es gemeinsamer Anstrengungen bedarf. Hierzu gehören einerseits Interoperabilität und schnelle Einsatzbereitschaft. Andererseits spielen auch fehlende Fähigkeiten in Bereichen wie C3I2, ISTAR3, strategische Mobilität und Logistik eine Rolle. Diese Probleme wurden bereits in einer 'Audit Recommendation' des WEU-Ministerrates 1999 in Luxemburg aufgeführt. Hier gibt es bereits Kooperationen einzelner Mitgliedsstaaten z.B. bei einem Transportflugzeug, einem Hubschrauber für Truppentransport und im Bereich der Satellitentechnik. Die beteiligten Staaten haben ihre Bereitschaft erklärt, diese Entwicklungen in die GESVP einzubringen.

In Göteborg vereinbarte der Rat darüber hinaus eine gemeinsame Übungspolitik für Krisenmanagement-Operationen, welche sowohl militärische als auch zivile Komponenten enthalten soll. Es gibt zwei Kategorien: Übungen mit Rückgriff auf NATO-Kapazitäten und Übungen, die auf diese Kapazitäten verzichten. Ferner sind keine Truppen involviert; Ziel der Übungen ist die Optimierung des Kommunikationsstrangs vom Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee bis zum Force Headquarter (FHQ). Unterhalb dieser Ebene werden Übungen im Kontext der NATO und der Partnerschaft für den Frieden durchgeführt. Im Fokus liegt die Zusammenarbeit der EU-Institutionen untereinander bzw. der EU-Institutionen mit den Mitgliedsstaaten, die Interaktion mit der NATO und ihren nicht-EU-Mitgliedsstaaten und die Konsultation und Kooperation mit internationalen Organisationen und anderen Staaten.

Die Union plant besonders eine enge Koordination mit der NATO, die kompatible Prozeduren in fast allen Phasen der Übungen einschließt. „This means that the EU will conform to NATO standards wherever possible.“4 Dies ist ein Indiz für die enge Anbindung und Abhängigkeit der militärischen Komponente der GESVP von der NATO. Diese Nähe könnte allerdings in neutralen EU-Mitgliedsstaaten für Verstimmung sorgen, da sie von einer Organisation abhängig wären, deren Mitglied sie weder sind noch sein wollen. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit der Einbeziehung von Nichtregierungsorganisationen geschaffen; sie können nun zur Teilnahme an Übungen eingeladen werden. Angesichts des großen Umfangs an formeller Zusammenarbeit zwischen der EU und NGOs liegt hier ein Potential, wenn für beide Seiten akzeptable Modalitäten gefunden werden.


Veränderungen in der Planungs- und Entscheidungsstruktur

Im Rahmen der Ausgestaltung der GESVP wurden während der deutschen Präsidentschaft im Juni 1999 neue Organe beschlossen. Diese waren zunächst Interimsorgane, die seit März 2000 bestanden und im Zuge des EU-Gipfels von Nizza im Dezember 2000 einen permanenten Status erhielten. Das periodisch tagende Politische Komitee wurde in das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK) umgewandelt. Während es zuvor aus den Politischen Direktoren der Außenministerien der Mitgliedsstaaten bestand und halbjährlich tagte, ist es nun ein ständiges Gremium mit Vertretern im Rang von hohen Beamten oder Botschaftern; Treffen der Politischen Direktoren sind in diesen Rahmen weiterhin möglich.

Ohne die Kompetenzen des Rates oder der Kommission zu verletzen, wird das PSK "sich [...] mit allen Aspekten der GASP, einschließlich der GESVP, befassen." Im Falle einer Krise ist dem PSK die "politische Kontrolle und strategische Leitung einer militärischen Krisenbewältigungsoperation" zugeordnet. Die Vorschläge des Komitees werden von dem Ausschuß der ständigen Vertreter (COREPER) nach Prüfung an den Rat weitergeleitet.

Ihm untergeordnet ist der Militärausschuß (MC), das höchste militärische Gremium im Rahmen des Rates. Er besteht aus den Generalstabschefs der Mitgliedsstaaten, die durch ihre militärischen Delegierten (MILREP) vertreten werden. Sein Auftrag ist, "das PSK in allen militärischen Angelegenheiten im Rahmen der Union militärisch zu beraten und diesem gegenüber einschlägige Empfehlungen abzugeben. Er nimmt die militärische Leitung aller militärischen Aktivitäten im Rahmen der Union wahr." Der Vorsitzende des MC ist militärischer Berater des Generalsekretärs/Hohen Repräsentanten und nimmt an Ratssitzungen teil, wenn militärische Expertise gefragt ist.

Der Militärstab (MS) erhält seine Aufträge vom Militärausschuß und dient als Quelle für militärisches Fachwissen. Der Militärstab soll sich mit "der Frühwarnung, der Lagebeurteilung und der strategischen Planung im Hinblick auf die Ausführung der Petersberg-Aufgaben, einschließlich der Bestimmung der jeweiligen europäischen nationalen und multinationalen Streitkräfte, befassen" und Politiken und Beschlüsse gemäß den Vorgaben des Militärausschusses der Europäischen Union (EUMC) durchführen. Der Stab übt allerdings keine Befehlsgewalt aus und führt auch keine detaillierten operativen Planungen durch. Sollte sich die Aufgabenstellung in diesem Punkt ändern, müsste er vergrößert werden; momentan vorhandene mögliche Planungsorgane sind nur die der NATO oder (multi-) nationale Hauptquartiere.

Militärausschuß und Militärstab wurden von der WEU übernommen, wie auch das Institut für Sicherheitsstudien, die Planungszelle, das Lagezentrum und das Satellitenzentrum. Damit sind bis auf die Parlamentarische Versammlung, das Generalsekretariat und natürlich den Rat der WEU alle anderen Einrichtungen in die EU überführt, und auch an Aufgaben bleibt der WEU nur die Beistandsverpflichtung aus Artikel V des Brüsseler Vertrages und die Rüstungskooperation in den Agenturen der Western European Armaments Group (WEAG) und der Western European Armaments Organisation (WEAO). Da die EU nun alle von ihr benötigten Funktionen der WEU integriert hat, wurden in Nizza die Referenzen zur WEU aus dem Vertrag von Amsterdam gestrichen.

Weiterhin befürworten manche Mitgliedsstaaten, aus den nicht-institutionalisierten Treffen der EU-Verteidigungsminister einen eigenen Rat zu schaffen. Dies würde sie offiziell entscheidungsfähig machen, während ihre Absprachen momentan noch von den Außenministern im Rat "Allgemeine Angelegenheiten" endgültig verabschiedet werden. Im Zuge der letzten Ratssitzung der Außenminister unter Teilnahme der Verteidigungsminister wurde allerdings beschlossen, diese Konstellation beizubehalten und keinen neuen Rat zu institutionalisieren.


Finanzierung der Einsätze

Der Vertrag von Amsterdam legt fest, daß militärische Operationen im Rahmen der GASP von den Mitgliedsstaaten finanziert werden müssen. Dies geschieht entweder durch auf dem individuellen Bruttoinlandsprodukt basierende Beiträge oder durch freiwillige Verpflichtungen der teilnehmenden Staaten. Weiterhin sind Staaten, die nicht an der Operation teilnehmen, nicht verpflichtet, sich an der Finanzierung zu beteiligen (konstruktive Enthaltung).

Problematisch ist hier die finanzielle Trennung von kombinierten zivilen und militärischen Krisenmanagement-Einsätzen, da zivile Einsätze von der Gemeinschaft finanziert werden. Dies wäre aufwendig und würde potentiellen Konfliktstoff bieten. Die Einigkeit in der GESVP wird von der Möglichkeit der konstruktiven Enthaltung gefährdet, vor allem wenn finanzielle Enthaltung hinzukommt.


Beziehungen zur NATO und ihren nicht-EU Mitgliedern

Hier liegen die Hauptschwierigkeiten in der Entwicklung der militärischen Komponente. Da die EU für Einsätze auf NATO-Ressourcen zurückgreifen will, ist eine umfassende Definition des Verhältnisses zwischen NATO und EU essentiell. Dies wird verstärkt durch den Fakt, daß die Nutzung der NATO-Kapazitäten nicht nur Wille, sondern bis auf weiteres auch Notwendigkeit ist; den EU-Mitgliedsstaaten fehlt modernes Equipment, wie z.B. Präzisionswaffen, Transportkapazitäten und auch die Bereitschaft, es schnellstmöglich anzuschaffen. Anspruchsvollere Petersberg-Aufgaben, sowohl quantitativ (Truppenstärke) als auch qualitativ (Kampfhandlungen), wären ohne die Allianz nicht durchführbar. Übrig bleiben kleinere Operationen wie Peacekeeping unter UN-Mandat oder Rettungseinsätze.

Der Knackpunkt liegt in der Entscheidung über den Zugang zu NATO-Ressourcen. Die EU-Mitgliedsstaaten drängen auf eine garantierte Verfügbarkeit von NATO-Kapazitäten; nicht-EU-Mitglieder der NATO sollen mittels Konsultationen eingebunden werden. Die Türkei – und stillschweigend auch die Vereinigten Staaten NATO – wollen eine Entscheidung des Nordatlantikrates von Fall zu Fall und somit Mitentscheidungsrechte bei europäischen Einsätzen.

Grund für das Verhalten der USA ist ihre Sorge um die Stellung der NATO, ihrem Hauptstandbein in Europa. Konkret befürchten sie, daß mit der wachsenden Bedeutung der GESVP die Allianz und die ESDI korrespondierend an Bedeutung verlieren, da statt eines europäischen Pfeilers innerhalb der NATO nun eine eigene militärische Komponente innerhalb der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik entsteht. Dies könnte neben dem Bedeutungsverlust der NATO auch eine einheitliche und somit stärkere europäische Position innerhalb des Nordatlantikrates bedeuten. Eine Garantie gegen zunehmenden Kontrollverlust liegt mittelfristig in der Abhängigkeit der Union von der NATO bzw. den USA wegen fehlender Kapazitäten in den oben angesprochenen Bereichen. Wichtigstes Kriterium für eine amerikanische Akzeptanz der GESVP ist ein möglichst großer Einfluß auf und Kontrolle über Entscheidungen bezüglich der Einsätze. Des weiteren wünschen sich die USA eine Steigerung der militärischen Fähigkeiten der Europäer und somit eine Entlastung ihrer Kräfte.

Die Türkei begründet ihre Position mit ihrer geographischen Lage und ihren weitreichenden nationalen Interessen. Sie befürchtet, daß zukünftige Einsätze auch in der türkischen Interessensphäre (Zypern) stattfinden könnten und sie bei dem neuen Arrangement nicht genug Einfluß auf für sie wichtige Entscheidungen hätte. Die noch vage Beitrittsperspektive zur Europäischen Union trägt zu diesem Standpunkt bei. Die mangelnde Mitwirkungsmöglichkeit wird für die Türkei besonders deutlich, da ihr Einfluß im Rahmen der WEU umfassender war. Als assoziiertes Mitglied der WEU ist die Türkei in allen beratenden Gremien vertreten und hat weitreichendes Mitspracherecht. Im Falle ihrer Beteiligung an einer militärischen Operation der WEU wäre sie außerdem den WEU-Vollmitgliedern gleichgestellt. Im EU-Rahmen dagegen wäre die Türkei im Falle einer militärischen Teilnahme an einer EU-Operation nur an den täglichen Entscheidungen beteiligt. Eine Beteiligung an den beratenden Sitzungen des Europäischen Rates ist nicht vorgesehen. Prinzipiell haben Drittländer keine formale Möglichkeit, auf die Grundsatzentscheidungen des Rates über die richtige Strategie Einfluß zu nehmen.

Ein vergleichsweise leicht zu lösendes Problem ist dagegen der Geheimschutz. Da sich die Union im Vertrag von Amsterdam verpflichtet hat, gegenüber ihren Bürgern transparent zu sein und ihnen den Zugang zu Dokumenten grundsätzlich gewährt, könnten beim Thema GESVP Probleme auftreten, wenn Veröffentlichungen klassifizierte Informationen aus den Vereinigten Staaten beinhalten würden. Hinzu kommt, daß manche EU-Mitglieder keine NATO-Mitglieder sind. Als Schritt zur Lösung schuf der Rat die zusätzliche Klassifizierung 'Top Secret' und entschied, GESVP-Dokumente aller Art bei Bedarf als geheim einstufen zu können. Gegen Letzteres läuft eine Klage des Europäischen Parlaments sowie der Niederlande und Schwedens vor dem Europäischen Gerichtshof.

Für diese und andere Fragen wurden vier durch den Europäischen Rat in Feira eingesetzte Arbeitsgruppen eingerichtet, die das Verhältnis NATO–EU klären sollen. Während die Erste versucht, den Austausch klassifizierter Dokumente zu regeln, befaßt sich die Zweite mit der Vermeidung unnötiger Duplizierungen und die Vierte mit der effizienten Konsultation, Zusammenarbeit und Transparenz zwischen beiden Organisationen. Das oben angesprochene Kernproblem, die Modalitäten des Zugangs der EU zu NATO-Kapazitäten, sollen von der dritten Gruppe geklärt werden. Der Widerspruch zwischen europäischem Wunsch nach Entscheidungsautonomie und dem amerikanischen Interesse an Mitsprache und Kontrolle wird aber nur schwer rechtzeitig vor dem EU-Gipfel in Laeken zu lösen sein.


Verhältnis zu den Vereinten Nationen

Seit den Anfängen der GESVP beruft sich die Union auf die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen als eine der Leitlinien ihrer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Allerdings bleibt es bei der Formulierung vom "Einklang mit den Prinzipien der Charta", eine Bindung militärischer Einsätze an ein Mandat der UN ist nicht explizit erwähnt.

Diese fehlende Selbstverpflichtung birgt die Gefahr von völkerrechtswidrigem Handeln, da ein Mandat des UN-Sicherheitsrates neben staatlicher Selbstverteidigung die einzige völkerrechtliche Legitimation für militärische Interventionen ist. Daß die Europäische Union als entstehender Global Player in der Sicherheitspolitik dies nicht bedingungslos zur Grundlage ihrer Politik macht, schwächt die Position der Vereinten Nationen im Bereich des Krisenmanagements und der Konfliktlösung erheblich.

Nachdem die Entwicklung einer militärischen Struktur für die EU außergewöhnlich schnell voran ging und etliche Ziele deutlich vor Ablauf der jeweiligen Frist erreicht wurden, sind für die belgische Präsidentschaft wenige Aufgaben übrig geblieben. Das Hauptproblem des Verhältnisses EU-NATO wird allerdings nur konzertiert mit anderen Ländern wie z.B. Großbritannien zu lösen sein. Das Ziel der Erklärung der Einsatzbereitschaft, das eine der definierten Aufgaben des Gipfels in Laeken ist, ist momentan nur mit garantiertem Rückgriff auf NATO-Kapazitäten erreichbar. Eine Einigung mit der Türkei ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in Reichweite.

Ein weiterer Punkt ist die Zukunft des Artikels V des Brüsseler Vertrages. Er regelt die Beistandsverpflichtung innerhalb der WEU und geht über die Verpflichtung des Artikels V im Washingtoner Vertrag hinaus. Die Existenz dieser Verpflichtung ist eine der wesentlichen Gründe für die Aufrechterhaltung der Rest-WEU. Eine Integration des Artikels V in die EU wäre aufgrund der unterschiedlichen Mitgliederstrukturen problematisch. EU-Mitgliedsstaaten, die nicht WEU-Mitglieder sind, wären bei einer Integration der gesamten WEU bzw. des Beistandsartikels in die Europäische Union gezwungen, Artikel V beizutreten. Eine andere Option wäre die Annullierung dieses Artikels vor der Integration der WEU. Als Mittelweg bietet sich seine Anfügung an den Vertrag von Nizza als Protokoll mit freiwilliger Mitgliedschaft an.

Der interessanteste Punkt auf der Agenda des Gipfels in Laeken wird die Einsatzbereitschaft sein. Das letzte informelle Treffen der EU-Verteidigungsminister in Brüssel am 12. Oktober brachte hier keine neuen Ergebnisse bezüglich der Haltung der Türkei, deren Position eher starrer wurde. Es besteht also für den Rat nur die Wahl zwischen der Verschiebung dieser Entscheidung und der Feststellung der Einsatzbereitschaft ohne klare Vereinbarung über den Rückgriff auf NATO-Kapazitäten. Ersteres wäre eine Bremse für die GESVP. Deren Entwicklung ging allerdings bisher in EU-untypischem Tempo voran, da die selbstgesetzte Deadline in Helsinki noch bei 2003 lag. Die zweite Möglichkeit würde die Schaffung eigener Planungsstrukturen erfordern, was Zeit kosten würde; Zeit in der weiter mit der NATO verhandelt werden kann. Denn letztendlich ist die Erklärung der Einsatzbereitschaft nicht gleichbedeutend mit dem sofortigen Willen zum Einsatz.

 

Endnoten:

1 Humanitäre Einsätze, Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen (Artikel 17, Vertrag von Amsterdam).

2 Command, control and communications and information

3 Intelligence, surveillance, target acquisition and reconnaissance

4 Sköld, Thomas – Europe’s New Military Capability: Putting it to the Test. In: CESD and ISIS Europe - European Security Review Nr. 7, July 2001, S. 4

Diese Briefing Note wurde verfasst von Joost Sproedt. Er studiert Politikwissenschaft an der Universität Potsdam.

 


BITS bedankt sich für die großzügige Unterstützung seiner Forschungsarbeit zur Europäischen Sicherheit durch die Alton Jones Foundation.