Ein Sachstandsbericht für Greenpeace Deutschland e.V.
22.April 2004


Der Atomwaffensperrvertrag - Oder: der nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV)

von Otfried Nassauer

Der nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV - englisch: Non-Proliferation Treaty, NPT) ist der bedeutendste Vertrag zur Verhinderung der Weiterverbreitung nuklearer Waffen. Ihm sind seit Beginn der Unterzeichnungsmöglichkeit am 1. Juli 1968 bzw. dem Inkrafttreten am 5.3.1970 fast alle Staaten der Erde beigetreten – 188 Länder. Nicht Mitglied sind Israel, Indien und Pakistan. Nordkorea trat dem Vertrag zunächst bei und dann 2003 wieder aus.

Die Bundesrepublik Deutschland stand dem NVV zunächst skeptisch gegenüber, weil man sich den Zugang zu Nuklearwaffen nicht auf alle Zeiten verbauen wollte. Daher rührt die volkstümliche Bezeichnung "Atomwaffensperrvertrag". 1974 ratifizierte der Bundestag den NVV.

 

1.Vertragsinhalte

In seinen ersten beiden Artikeln verpflichten sich die Mitgliedstaaten, die Atomwaffen besitzen, diese nicht weiterzugeben und anderen Staaten auch nicht dabei zu helfen, Nuklearwaffen zu entwickeln, zu erwerben oder ihnen Verfügung darüber zu geben. Die nicht-nuklearen Mitglieder verpflichten sich, keinen Versuch zu unternehmen, Atomwaffen zu entwickeln, zu erwerben oder die Verfügung darüber zu erlangen.

Artikel III verpflichtet die nicht-nuklearen Mitglieder des Vertrages, sich keine waffenfähigen Nuklearmaterialien für andere als friedliche Zwecke und keine Ausrüstungsgegenstände zu beschaffen, mit denen man solche herstellen könnte. Alle Vertragsstaaten verpflichten sich, solche Materialien und Ausrüstungen nicht an nicht-nukleare Staaten zu liefern, solange deren ausschließlich friedliche Nutzung nicht durch Inspektionen und Safeguards garantiert werden kann. Alle Nicht-Nuklearen sind verpflichtet, mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO ein bilaterales Abkommen über Inspektionsrechte und Safeguards abzuschließen, mit denen die ausschließlich friedliche Nutzung der nuklearen Materialien oder entsprechender Ausrüstungsgegenstände überprüft werden kann.

Artikel IV und V sehen vor, dass die Staaten, die über Nukleartechnik verfügen, diese zur zivilen Nutzung auch anderen Staaten "auf nicht diskriminierender Basis" zur Verfügung stellen. Die zivile Nutzung der Atomenergie soll durch den Vertrag nicht behindert, der Technologieaustausch für diese Zwecke befördert werden.

Artikel VI verpflichtet alle Vertragsstaaten zu "Verhandlungen in gutem Glauben" mit dem Ziel, "der frühzeitigen Beendigung des nuklearen Rüstungswettlaufs und der nuklearen Abrüstung, sowie über einen Vertrag über generelle und vollständige Abrüstung". Dieser Artikel wird von den Nicht-Nuklearen Vertragsmitgliedern oft als Verpflichtung der Nuklearen zur Abrüstung ihrer Atomwaffen interpretiert. Die Nuklearwaffenstaaten betonen, die Verpflichtung zu "genereller und vollständiger Abrüstung". Für beides ist kein Zeitrahmen vorgegeben.

Artikel VII ermutigt den Abschluss von Verträgen über regionale Atomwaffenfreie Zonen.

Artikel VIII regelt das Verfahren für Vertragszusätze und –änderungen sowie die Einberufung einer ersten Überprüfungskonferenz 5 Jahre nach Inkrafttreten des Vertrages, sowie weiterer Überprüfungskonferenzen in 5-Jahres-Intervallen, falls die Mehrheit der Mitglieder diese wünschen.

Artikel IX enthält die Beitrittsregeln für den NVV, die Depositarmächte und die Definition, dass als Nuklearwaffenstaat nur gilt, wer "vor dem 1.1.1967 eine Nuklearwaffe oder einen anderen Nuklearsprengsatz gebaut und gezündet hat". Nuklearwaffenstaat im Sinne des Vertrages können also nur Frankreich, Großbritannien, Russland, die USA und die Volksrepublik China sein. Israel, Indien und Pakistan besitzen heute nukleare Waffen, haben diese aber bis 1967 nicht getestet. Sie könnten dem Vertrag nur beitreten, wenn sie ihre Atomwaffen zuvor wieder abschaffen würden. Diesen Weg gingen Südafrika und – nach dem Zerfall der Sowjetunion – Weißrussland, die Ukraine und Kasachstan.

Artikel X regelt den potentiellen Austritt eines Staates aus dem NVV binnen drei Monaten im Falle vertragsrelevanter "außerordentlicher Ereignisse", die die "höchsten Interessen" des betreffenden Staates betreffen. Er muss begründet werden. Artikel X legt die Gültigkeit des NVV auf zunächst 25 Jahre fest. Nach 25 Jahren soll eine Konferenz der Mitgliedsstaaten mit Mehrheit entscheiden, ob der Vertrag unbegrenzt oder für eine oder mehrere 5-Jahres-Perioden begrenzt in Kraft bleiben soll. Die zeitliche Begrenzung der Gültigkeit ist eng verquickt mit der Tatsache, dass der Vertrag völkerrechtlich ein Unikum darstellt: Er teilt die gleich souveränen Nationalstaaten der Erde in zwei Gruppen – jene die Atomwaffen legalerweise besitzen dürfen und diejenigen, denen das nicht erlaubt ist.

Artikel XI enthält Abschlussbestimmungen.


2. NVV-relevante externe Gremien

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien überwacht die Einhaltung des Vertrages. Sie soll sowohl den zivilen Technologietransfer sicherstellen, als auch kontrollieren, dass es keine Weiterverbreitung nuklearer Waffen gibt. Zu diesem Zweck hat sie Kontroll- und Inspektionsrechte, die – insbesondere nach den Erfahrungen mit dem verdeckten irakischen Nuklearprogramm in den 90er Jahren - erweitert wurden (93+2 INFCIRC 540), aber wg. langsamer Ratifizierungsprozesse z.T. noch nicht ihre volle potentielle Wirkung erzielen. Um die Nichtverbreitung zu stärken, haben sich die Staaten, die über Nukleartechnik verfügen, im Zangger-Ausschuss und in der Gruppe nuklearer Lieferländer (Nuclear Suppliers Group) zusammengetan, um ihre Exportpolitik zu harmonisieren.

 

3. Die Vertragsverlängerung 1995

Während der regelmäßig alle fünf Jahre stattfindenden Überprüfungskonferenzen des Vertrages musste also 1995 entschieden werden, wie es mit dem NVV weitergehen solle. Unter Vorsitz von Jayantha Dhanapala (Sri Lanka) wurde der Vertrag bedingungslos auf unbegrenzte Zeit verlängert, so wie es Washington gewünscht hatte. Dies gelang mit einem diplomatischen Trick. Gefragt wurde, ob Mitgliedstaaten gegen eine solche Verlängerung ihr Veto einlegen würden. Als dies nicht der Fall war, wurde auf eine Abstimmung verzichtet. Die unbegrenzte Verlängerung galt quasi als per Akklamation beschlossen.

Zuvor hatten die Nuklearwaffenstaaten noch einmal das Ziel bekräftigt, nuklear abrüsten zu wollen und einem Dokument zugestimmt, in dem Prinzipien und Ziele der künftigen nuklearen Nichtverbreitungs- und Rüstungskontrollpolitik festgehalten wurden. Sie verpflichteten sich erneut politisch aber nicht rechtlich verbindlich, dass sie sich das Recht Nuklearwaffen einzusetzen nur gegen die nicht-nuklearen Staaten vorbehalten, die im Bündnis mit einer Atommacht einen Nuklearstaat, dessen Truppen oder Verbündete angreifen. Diese Garantie ist als "Negative Sicherheitsgarantie" bekannt.

 

4. Principles and Objektives und Aktionspläne

Sowohl bei der Überprüfungskonferenz 1995 als auch bei jener 2000 wurden Abschluss-Dokumente verabschiedet, die Aussagen über die Zukunft und die künftigen Absicht der Vertragsmitglieder enthielten. 1995 wurde eine Dokument mit der Überschrift "Principles and Objectives" beschlossen, in denen die Universalisierung des Vertrages (keine Nichtmitglieder), die Nichtverbreitung, die Nukleare Abrüstung ("to pursue in good faith negotiations on effective meassures relating to nuclear disarmament", beispielhaft namentlich Abschluss der CTBT-Verhandlungen bis 1996, frühzeitige Verhandlungen über Fissile Material Production Ban und "determined pursuit by the nuclear weapons states of systematic and progressive efforts to reduce nuclear weapons globally, with the ultimate goals of eliminating those weapons), weitere Nuklearwaffenfreie und Massenvernichtungswaffenfreie Zonen, aufbauend auf der UNSR-Resolution 984 (11.4.95) rechtlich bindende negative wie positive Sicherheitsgarantien, verbesserte Safeguards im Rahmen der IAEO sowie Maßnahmen zur Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Nuklearenergie zu Kernpunkten erklärt werden.

Aufbauend darauf wurde bei der NVV-Überprüfungskonferenz 2000 ein 13-Punkte-Aktionsplan beschlossen, in dem sich die Staaten

  • zur schnellen Zeichnung und Ratifizierung des inzwischen ausgehandelten CTBT,
  • einem Atomwaffentestmoratorium bis zum Inkrafttreten dieses Vertrages,
  • zu baldigen Verhandlungen über ein verifizierbares Verbot der Produktion von Spaltmaterial,
  • der Entwicklung eines Mandates für eine Untergruppe der Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen (CD) zum Thema nukleare Abrüstung,
  • zur Einhaltung des Prinzips der Irreversibilität bei nuklearer Abrüstung,
  • zu einem "unequivocal undertaking by the nuclear weapons states to accomplish the total elimination of their nuclear arsenals",
  • zur Implementierung bestehender Verträge wie START II und zum Abschluss eines START III Vertrages, zur Stärkung des ABM-Vertrages,
  • zu Irreversibilitätbemühungen hinsichtlich von Überschusswaffenmaterial im Rahmen der trilateralen Initiative (USA/RUS/IAEO),
  • zu einem Schritt für Schritt-Vorgehen nuklearer Abrüstung (einschließlich einseitiger Reduzierungen, größerer nuklearer Transparenz der Nuklearwaffenstaaten, Reduzierungen der taktisch atomaren Waffen auf unilateralem oder verhandeltem Wege, Vereinbarungen über Herabsetzung der Einsatzbereitschaft für Nuklearwaffen, einer Reduzierung der Rolle nuklearer Waffen in nationalen Strategien und Doktrinen, ein baldmöglichstes Engagement der Nuklearwaffenstaaten in einem Eliminierungsprozess für Atomwaffen),
  • zur Unterstellung überflüssigen Waffenplutioniums unter IAEO-Kontrolle,
  • zu genereller und vollständiger Abrüstung,
  • zu regelmäßigen Berichten über Fortschritte im Rahmen der Art VI-Verpflichtungen unter Berücksichtigung des Urteils des IGH und
  • zu verbesserten Verifikationsmechanismen

verpflichten.

Zusammengenommen ergeben die Abschlussdokumente der Überprüfungskonferenzen 1995 und 2000 so etwas wie eine Definition der im Rahmen des NVV zu verfolgenden Ziele und einen Arbeitsplan, den es für die Vertragsstaaten gilt, abzuarbeiten.

Seit 1995 werden NVV-Überprüfungskonferenzen durch Sitzungen eines Vorbereitenden Ausschusses geplant und vorbereitet. In der Regel finden diese im 2., 3. und 4.Jahr des 5-Jahreszyklus statt. Im zweiten und dritten Jahr entsteht jeweils fast automatisch ein Abschlussdokument, weil der Konferenzvorsitzende autorisiert ist, die Konferenzergebnisse persönlich zusammenzufassen. Im vierten Jahr ist dies anders, weil für ein Abschlussdokument der Konsens der Vertragsstaaten erforderlich ist, dieser aber gerade in Fragen von Substanz ein Jahr vor der Überprüfungskonferenz oft kaum zu erwarten ist, weil – noch – niemand bereit ist seine Position zu modifizieren. Diese Problematik gilt auch für das PrepCom 2004.

 

5. Wichtige NVV-Kontroversen

Auch seit der NVV zeitlich unbegrenzt gilt, sind die Kontroversen um den Vertrag, die Vertragskonformität nationaler Politiken etc. weiter an der Tagesordnung. Die kommende Sitzung des Vorbereitungsausschusses 2004, die voraussichtlich letzte vor der Überprüfungskonferenz 2005, dürfte deshalb vor allem von "Vorgeplänkeln" über die Gewichtigkeit oder Ungewichtigkeit der größeren, kontroversen Themen geprägt sein. Was bekommt auf der Tagesordnung welches Gewicht? Liegt der Schwerpunkt bei der Dramatisierung der vermuteten "Proliferationsvergehen" oder bei der Einhaltung der Verpflichtung zu nuklearer Abrüstung? Mithin: Was ist das "Setting" für die Frage: Wer wird 2005 auf der öffentlichen Anklagebank landen?

 

5.1. Die Abrüstungsverpflichtung

Die Abrüstungsverpflichtung der Nuklearmächte ist seit langem Grund für eine substantielle Kontroverse unter den NVV-Mitgliedern. Insbesondere seit mit dem Kalten Krieg der Hauptgrund für die Aufrechterhaltung globaler Overkill-Kapazitäten entfiel und seit mit der bedingungslosen unbegrenzten Verlängerung des NVV 1995 die Frage nach der Dauer der Zulässigkeit des rechtlichen Have- Have-Not-Widerspruchs im Kontext des NVV nur noch an die Frage der Erfüllung der Abrüstungsverpflichtung gekoppelt ist, gewinnt diese logischerweise an Bedeutung. Sie ist das Wunsch-Thema vieler nicht-nuklearer Staaten, vor allem aus dem Bereich der (Neutralen und) Nichtalliierten (NAN), die den Nuklearwaffenstaaten mangelnde Abrüstungsfortschritte vorwerfen.

Das Grundproblem besteht aber darin, dass der Vertrag unterschiedlich interpretiert wird: Während Artikel VI von den nicht-nuklearen Staaten als Verpflichtung zu vollständiger nuklearer Abrüstung in überschaubaren Zeiträumen, zumindest aber zu sichtbaren schnellen Abrüstungsfortschritten gelesen wird, signalisieren die Nuklearmächte immer wieder einmal, dass sie solche Fortschritte an ebensolche Fortschritte bei der konventionellen Totalabrüstung binden könnten – also auf den Sankt Nimmerleinstag vertagen könnten. Auch das stehe ja in Artikel VI. So zuletzt die neue Botschafterin der USA bei CD und NVV, Jackie Sanders, anlässlich ihrer ersten Rede vor der CD am 25.3.04.

Seit der Überprüfungskonferenz 2000 können sich die nicht-nuklearen Staaten in ihrer Lesart durch den sog. 13-Punkteplan in Teilen bestätigt sehen, da die Nuklearmächte in diesem auch dem "uneingeschränkten Bemühen (....) die völlige Eliminierung ihrer nuklearen Arsenale, die zur nuklearen Abrüstung führen soll", zugestimmt haben.

Ein zusätzliches Problem stellt jedoch inzwischen die Nuklearpolitik der Regierung Bush – und mit Zeitverzögerung zunehmend auch die Reaktion anderer Nuklearwaffenstaaten darauf – dar. Sie signalisiert, dass die Eliminierung der Atomwaffen in diesem Jahrhundert für die USA keine Option darstellt. Wer aber heute – wie die Bush-Administration im Nuclear Posture Review 2001 - Atomwaffen in die Planung einführt, die erst um 2050 in Dienst gestellt werden würden, gibt das falsche Signal für Abrüstung im Rahmen des NVV ebenso ab, wie derjenige, der in die Erforschung neuer, besser einsetzbarer Nuklearwaffentypen einsteigt (Mini-Nukes, Bunkerbuster) oder die Notwendigkeit der Wiederaufnahme von Nuklearwaffentests für möglich hält. Auch die skeptisch bis gänzlich ablehnende Haltung der Regierung Bush zur vertraglichen Rüstungskontrolle trägt zu dieser Problematik bei, ebenso, wie nicht zuletzt deren Änderungen an der Einsatzdoktrin für Nuklearwaffen, die auf die Möglichkeit präemptiver oder präventiver Nuklearwaffeneinsätze zur Bekämpfung auch biologischer oder chemischer Potentiale hinausläuft.

Problematisch ist schließlich auch ein weiterer Punkt bei der nuklearen Abrüstung: Diese soll irreversibel sein. Der NAM-Gipfel in Kuala Lumpur 2003 kritisierte zurecht, dass der Moskauer SORT-Vertrag diesem Kriterium nicht gerecht wird.

Die meisten der 13 Punkte des Aktionsplans aus dem Jahre 2000 können – hinsichtlich unzureichender Umsetzung oder gar direkt entgegengesetztem Handeln hier zum Gegenstand der Diskussion werden.

 

5.2. Die Proliferation

Das Thema "Proliferation", steht natürlich ganz oben auf der Wunsch-Tagesordnung der USA (und in deutlich geringerem Umfang auch der anderen Nuklearstaaten). Offizielles Ziel ist es, Staaten mit Nuklearprogrammen, die militärische im Anfangsstadium oder in fortgeschrittenem Zustand sein könnten, dazu zu bewegen, diese Programme nachweislich und überprüfbar aufzugeben. Dazu wird erheblicher politischer und nicht zuletzt auch militärischer Druck generiert, eine Möglichkeit, die nicht zuletzt auch politisch intendiert besonders intensiv gegenüber unliebsamen Regimen zur Anwendung kommt. Die Regierung Bush möchte die kommende NVV-Überprüfungskonferenz nutzen, um den Druck z.B. auf den Iran oder Nordkorea deutlich zu erhöhen.

Offen ist derzeit noch, in welchem Umfang und Kontext der "Nukleare Supermarkt" von A.Q. Khan diesen Debattenpunkt beeinflussen wird; er hat einerseits erschreckende Ausmaße, andererseits scheinen gerade die USA – aus nicht veröffentlichten (aber möglicherweise in den Kronzeugenrolle gegenüber Nord-Korea liegenden) Gründen – daran mitgewirkt zu haben, dass das Problem "Khan" kleingehalten und auch ohne pakistanisches Gerichtsverfahren vom Tisch genommen wurde.

Als logischer Ausfluss dieser Debatte wird die Stärkung der Verifikations- und Inspektionsregime auf der Tagesordnung der USA und vieler anderer Staaten weit oben stehen, ohne dass dieser wichtige Aufgabe zwangsnotwendig Erfolg versprochen sein muss.

 

5.3. Nukleare Teilhabe

Ein selten offensichtlich werdender, aber trotzdem virulenter Streitpunkt beim NVV ist die Nukleare Teilhabe, die seitens der NATO praktiziert wird. Diese besteht aus zwei Teilen, die man die technische Teilhabe und die politische Teilhabe nennen kann. Mit der politischen nuklearen Teilhabe sind die NATO-Konsultationen und -Gremien zur Festlegung der Nuklearpolitik der Allianz gemeint. Mit der technischen nuklearen Teilhabe jene Ausbildungsmaßnahmen, Vereinbarungen, technischen Vorrichtungen usw., die einige der nicht-nuklearen Mitgliedstaaten der NATO (BE, GE, IT, NL, TR und bis 2001 GR) dazu befähigen, mit nationalen nuklearfähigen Flugzeugen US-Nuklearwaffen im Kriegsfall einzusetzen, nachdem der US-Präsident sie freigegeben hat und der Freigabe-Code für das PAL-Sicherheitssystem nach Europa übermittelt wurde. M.a.W.: Im Krieg (damals gemeint: genereller Atomkrieg) – so die legitimierende Annahme - gilt der NVV aus Sicht dieser Staaten nicht mehr und nicht-nukleare Staaten dürfen US-Atomwaffen einsetzen. Dem steht jedoch eine während der Überprüfungskonferenz 1985 durch den schwedischen Diplomaten Jan Prawitz eingebrachte und verabschiedete NVV-Sprachregelung entgegen, die festhält, dass der NVV unter allen Umständen gelte, also auch zu Kriegszeiten.

Umstritten ist die Vereinbarkeit der technischen nuklearen Teilhabe mit dem NVV und seinen Vorschriften aus Artikel I und II. Seit dem NAN-Gipfel in Durban haben die NAN-Staaten die Auffassung vertreten, die Teilhabe sei nicht vertragskonform. Sie schlugen vor, die Vertragsparteien sollten "ihre Verpflichtung erneut bestätigen", Artikel I und II des Vertrages "vollstmöglich zu implementieren", indem sie

"die nukleare Teilhabe für militärische Zwecke unter jeder Art von Sicherheitsarrangement untereinander, mit nicht-nuklearen Staaten und mit Staaten, die nicht Vertragsparteien sind, unterlassen."

Die NATO-Staaten äußern sich dazu selten öffentlich, gehen aber wie selbstverständlich davon aus, dass die Teilhabe zulässig sei. Hier lautet das Argument: Ein Brief des damaligen US-Außenministers Dean Rusk, der dem US-Senat 1968 zusammen mit den Unterlagen zur Ratifizierung des NVV zugeleitet worden aber, von Washington bei Ratifizierung des NVV aber nicht als formelle Reservation hinterlegt wurde, komme einer solchen gleich. Der Brief erläutere, dass und warum die Teilhabe zulässig sei; seine Einführung in den öffentlichen Ratifizierungsprozess der USA komme einer Bekanntgabe an alle Vertragsstaaten gleich und stelle zugleich öffentlich dar, dass die USA den NVV in einer Weise interpretiere, die die Teilhabe für rechtens erkläre. Etliche nicht-nukleare NATO-Staaten haben sich bei der Hinterlegung ihrer Ratifikationsinstrumente für den NVV auf den Brief bzw. Inhalte des Briefes in allgemeinen Formeln bezogen.

Wenn die westliche Interpretation begründet sein sollte, müsste argumentiert werden, dass alle Vertragsstaaten bei der Unterzeichnung den NVV vom Inhalt des Briefes Kenntnis hatten und wussten, was er implizierte bzw. was damit gerechtfertigt werden würde – die nukleare Teilhabe. Dies war allerdings nicht der Fall, denn der Inhalt und Wortlaut des Briefes wurde nur mit einigen wichtigen Staaten vor Beginn der NVV-Unterzeichnung konsultiert. Öffentlich im Sinne einer begrenzten Öffentlichkeit – die Teilnehmer der Senatsanhörung – wahrnehmbar wurde er erst mehr als eine Woche später, als bereits mehr als 50 Staaten den NVV unterzeichnet hatten.

Das von der damaligen US-Administration gewählte Vorgehen hielt selbst der damalige Völkerrechtsberater des US-Außenministeriums, Meeker, für so heikel, dass er vor ihm warnte und es als "negotiating under false pretenses" kennzeichnete.

Mithin: Obwohl die technische nukleare Teilhabe mittlerweile seit Jahren umstritten ist, wird sie weiterhin praktiziert. Militärisch hat sie ihren Wert weitgehend verloren. Ihr politisch-psychologischer Wert dauert anscheinend fort. Trotzdem scheint nunmehr Bewegung in diese Angelegenheit zu kommen: NATO-Oberbefehlshaber James Jones hat Anfang März eine signifikante Reduzierung der in Europa stationierten US-Nuklearwaffen angekündigt und eines der wichtigsten Beratungsgremien des Pentagons hat gar einen gänzlichen Verzicht auf die Dual Capable Aircraft, also nuklearfähige Trägerflugzeuge, und damit auf die Teilhabe empfohlen. Militärisch sei diese Fähigkeit Ressourcen-Verschwendung – so das Argument.

Eng mit der Teilhabefrage verbunden ist die Frage der Abrüstung taktisch-nuklearer Waffen. Für diesen Bereich gibt es bislang keine Rüstungskontrollverträge und – neben einem zaghaften deutschen Versuch 2002 zum Thema Transparenz – auch keine im NVV-Kontext relevante Initiative, diese Waffen auf den Tisch von Verhandlungen zu bringen. Initiativen und Gespräche, die die im Rahmen der Teilhabe in Europa stationierten Waffen einbeziehen, könnten auch für Russland, das über ein intransparentes großes Potential solcher Waffen verfügt, einen Anreiz darstellen.

 

5.4. Die Negativen Sicherheitsgarantien und Nuklearwaffenfreie Zonen

Artikel VII des NVV ermutigt zur Einrichtung atomwaffenfreier Zonen. Für diverse Erdregionen sind Verträge über solche Zonen inzwischen abgeschlossen worden, für andere sind sie in der Diskussion.

Ein wichtiges Element im Kontext dieser Zonen – und des gesamten NVV - sind die sogenannten Negativen Sicherheitsgarantien, mit denen sich auch die Nuklearmächte – politisch, aber nicht rechtlich bindend - verpflichten, im geographischen Geltungsbereich der Zonen bzw. gegen deren Mitglieder keine Nuklearwaffen einzusetzen. Die Negative Sicherheitsgarantie der USA aus dem Jahre 1995 hat beispielsweise folgenden Wortlaut:

"Die Vereinigten Staaten bekräftigen, dass sie Nuklearwaffen nicht gegen Vertragsparteien des NVV einsetzen werden, die nicht über Kernwaffen verfügen, es sei denn, ein solcher Staat verwirklicht oder unterstützt gemeinsam mit einem Kernwaffenstaat oder als dessen Verbündeter eine Invasion oder einen beliebigen anderen Überfall gegen die Vereinigten Staaten, ihr Territorium, ihre Streitkräfte oder anderen Truppen, ihre Verbündeten oder gegen einen Staat dem gegenüber sie Sicherheitsverpflichtungen hat."

Der Text dieser Garantie macht keine Ausnahme für nicht-nuklear, aber chemisch oder biologisch bewaffnete Staaten. Auch kennt er den Begriff Massenvernichtungswaffen nicht. Deshalb kommt es einer Aufkündigung der Garantie für etliche Staaten gleich, wenn unter Präsident Bush in dem geheimen Dokument NSDD 17 die Möglichkeit der nuklearen Vergeltung gegen den Einsatz biologischer und chemischer Waffen offen erwähnt wird und wenn Politiker dieser Administration auch ein präemptives und präventives nukleares Vorgehen gegen staatliche oder nicht-staatliche Akteure die sich im Besitz von nichtnuklearen Massenvernichtungswaffen befinden oder sich in diesen bringen wollen, erwägen.

 

5.5. Der Nahe und Mittlere Osten

Die Massenvernichtungswaffenproblematik in der Nahost-Region und insbesondere das Nuklearprogramm Israels sind seit vielen Jahren auch Thema im NVV-Prozess. Schon 1974 hatte der damalige Schah Reza Pahlevi von Persien die Idee der Schaffung einer nuklearwaffenfreien Zone aufgebracht. 1990 schlug der ägyptische Präsident Mubarak ein Verbot aller nuklearen, chemischen und biologischen Waffen für die Nahost-Region vor, also eine massenvernichtungswaffenfreie Zone. Intensive Diskussionen über regionale Abrüstungsschritte und die Schaffung eines regionalen Sicherheitssystem fanden nach dem Golfkrieg 1991 im Rahmen der Arbeitsgruppe "Rüstungskontrolle und regionale Sicherheit" statt, die aber seit 1995 unterbrochen sind.

Ebenfalls seit 1974 wird die Idee zur Schaffung einer nuklearwaffenfreien Zone in der Nahost-Region (MENWFZ) offiziell im Rahmen der Vereinten Nationen erörtert. Von Anbeginn an war sie überlagert von den Konflikten. Israel lehnt die Idee zwar nicht ab, betrachtet aber die MENWFZ "als letzten Schritt" im Friedensprozess. Eine analoge Position vertreten die USA, die die Idee "im Kontext einer umfassenden Friedensregelung" unterstützen, aber z.B. bei der Diskussion um Nah-Ost-Resolutionen im NVV-Kontext immer wieder versuchen, eine namentliche Nennung Israels zu verhindern.

Von der Vollversammlung der Vereinten Nationen wurde die Idee der Schaffung einer kernwaffenfreien Zone erstmals in der Resolution 3263 (XXIX) vom 9.12. 1974 offiziell begrüßt und festgestellt, dass die Errichtung einer Kernwaffen freien Zone

a) den Frieden in der Region und in der ganzen Welt fördern,

b) die Spannungen in der Region vermindern,

c) die Gefahr eines ruinösen nuklearen Rüstungswettlaufes beseitigen würde.

Gleichlautende Resolutionen wurden seither in jedem Jahr von der Vollversammlung beschlossen. Analoge Aussagen sind auch in den Dokumenten der Sondertagung der Vollversammlung zur Abrüstung (1976), der Konferenzen zur Überprüfung des NVV (1995 und 2000) sowie anderer VN-Gremien enthalten.

Sogar die Resolution 687 (1991) des VN-Sicherheitsrates zur Durchsetzung der Abrüstung des Irak nach dem Golfkrieg 1991 enthält einen Hinweis auf den Zusammenhang der Abrüstung des Irak mit den Überlegungen zur Errichtung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone. Punkt 14 betont, "dass die den Irak betreffenden Maßnahmen ... zugleich auf das Ziel gerichtet sind, in der Nahost-Region eine Zone zu errichten, die frei von Massenvernichtungswaffen und aller entsprechenden Trägerraketen sowie frei von Waffen ist, die dem globalen C-Waffenverbot unterliegen." Darauf wiederum bezog sich auch die Nah-Ost-Resolution, die die Ständigen Mitglieder des VN-Sicherheitsrates, die P-5, gemeinsam während der NVV-Überprüfungskonferenz 1995 einbrachten. Alle Staaten der Region außer Israel gehören dem NVV als nicht-nukleare Mitglieder an.

Wie 1995 und 2000 darf für 2005 mit einer intensiven Diskussion über Inhalte und Nichtinhalte einer künftigen Nah- und Mittelost-Resolution gerechnet werden.

 

5.6. Die "D-3"-Problematik

Ein gesondertes Problem stellen die De-facto-Nuklearmächte Indien, Israel und Pakistan dar. Sie alle haben vor dem 1.1.1967 keine Nuklearwaffe getestet, besitzen aber heute solche Waffen (Israel erklärt dies nicht öffentlich). Sie können dem NVV nicht als Nuklearmächte beitreten, müssen also außerhalb des Vertragsrahmens bleiben, solange sie ihre Atomwaffen nicht wieder abrüsten. Als nicht-nukleare Mitglieder könnten sie dem NVV beitreten, so wie das die ehemaligen Nuklearwaffenstaaten Kasachstan, Südafrika, Ukraine und Weißrussland vorexerziert haben.

Indien und Pakistan rufen für die NVV-Mitglieder Sorgen vor allem wegen ihrer Regionalkonkurrenz, wegen eines drohenden nuklearen Rüstungswettlaufs und wegen der immer wieder bis an die Schwelle der Drohung mit nuklearen Waffen eskalierenden bilateralen Konfliktes hervor. Zudem ist vielen NVV-Mitgliedern die latente chinesisch-indische Regionalkonkurrenz bewusst. Bei Pakistan kommt seit einigen Monaten das Wissen um die bedeutende Rolle des Landes als Proliferateur hinzu. (Pakistan selbst erhielt zu Zeiten als China noch nicht NVV-Mitglied war, höchstwahrscheinlich Hilfe von China.)

Die de-facto Atommacht Israel – in ihrem spezifischen regionalen Umfeld – erweist sich seit vielen Jahren als immer wieder besonders virulentes Problem im NVV-Kontext.

 

5.7. Die Janusköpfigkeiten des Vertrages

Ein weiteres kontroverses Thema, das in begrenztem Umfang bei NVV-Konferenzen immer wieder eine Rolle spielt, ist die Janusköpfigkeit des Vertrages. Als der Vertrag ausgehandelt wurde, galt die Atomenergie als fortschrittlich und zukunftsweisend. Deshalb wurde den nicht-nuklearen Mitgliedern der Beitritt mit dem Versprechen eines umfassenden Technologietransfers zur Entwicklung der zivilen Nutzung der Atomenergie versüßt. Auch die Verifikations- und Implementierungsbehörde für den NVV, die IAEO, weißt diese Janusköpfigkeit auf. Sie soll zugleich nukleare Nichtverbreitung garantieren und für die zivile Nutzung der Atomenergie werben bzw. Fachkräfte ausbilden. Je deutlicher seit dem Ende des Kalten Krieges an Beispielen wie Irak, Nordkorea, Iran, Libyen u.a. wird, dass angeblich zivile Programme auch der Einstieg in oder die Tarnung für militärische sein können, dass zivile und militärische Programme in der Anfangsphase teilweise nur sehr schwer zu unterscheiden sind, dass es zu spät für ein "Stop!" sein könnte, wenn die wahre Intention erkannt wird, desto deutlicher wurde der Nachteil dieser Janusköpfigkeit. Auch "Ausbildung für die zivile Nutzung" kann Kenntnisse generieren, die im militärischen Bereich von Nutzen sind. Die Versuche, die Effizienz der Verifikationen der IAEO durch erweiterte Inspektionsbefugnisse, z.B. unangekündigte Verdachtsinspektionen zu verbessern, zeigten nur eine begrenzte Wirkung, da die internationale Organisation mit den betreffenden Staaten ja zunächst bilaterale Abkommen über die Zulässigkeit der zusätzlichen Maßnahmen abschließen muss und diese Staaten somit "auf Zeit spielen" können.

 

6. Wichtige Akteure

6.1. Die P-5

Die P-5, also die Nuklearmächte die zugleich im Sicherheitsrat über ein Veto verfügen, sind bei NVV-Konferenzen wie bei Sitzungen der Vorbereitungsausschüsse dafür "automatisch" wichtige Akteure. Genauer ein wichtiger Akteur, denn worauf sie sich jenseits ihrer nationalen Positionen in einem gemeinsamen Statement oder in gemeinsamen Vorschlagspapieren als Minimalkonsens einigen können, das bestimmt relativ weitgehend den Verhandlungsspielraum und oft auch den Ausgang der entsprechenden Sitzung.

 

6.2. Die New Agenda Coalition (NAC)

Die New Agenda Coalition trat erstmals bei der Überprüfungskonferenz 1995 in Erscheinung. Es handelt sich um den freiwilligen Zusammenschluß von Ägypten, Brasilien, Irland, Mexiko, Schweden und Südafrika. Diese Koalition bereitet sich gemeinsam auf die NVV-Sitzungen vor und legt seit einigen Jahren auch immer wieder einen gemeinsamen Resolutionsentwurf für die Generalversammlung der VN vor, mit dem die nukleare Abrüstungsagenda vorangetrieben werden soll.

Eng mit der NAC verbandelt arbeitet als Nichtregierungsorganisation die Middle Powers Initiative unter inoffizieller Leitung des kanadischen Senators Douglas Roche, die versucht, weitere Regierungen für die Vorschläge der NAC zu gewinnen, darunter die NATO-Non-Nuclear 5.

 

6.3. Die NATO-Non-Nuclear 5

Die NATO-Non-Nuclear 5 sind eine inoffizielle Gruppe, die aber nur selten in Erscheinung getreten ist. Zu ihr gehört auch Deutschland. Ihre produktive Funktion könnte in einer Vermittlung zwischen den Positionen der Nuklearwaffenstaaten und der NAC liegen. De facto haben sie in dieser Funktion aber bislang kaum gewirkt und auch bei diesem PrepCom ist damit kaum zu rechnen. Die Debatte über die Haltung dieser Länder zu der von der NAC vorgelegten jährlichen Resolution für die Generalversammlung reduziert sich zumeist auf die Frage, ob sie von einer Stimmenthaltung zur Zustimmung übergehen könnten.

 

6.4. Die EU

Die EU-Staaten bemühen sich im Blick auf ihre Nichtverbreitungspolitik um ein abgestimmtes Vorgehen und entwerfen im Rahmen der GASP gemeinsame Stellungnahmen, die die jeweilige EU-Präsidentschaft vertritt. Wenn einzelne Staaten über diese gemeinsamen Positionen hinausgehen wollen, so ist ihnen dies unbenommen. Irland und Schweden arbeiten z.B. zugleich in der NAC mit.

In diesem Jahr darf man die Stellungnahme der EU mit besonderer Spannung erwarten, weil die EU im Juni und Dezember 2003 erstmals eine Gemeinsame Strategie zum Thema Bekämpfung der Proliferation von Massenvernichtungswaffen im Rahmen der weitergehenden Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-Politik aufgelegt hat. Dieses oft als im Blick auf seine Nähe/Ferne zu den Positionen der Bush-Administration als "interpretierbar" bezeichnete Paper müsste Auswirkungen auf die EU-Positionen haben und diese könnten damit u.a. zu einer Interpretations"hilfe" für die EU-Positionen werden.

Für die EU wird sich in Zukunft im Rahmen des NVV ein Spezialproblem stellen: Sie besteht aus nuklearen und nicht-nuklearen Mitgliedern. Die zunehmende Integration auch der Außen- und Sicherheitspolitik der EU-Staaten wirft also irgendwann zwangsweise die Frage auf, ob – wenn die EU ein einheitlicher außen- und sicherheitspolitischer Akteur oder gar ein eigener Staat wird, dieser dann nukleares oder nicht-nukleares NVV-Mitglied sein wird. Diese Frage scheint schon zu Zeiten der Vertragsverhandlungen bei einigen Politikern im Hinterkopf vorhanden gewesen zu sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass im sogenannten Rusk-Letter (s.o. bei Teilhabe) die Lesart vertreten wird, eine Nuklearmacht EU stehe nicht im Widerspruch zum NVV. Bedeutsam ist auch hier, dass etliche Staaten der EU bei der Hinterlegung ihrer Ratifikationsinstrumente für den NVV nationale Reservationen hinterlegt haben, die auf diesem Brief und/oder seine Inhalte rekurrieren. In dieser Sichtweise lautet die Interpretation: Aus fünf werden vier Atommächte – das ist im Sinne des NVV.

Teilt man dagegen die Auffassung, dass der Rusk-Letter ein unzulässiger Verhandlungstrick oder gar ein "negotiating under false pretenses" darstellt, so sind dessen Aussagen entweder irrelevant oder das mit ihm verbundene verhandlerische Vorgehen stellt sogar die Gültigkeit des ganzen NVV infrage.

 

6.5. Die NAN

Die "Neutralen und Nichtpaktgebundenen" stellen die größte Gruppe der NVV-Mitglieder und haben in der Vergangenheit schon häufiger auch gemeinsam Positionspapiere u.ä. vorgelegt. Diese Gruppe kritisiert seit dem Gipfel der NAN in Durban die nukleare Teilhabe der NATO und fordert, dass die NATO darauf verzichtet. Einzelne Mitglieder dieser Gruppe, so Südafrika, betreiben mit Unterstützung der meisten anderen eine sehr aktive NVV-Politik. Das Hauptproblem der NAN besteht darin, dass zu dieser Struktur mit Libyen oder dem Iran auch Staaten gehören, die von anderen als Proliferationsrisiko betrachtet werden und bei denen unterstellt wird, dass sie versuchen die NAN gelegentlich für ihre Ziele in Stellung zu bringen. Unabhängig davon, ob dies real der Fall ist, impliziert es ein Glaubwürdigkeitsproblem für die NAN.

 


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS