Tagesschau online
29 . Januar 2006


Deutschland liefert U-Boote an Israel

von Otfried Nassauer

Die rot-grüne Bundesregierung hat kurz vor ihrer Ablösung noch einmal Rüstungsexporte genehmigt. Deutschland will Israel zwei "Dolphin"-U-Boote liefern und dabei ein Drittel der Kosten selbst übernehmen. Die Gesamtkosten für die Kriegsschiffe aus deutscher Produktion belaufen sich den Berichten zufolge auf etwa eine Milliarde Euro.

Vor wenigen Wochen hat die Bundesmarine sie erstmals in Dienst gestellt: Zwei U-Boote mit einem weltweit einmaligen, Außenluft-unabhängigen Brennstoffzellenantrieb. Damit können die Boote weiter fahren, deutlich länger tauchen und sind viel schwerer zu entdecken als alle anderen konventionell angetriebenen U-Boote der Welt. Es sind hochmoderne High-Tech-Waffensysteme für den Krieg der Zukunft. Gerade das macht sie zu einem gefragten Exportartikel.


Boote mit neuartigem Antrieb

Als Abschiedsgeschenk der besonderen Art will die scheidende Bundesregierung offensichtlich zwei U-Boote mit diesem neuen Antrieb an Israel liefern. Den geheim tagenden Bundessicherheitsrat hat das Vorhaben schon passiert. Noch am Montag – rechtzeitig vor der Vereidigung der neuen Regierung – soll das Vorhaben im Auswärtigen Amt per Vertrag besiegelt werden, meldet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Ein heikles, weil wohl umstrittenes Geschäft.


Israel besitzt bereits drei deutsche U-Boote vom Typ Dolphin – ohne den neuartigen Antrieb. Geliefert wurden diese 1999 und 2000. Die Zusage für diese Boote gab die Bundesregierung 1991. Damals hatte Saddam Hussein mit deutscher Technik leistungsgesteigerte irakische Scud-Raketen während des Golfkrieges auf Israel abgeschossen. Die Gefahr bestand, dass Giftgas gegen Ziele in Israel zum Einsatz kommen würde.


Zwei unterschiedliche Torpedorohre

Diese U-Boote beruhen auf einem Design, das in den achtziger Jahren im Auftrag Israels bei deutschen Firmen entwickelt und später noch einmal überarbeitet wurde. Als technische Besonderheit besitzen sie zwei unterschiedliche Torpedorohre. Sechs Rohre mit dem Standard-Durchmesser von 533 Millimeter und vier Rohre mit einem Durchmesser von 650 Millimeter. Aus letzteren, so wurde immer wieder berichtet, wolle Israel auch weitreichende atomare Marschflugkörper mit bis zu 1.500 Kilometer Reichweite abschiessen. Ein erfolgreicher Test vor Sri Lanka wurde gemeldet. Israel wolle seine atomare Abschreckung um seegestützte Waffen mit größerer Reichweite ergänzen. Auch deshalb seien die deutschen U-Boote gleich nach ihrer Ankunft in Israel erneut und aufwändig umgebaut worden.

Seit rund drei Jahren bemüht sich Israel um weitere Dolphin-U-Boote – nunmehr mit dem neuen außenluftunabhängigen Antrieb. Die israelische Marine will verstärkt in der Arabischen See und im Indischen Ozean kreuzen. Dort liegen heute jene Staaten, die Israel sicherheitspolitisch die größten Sorgen machen: Die islamische Atommacht Pakistan, Saudi-Arabien und nicht zuletzt der Iran, dem Israel unterstellt, Atomwaffen bauen zu wollen. Dafür benötige Israel mindestens zwei weitere U-Boote.


Kosten von rund einer Milliarde Euro

Diese soll das Land nun bekommen. Die beiden Boote kosten rund eine Milliarde Euro. Bis zu 330 Millionen Euro davon trägt der deutsche Steuerzahler. Den Rest soll Israel aufbringen – zum Beispiel durch Lieferungen an die Bundeswehr. Doch der Preis muss stutzig machen. Mit 500 Millionen Euro ist jedes der neuen Dolphin-Boot mehr als doppelt so teuer wie die früheren Boote. Der neue Antrieb und die Inflation alleine können die Differenz nicht erklären. Denn auch die Bundeswehr bekommt ihre neuen aussenluftunabhängigen U-Boote deutlich billiger. Und mit 330 Millionen Euro zahlt der deutsche Steuerzahler diesmal zwar angeblich nur ein Drittel der Kosten. Doch real sind dies nur etwa 100 Millionen weniger als damals, als Deutschland Israel zwei solche U-Boote vollständig schenkte.

Trotz der besonderen Beziehungen Deutschlands zu Israel wird die neuerliche U-Boot-Lieferung an Israel Diskussionen hervorrufen: Sollte Deutschland mithelfen, wenn Israel sein umstrittenes Nuklearpotenzial ausbaut oder modernisiert? Der Glaubwürdigkeit der deutschen Vermittlerrolle im Streit um das Atomprogramm des Irans dürfte der neuerliche U-Boot-Deal mit Israel kaum dienlich sein.


Immer wieder Streit um Rüstungsexporte

Rüstungsexporte - gerade nach Israel - waren immer wieder umstritten: Wegen der Menschenrechtslage, der anhaltenden Besetzung palästinensischer Gebiete und der Auseinandersetzungen Israels mit den Palästinensern. Doch mit der Lieferung modernster U-Boote wird zugleich die Ausfuhr vieler einzelner, moderner Rüstungskomponenten und Technologien erstmals genehmigt. Präzedenzfälle entstehen, auf die sich Firmen, die später ähnliche Komponenten liefern wollen, jederzeit berufen können. Diese und andere Probleme dürften sowohl der alten als auch der Bundesregierung gegenwärtig gewesen sein, als sie beschlossen, den Vertrag still und leise zwischen ihren Amtsperioden durchzuwinken.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS