Neues Deutschland
16. Februar 2004


Grüne Barette und Nachtjäger
Stuttgart mausert sich zum europäischen Zentrum der US-Sonderkommandos

von Gerhard Piper

Die baden-württembergische Landeshauptstadt wird immer mehr zu einem Zentrum für Spezialeinheiten für den "Antiterror-Krieg" und die Guerillabekämpfung. Außer den Nachtjägern "Night Stalkers" kommt auch eine "Antiterror-Schule".

Mit fünf Kasernen zählt Stuttgart heute zu den großen Militärstandorten der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland. In den Patch-Barracks ist sogar EUCOM untergebracht, das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa. Zum dessen Generalstabsabteilungen gehört auch das Special Operations Command Europe (SOCEUR), das alle amerikanischen Sondereinheiten in Europa führt. Es handelt sich um vier Spezialkommandos, von denen die Hälfte in Stuttgart selbst stationiert sind, denn die "Green Berets" und "Seals" haben ihren Standort in der Panzer-Kaserne in Böblingen. (1) Für ihren Anti-Terror-Krieg könnte im kommenden Jahr eine weitere Spezialeinheit nach Stuttgart verlegt werden, nämlich eine Kompanie des Hubschrauberregimentes "Night Stalkers". Dieses wird demnächst mit einem Helikopter ausgerüstet, der im Februar zu seinem Erstflug starten soll.

Bei der neuen Spezialeinheit handelt es sich um die Foxtrott-Kompanie des "160th Special Operations Aviation Regiments" der US-Heeresflieger. Das Hubschrauberregiment wurde am 16. Oktober 1981 gegründet, nachdem eine US-Kommandoaktion zur Befreiung der Geiseln in der US-Botschaft in Teheran durch den Ausfall mehrerer Helikopter kläglich gescheitert war. Kommandiert wird der Verband seit dem 1. Juli 2003 von Oberst Andrew N. Milani. Dessen Stab und zwei Bataillone sind im amerikanischen Fort Campbell (Kentucky) stationiert, ein drittes Battalion befindet sich auf dem Hunter Airfield in Georgia. Außerdem ist eine kleinere Einheit im südkoreanischen Osan untergebracht. Das Regiment verfügt über hundert Spezialhubschraubern verschiedener Typen. Mit ihren Infrarot- und Nachtsichtgeräten gelten diese so genannten "Night Stalkers" weltweit als die einzigen Piloten, die den Blindflug in Baumwipfelhöhe sicher beherrschen. Auf diese Weise können sie bei Kommandoaktionen Soldaten der Elitetruppen unerkannt hinter den feindlichen Linien absetzen. "Der Tod wartet im Dunkeln," lautet ihr Kampfmotto. Eingesetzt wurde der Verband u.a. in Panama, Somalia und dem Irak.

Die Truppe verfügt bisher über Kampfhubschrauber des älteren Typs "MH-47E Chinook SOA". Durch die vielen Kampfeinsätze der letzten Jahre war zeitweise nicht einmal die Hälfte der vorhandenen Maschinen flugfähig, mindestens zwei Maschinen wurden abgeschossen. Der Chinook war ursprünglich ein schwerer Transporthubschrauber, der zumindest früher in Mainz und Schwäbisch Hall disloziert war. Schon äußerlich unterscheidet er sich von den anderen US-Hubschraubertypen dadurch, daß er zwei statt nur einen Rotor hat, um in die Luft aufzusteigen. (3) Der Chinook ist ein richtiges Ungetüm: Allein die Rumpflänge beträgt über 15 Metern, rechnet man die Rotorblätter hinzu kommt man sogar auf eine Gesamtlänge von 30 Metern. Außerdem ist die Maschine mit 5,6 Metern so hoch wie ein Haus.

Die vorhandenen Chinooks werden gegenwärtig durch den Einbau verbesserter Elektronik, stärkerer Triebwerke und größerer Tanks usw. auf den "G"-Standard umgebaut. (2) Die ersten sechs wurden im Jahr 2002 bestellt, langfristig wollen die US-Streitkräfte 36 Exemplare zum Stückpreis von 66,8 Millionen Dollar beschaffen. Der Erstflug des Prototypen ist für Mitte Februar 2004 geplant und ab Oktober sollen die ersten Maschinen vom Hersteller Boeing in Philadelphia an die Truppe ausgeliefert werden. Eine Kompanie mit 140 Soldaten und fünf Helikoptern ist für Stuttgart vorgesehen. Noch sind nicht alle Hubschrauber bestellt, aber bei einem US-Militärhaushalt von über 400 Milliarden US-Dollar im kommenden Jahr dürfte es bei der Finanzierung keine Probleme geben.

Schon heute wird der Südteil des Verkehrsflughafens bei Leinfelden-Echterdingen von den US-Streitkräften als "Stuttgart Army Air Field" (SAAF) genutzt. Auf dem Fliegerhorst ist eine Luftwaffenstaffel mit vier kleinen VIP-Passagierflugzeugen vom Typ Learjet und eine "normale" Hubschraubereinheit stationiert. EUCOM-Befehlshaber General James L. Jones hatte bereits am 29. April 2003 11,4 Millionen Dollar für den Ausbau der Basis vom US-Parlament in Washington gefordert, die aber noch nicht bewilligt wurden. Eine endgültige Entscheidung über eine Stationierung in der schwäbischen Landeshauptstadt wird so frühestens im September 2004 fallen. Sollte dem zugestimmt werden, könnte es noch mindestens ein, zwei Jahre dauern, bis die neuen US-Soldaten tatsächlich eintreffen. Schon jetzt regt sich in den Umlandgemeinden der Widerstand der Bevölkerung gegen die drohende Zunahme des Fluglärms.

Stuttgart wurde als Stützpunkt ausgesucht, weil im benachbarten Böblingen zwei Sondereinheiten stationiert sind, mit denen die Hubschraubereinheit zukünftig "zusammenarbeiten" kann. Es handelt sich um das erste Bataillon der "10th Special Forces Group (Airborne)", das gegenwärtig von Oberstleutnant Robert Warburg kommandiert wird. Die Truppe war im Juli 1991 vom bayerischen Bad Tölz nach Stuttgart verlegt worden und hat seitdem an Operationen in Jugoslawien und im Irak teilgenommen. Zu den Aufgaben der so genannten "Green Berets" gehört insbesondere die Guerillabekämpfung.

Die zweite Einheit ist die "Naval Special Warfare Unit Two". Wie der Name schon sagt, handelt es sich hierbei um eine Truppe der US-Marine, die es in die schwäbische Alp verschlagen hat. Die Einheit wurde Anfang der neunziger Jahre vom schottischen Machrihanish nach Stuttgart verlegt. Ihr Befehlshaber ist z. Zt. Commander Gerald Weers. Bei der Einheit handelt es sich um eine Führungsstelle, die sämtliche Einsätze und Übungen der amerikanischen Marinesondereinheiten im europäischen Raum unterstützt. Das Kommando selbst besitzt keine eigene Kampftruppe, vielmehr werden ihr andere Kampfschwimmereinheiten aus den USA rotationsweise für jeweils mehrere Monate zugeordnet. Zum Einsatz, z. B. in ex-Jugoslawien, kommt insbesondere das "Seal Team Two" aus Little Creek in Virginia.

Für den zukünftigen Ausbau Stuttgarts zum europäischen Zentrum der US-Spezialeinheiten spricht nicht zuletzt, daß mit der geplanten Verlegung der Hubschraubereinheit auf dem Stuttgarter Heeresfliegerhorst eine Anti-Terror-Schule errichtet werden soll. Ob hier nur amerikanische GIs oder auch die Soldaten anderer Nationen ausgebildet werden sollen, bleibt abzuwarten. Bereits im März letzten Jahr war in der Böblinger Panzer-Kaserne eine neue Übungskampfbahn für den Häuserkampf eröffnet worden. Der Bau der Anlage kostete 750.000 Dollar.

Schon einmal war der Stuttgarter Flugplatz Schauplatz einer Sonderoperation: Am 9. Juni 1997 legte ein Kommando mit zwei Flugzeugen vom Typ "MC-130H Combat Talon II" der 7. Sondereinsatzstaffel vom US-Luftstützpunkt im britischen Mildenhall in Stuttgart einen Zwischenstop ein. Ziel des Fluges war die kongolesische Hauptstadt Brazzaville, wo angesichts der Bürgerkriegsunruhen 56 Ausländer evakuiert werden mußten.

 

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).

 

(1) Die beiden anderen Spezialeinheiten sind die Naval Special Warfare Group Ten (NSWU 10) im südspanischen Rota und die 352nd Special Operations Group (SOG) der US-Luftwaffe auf dem britischen Luftstützpunkt RAF Mildenhall mit zwei Flugzeugstaffeln (MC-130) und einer Hubschrauberstaffel (MH-53).
(2) Genau genommen finden z. Zt. zwei Kampfwertsteigerungsprogramme statt: Rund 300 Transporthubschrauber CH-47D werden auf den Standard CH-47F hochgerüstet. Parallel dazu werden 36 CH-47D in Spezialhubschrauber MH-47G umgewandelt. So können die vorhandenen MH-47E weiterhin bei der Truppe eingesetzt werden, bis die neuen Hubschrauber verfügbar sind.
(3) Neben dem CH-47 Chinook besitzt nur noch der CH-46 Sea Knight an Bord der amphibischen Landungsschiffe der US-Marineinfanterie zwei Rotorblöcke.