ungekürzte Fassung

gekürzte Fassung erschienen im Tagesspiegel.de
17. Januar 2010


Israel will Geld für deutsche Kriegsschiffe:
U-Boote und Raketenkorvette auf der Wunschliste

von Otfried Nassauer

Ungemach droht Kanzlerin Angela Merkel bei den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen am Montag. Dafür sorgen die Gäste. Benjamin Netanjahu, Israels Regierungschef und sein Verteidigungsminister Ehud Barak wollen in Deutschland ein sechstes Dolphin-U-Boot und möglicherweise auch zwei hochmoderne Raketenabwehrkorvetten bestellen. Ein Milliardengeschäft für die deutsche Marineindustrie. Aber das devisenschwache Land kann die teuren Kriegsschiffe alleine nicht bezahlen. Seit Wochen werden deshalb in Israel Meldungen lanciert, man verhandle bereits über die Finanzierung mit Deutschland. Morgen erwarte man eine Einigung – zumindest über das U-Boot. Im Klartext: Über den Beitrag des deutschen Steuerzahlers, über Millionen Geld aus dem Bundeshaushalt. Öffentlich will die Bundesregierung von solchen Gesprächen nichts wissen: Es würden „diesbezüglich keine Gespräche unter Beteiligung der Bundesregierung geführt“, beschied Wirtschaftsstaatsekretär Bernd Pfaffenbach noch am 29. Dezember Omid Nouripour, den verteidigungspolitischen Sprecher der Grünen. Schon möglich, denn Israel muss zunächst die Preisverhandlungen mit der Industrie beenden. Erst dann können Gespräche mit der Bundesregierung über einen möglichen Kostenbeitrag aus dem Bundeshalt geführt werden.

Doch ein klares Nein zu den israelischen Forderungen dürfte der Bundesregierung schwer fallen. Aus außen- wie industriepolitischen Gründen. Einerseits gehört die „besondere Verantwortung“ der Bundesrepublik für die „Existenz Israels“ seit vielen Jahren zu den Paradigmen von Bundesregierungen aller Coloeur. Seit Helmut Kohl Israel 1991 die Lieferung von drei Dolphin-U-Booten zusagte, ist sogar die Lieferung von vollständigen Kriegswaffen an den Staat im nahöstlichen Krisengebiet kein Tabu mehr. Mit rund 900 Millionen €uro hat die Bundesrepublik seither die Beschaffung von fünf Dolphin-U-Booten durch Israel direkt aus dem Bundeshaushalt subventioniert. Indirekt floss noch mehr Geld, da die Bundeswehr verstärkt in Israel einkaufte und damit Israel Devisen beschaffte, die es für die U-Boote verwenden konnte. Hinzu kommt: Die Baugenehmigung für das sechste Israel-U-Boot hat die Bundesregierung bereits am 8.Mai 2006 erteilt.

Industriepolitisch decken sich die Forderungen Israels mit Wünschen des krisengeschüttelten Stahlkonzerns ThyssenKrupp. Dessen Werfen in Hamburg (Blohm & Voss) und Kiel (HDW) hätten gegen eine größeren Auftrag für Kriegsschiffe aus Israel sicher kaum etwas einzuwenden. Ganz gleich, ob das Geld dafür aus Israel oder aus dem deutschen Staatshaushalt und aus Israel kommt. ThyssenKrupp erhöhte jüngst den industriepolitischen Anreiz für die Bundesregierung, indem es öffentlich mit der Möglichkeit des Verkaufs von Anteilen seiner Marinewerften an die arabische Firma Abu Dhabi Mar spielte. Eine Vorstellung, die sofortigen einen Aufschrei deutscher Verteidigungs- und Industriepolitiker zur Folge hatte, die einen deutschen Käufer forderten.

Politisch wäre eine deutsche Finanzierungszusage nicht unproblematisch. Zum einen sind große finanzielle Geschenke in Zeiten der Finanz- und Haushaltskrise der Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln. Vor allem, da finanzielle Gründe wiederholt als Ursache für Ausstattungsmängel der Bundeswehr im Afghanistaneinsatz genannt wurden. Zum anderen ist Israel kein unproblematischer Empfänger. Das zeigten schon die Kriege gegen die Hisbollah im Südlibanon 2006 und gegen die Hamas im Gazastreifen 2008/2009. Es zeigt sich aber auch im Blick auf die erweiterten militärischen Handlungsmöglichkeiten, die die neuen Kriegsschiffe Israel eröffnen.

Seit Jahren wird die deutsch-israelische U-Boot-Connection von Argwohn begleitet. Vermutet wird, dass Israel die deutschen U-Boote als Träger für weitreichende Marschflugkörper nutzt oder nutzen will, die mit konventionellen , aber auch nuklearen Sprengköpfen bestückt werden können. Befürchtet wird, dass Jerusalem die Boote bei einem Angriff auf die Atomanlagen des Irans einsetzen könnte. Israel tut wenig, um solchen Befürchtungen entgegenzuwirken. Im Gegenteil: Es spielt mit ihnen im Rahmen der psychologischen Kriegführung. So durchfuhr im Sommer letzten Jahres ein Dolphin-U-Boot den Suez-Kanal, um Übungen im Roten Meer durchzuführen. Israel weckte damit Befürchtungen, es werde eine kontinuierliche Präsenz seiner U-Boote in der Golfregion anstreben, sobald es aus Deutschland 2011/12 erstmals Dolphin-U-Boote mit Brennstoffzellenantrieb erhalten hat. Diese haben eine größere Reichweite.

Seit Jahren wünscht sich die israelische Marine zudem neue Mehrzweck-Kriegsschiffe. Kleine Fregatten oder große Korvetten sollen es sein, mehr als doppelt so groß wie die Korvetten des Typs Sa’ar 5, die heute Israels größte Kampfschiffe sind. Wichtigste Fähigkeit der neuen Schiffe soll die Luft- und Raketenabwehr sein. Konzeption und Entwicklung sollen an die Hamburger Werft Blohm & Voss vergeben werden, die zu Thyssen Krupp gehört. Von den Hamburgern erhofft sich Israel, dass sie auf Basis des Typs MEKO A-100 ein größeres Schiff konzipieren, in dass modernste israelische Hochtechnologie integriert werden kann und das zugleich für Israel bezahlbar bleibt. Israel möchte ein hochmodernes Luftabwehrradar der Firma Israeli Aircraft Industries – Elta Systems integrieren, dass Raketen erfassen kann und zudem Senkrechtstarter für Raketen vom amerikanischen Typ VLS Mk 41 einbauen. Dieser könnte sowohl Luftabwehrraketen des israelischen Systems Barak 8 als auch amerikanische Raketen der Typen SM-2 oder SM-3 aufnehmen. Letztere sind zur Abwehr von Mittelstreckenraketen geeignet und sollen künftig auch Langstreckenraketen abfangen können. Damit könnte Israel den USA im Kontext der Neuausrichtung der Raketenabwehrplanung Washingtons für den Nahen Osten einen größeren Eigenbeitrag anbieten und zugleich die U.S.-Komponenten und Waffen für die Schiffe aus amerikanischer Militärhilfe bezahlen.

Sollte die Bundesregierung eine erneute Finanzhilfe für Israels U-Boot-Flotte ablehnen, kann Jerusalem die Forderung nach deutscher Militärhilfe für das sechste Dolphin-U-Boot und die Raketenabwehrschiffe zu einer Paketlösung zu verbinden. Es könnte der Bundesregierung die wachsende Raketenbedrohung Israels vor Augen halten und daran erinnern, dass Deutschland der Existenz Israels verpflichtet ist. Die Bundesregierung könne selbst entscheiden, ob sie eine erneute Militärhilfe im dreistelligen Millionenbereich der Öffentlichkeit als Hilfe beim U-Boot-Kauf oder für die Raketenabwehrschiffe verkaufe. Teuer für den deutschen Steuerzahler wird es in beiden Fällen.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS