illoyal
Nr. 20/21, Oktober 2002


Söldner sind immer die anderen

Christopher Steinmetz


Anders als Guerilla- und Partisanengruppen, die als staatliche Gewaltakteure in spe betrachtet werden, galten Söldner bislang als Verkörperung der Antithese des staatlichen Gewaltmonopols. Dieses Bild ist in den 90er Jahren ins Wanken geraten. Söldner werden differenzierter betrachtet, ihr konkretes Handeln und ihre Motivation treten hinter der Analyse ihres Funktionierens in begrenzten Konflikten und ihrer Steuerungsmöglichkeiten zurück.

Im Februar dieses Jahres wurde nun erstmals eine offizielles Diskussionpapier einer europäischen Regierung zu diesem Thema vorgelegt. Auf Empfehlung des britischen Parlaments legte die britische Regierung ein sogenanntes Green Paper zu den Möglichkeiten der Regulierung des Söldnerwesens vor.(1) Es ist davon auszugehen, daß sich die weiteren internationalen Diskussionen über den Umgang mit dem Söldnerwesen an diesem Green Paper orientieren werden. Deswegen ist es um so bemerkenswerter, daß die Thesen und Vorschläge der britischen Regierung auf wenig Widerspruch bei Nichtregierungsorganisationen, der Wissenschaft, der Politik und den betroffenen Söldnerfirmen stießen. Auch die im August 2002 veröffentlichte Stellungnahme des britischen Parlaments beschränkte sich auf geringfügige Anmerkungen. Wenn das Papier tatsächlich den Stand der Debatte in politischen Kreisen adäquat wiedergibt, wird eine weitreichende Legalisierung des Söldnerwesens nicht mehr aufzuhalten sein. Die bisherigen Kritiker scheinen sich mit der Existenz von Söldnerfirmen arrangiert zu haben. Dies wird gravierende Konsequenzen für die (ärmeren und rohstoffreichen) Staaten der Peripherie haben. Europäische Söldnerfirmen werden in Zukunft eine noch größere Rolle in regionalen und lokalen Konflikten spielen, auch im Dienst der "Demokratien des Westens".


Des Söldners neue Kleider

Das Green Paper vollzieht mit der Regulierungsfrage einen Schritt, den die vorwiegend amerikanischen und britischen akademisch-politischen Kreise bereits seit Anfang der 90er Jahre vorbereitet haben: die Legalisierung des Söldnerwesens. Das erste Signal war die Diskussion um die Unterscheidung der verschiedenen Söldnertypen. Damals lenkte die Korporatisierung der Söldner und deren Selbststilisierung als Sicherheitsdienstleister die Blicke der Kritiker auch auf bereits bestehende "Sicherheitsfirmen", die in Europa und den USA bereits prächtig an der Privatisierung hoheitlicher Aufgaben im Sicherheitsbereich verdienten.(2) Diese Konzerne versuchten alles, sich von ihren schmuddeligen Verwandten zu distanzieren: Sprach man bisher von Söldnern und ihren Unternehmen, so wird nun unterschieden zwischen: "einzelnen Söldnern", "Private Military Companies" (PMC) und "Private Security Companies" (PSC). Als Söldner gelten dabei nur noch jene Individuen, die sich für Geld an jeden verkaufen. Private Military Companies und Private Security Companies sind "Geschäftspartner", schließlich verkaufen sie sich "nur" an Regierungen, und nur die Private Military Companies beteiligen sich an (offensiven) Kampfhandlungen.

International Alert, eine britische NGO, die den gesamten britischen Prozeß konstruktiv begleitete verstieg sich sogar zu der Aussage, daß PMC's nicht nur aus reinem Profitstreben Aufträge annehmen, sondern an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit interessiert wären!(3)

Allein die Verfeinerung der Organisationsstrukturen reichte aus, um die Söldner zu respektablen Ansprechpartnern zu machen. Sie verschwanden als Unternehmer hinter einer Fassade der Normalität. Plötzlich wurde ihr Profitstreben in der internationalen Debatte als seriös präsentiert und davon ausgegangen, daß sie sich als Unternehmer ähnlich verhalten würden wie beispielsweise ein Versicherungskaufmann.

Die zweite Verschiebung zugunsten der Rehabilitierung von Söldnern als einem legitimen Instrument der Politik scheint der "erfolgreiche" Einsatz von Söldnern der südafrikanischen Firma Executive Outcomes 1995 in Sierra Leone gewesen zu sein. Im Auftrag der Regierung gelang es ihnen innerhalb von wenigen Wochen, die Rebellen der Revolutionary United Front aus den lukrativen Diamantengebieten zu vertreiben und an den Verhandlungstisch zu bringen. Zwar wurde der Regierung im Anschluß u.a. auch vom IWF mit einer Kreditsperre gedroht, wenn sie weiter mit Executive Outcomes zusammenarbeiten würde, so daß die Söldnerfirma 1996 Sierra Leone verlassen mußte (4), doch angesichts des späteren Wiederaufflammens des Bürgerkrieges und der schlecht koordinierten UN-Mission verklärte sich die Bewertung des Söldnereinsatzes. Seitdem gilt, daß Söldnerfirmen schneller, effizienter und billiger als alle vergleichbaren Instrumente der Internationalen Gemeinschaft zu Befriedung von Regionen sind. Bauchgrimmen bereitet den Befürwortern alleine die fehlende juristische und politische Legitimation für den Einsatz von Söldnern.

Zwei weitere Faktoren begünstigen diesen Wahrnehmungswandel. Die westlichen Regierungen befinden sich immer noch im Prozeß der Auslagerung staatlicher Aufgaben - auch des Gewaltmonopols - an private Träger. Noch wird davon ausgegangen, daß dies Kosten einspart und die Effizienz verbessert. Der erhebliche Unterschied in Verhalten und Motivation privater Akteure im Vergleich zum demokratisch legitimierten öffentlich-behördlich kontrolliertem Belohnungssystem wird dabei meistens ignoriert.

Unter diesen Prämissen werden auch Söldnerfirmen attraktive Geschäftspartner. Ihnen kann man heikle oder lästige Aufgaben in Weltgegenden übergeben, die keine geostrategische Rolle mehr spielen. Mit geringerem Mittelaufwand und geringerem politischen Risiko setzt man die Söldnerfirmen als Hilfssheriffs ein.

Gleichzeitig bricht zunehmend die Opposition gegen das Söldnerwesen zusammen. Hauptsächlich waren es Hilfsorganisationen vor Ort, die die Öffentlichkeit über die Anwesenheit von Söldnern und ihre Kriegsbeteiligung informierten. Angesichts immer gefährlicherer Hilfsmissionen und fehlender Unterstützung westlicher Staaten sind diese Organisationen zum Teil dazu übergegangen, selber Söldnerunternehmen zu beschäftigen, sowohl für die strategische Sicherheitsplanung als auch für bewaffnete Konvois in Zielgebiete.(5) Verständlicherweise wird darüber nicht gerne geredet. Die Spendenbereitschaft könnte darunter leiden, daß von dem Geld Söldner bezahlt werden. Außerdem ist es widersprüchlich, einen angeblichen "Zerfall des Staates" zu beklagen und gleichzeitig in eine weitere Aufweichung des Gewaltmonopols vor Ort zu investieren.


(De-)Regulierungsoptionen?

Die britische Regierung entwickelte in ihrer Untersuchung sechs Optionen, um den Umgang mit Söldnerfirmen zu regulieren. Sie pendeln erwartungsgemäß zwischen den beiden Extremen des absoluten Verbotes und der Selbstregulierung von Söldnerfirmen. Natürlich wird als eine Option auch das gänzliche Verbot eines Einsatzes von Söldnerfirmen im Ausland genannt, zugleich aber als nicht umsetzbar dargestellt.(6)

Man kann davon ausgehen, daß die Bemühungen - nicht nur der britischen Regierung - auf den Aufbau eines Lizensierungsregimes hinauslaufen werden. D.h. zum einen müssen sich die entsprechenden Söldnerfirmen registrieren lassen und dabei einigen formalen Kriterien gerecht werden, zum anderen wird es eine Art von Rechenschaftspflicht bzw. Kontrolle über ihre laufenden Geschäfte geben.

Dahinter ist auch strategisches Kalkül zu vermuten. Gelingt es, Standards aufzustellen, die auch für die "Zivilgesellschaft" akzeptabel sind, finden sich die nicht-lizensierten Söldnerfirmen aus anderen Weltgegenden in der Defensive. Die Propagierung westlicher Standards der Unternehmensführung und einer gewissen Werte-Identität als Voraussetzung für die Legalität des Söldnerunternehmens würde den Markt zugunsten der westlichen Söldnerfirmen sichern.(7)

Sind Söldner Waffensysteme?

Wenn schon kein umfassendes Verbot von Söldnerfirmen mehr zu erwarten ist, kann man nur darauf hoffen, daß die Auflagen und Bedingungen so restriktiv wie möglich gehandhabt werden. Ein Ansatz, der auch von International Alert ins Spiel gebracht wird, sieht eine Ausrichtung der Lizensierung eng an den bestehenden Waffenkontroll- und Rüstungsexportgesetzen vor. Der Gedanke geht in die richtige Richtung, schließlich sind Söldner in gewisser Weise ein Waffensystem. Sie vermitteln als Multiplikatoren militärisches Wissen an ihre Kunden und steigern die Nachfrage nach Waffen. Gerade im Bereich der Kleinwaffen tragen Söldnerfirmen zur Proliferation bei. Sie kaufen und transportieren für ihre Arbeit notwendige Waffen auch unter Verletzung von Waffenembargos.

Umgekehrt wird spätestens unter diesem Gesichtspunkt deutlich, wie unwahrscheinlich tatsächlich eine restriktive Regelung werden wird: Rüstungsgüter, Unternehmertum und der staatliche Gewaltapparat bilden zusammen eine für Demokratie und Recht undurchdringliche Mauer.

Söldnerfirmen entstanden aus konspirativen militärisch-hierarchisch strukturierten Netzwerken. Ihr Personal verfügt fast ausnahmslos über eine militärische Sozialisation. Das kapitalistische Unternehmensrecht bietet genügend Spielraum, diese Strukturen innerhalb eines Unternehmes legal weiter zu betreiben. Grob gesprochen, zeichnen sich die westlichen Söldnerfirmen durch folgende Eigenschaften aus:

  • Gegenseitige Beteiligungen und Schachtelkonstruktionen sind die Regel. Bewußt wird auf Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen zurückgegriffen, um Gelder zu waschen und Profite auszulagern. Genauso läßt sich die Geschäftstätigkeit schnell einstellen und unter einem neuen Namen wieder aufnehmen.(8)

  • Trotz einer Vielzahl von Unterabteilungen und Tochtergesellschaften gibt es nur wenige Angestellte. Das meiste Personal wird aus einem bestehenden Pool quasi als Freiberufler rekrutiert. Damit sind auch der Überprüfung von Lebenslauf und "Eignung" des Personals enge Grenzen gesetzt.

  • Söldnerfirmen sind in der Regel Teile eines größeren Unternehmensgeflechts, so daß ihre "Dienste" im Paket mit anderen Leistungen angeboten werden, z.B. mit Waffenlieferungen, für die die Firma dann auch Ausbildung und Wartung übernimmt, oder mit geophysikalischen Diensten, bei denen das Unternehmen den Objektschutz koordiniert. Damit hat der Auftraggeber letzten Endes auch keine Gewißheit mehr, daß die Söldnerfirmen sich bei ihrem Einsatz ausschließlich um seine Belange kümmern werden.(9)

Söldnerfirmen sind in einem besonderen Bereich tätig. Fast überall unterliegen die legitimen Gewaltakteure einer besonderen Form der Kontrolle - nicht unbedingt durch die Allgemeinheit, aber wenigstens durch andere Gremien. Söldnerfirmen müßten also einem besonderen Maß an Kontrolle ausgesetzt werden, sowohl was die Personalauswahl wie auch die Entscheidungsstrukturen angeht. Das Unternehmensrecht garantiert das in keinem Staat in einem adäquaten Maß.

Kontrolle ist eine Illusion: Natürlich könnte man Söldner und Söldnerfirmen wie Rüstungsunternehmen bzw. Rüstungsexporteure behandeln. Allerdings kann man nicht behaupten, daß entsprechende Gesetze bislang den Rüstungsexport erheblich behindert hätten. Jede Form der Rechenschaftspflicht kann mit dem marktwirtschaftlichen Prinzip des Kunden- bzw. Geschäftsschutzes ausgehebelt werden. Söldnerfirmen werden genau wie jedes andere Unternehmen das Privileg nutzen, ihre Geschäftsverbindungen und Auftragsangebote streng vertraulich zu behandeln, und darauf verweisen, daß jede Offenlegung ihre Marktposition schwächt. Und ist schließlich die eigene Regierung der Auftraggeber, greift in der Regel auch noch die Geheimhaltungspflicht aus Gründen der nationalen Sicherheit. Außerdem stehen die möglichen Sanktionsmechanismen gegenüber den Firmen und Einzelpersonen in keinem Verhältnis zu dem angerichteten Schaden vor Ort. In allen industriellen Bereichen hat sich gezeigt, daß es nahezu unmöglich ist, Unternehmen für die direkten gesellschaftlichen Konsequenzen ihrer Produkte in adäquatem Maß zur Rechenschaft zu ziehen. Die Verurteilung eines Managers zu einer Geldstrafe und ein Entschädigungsfonds schwächen weder das Unternehmen, noch bestrafen sie wirklich die Entscheidungsträger und Ausführenden. Im Söldnerwesen würde sich dieser Mangel des Unternehmensrechts noch gravierender zeigen, da hier das Wort "Skandal" für den Tod vieler Menschen steht.


Der geschlossene Kreis

In Zukunft wird eine stärkere Anbindung der europäischen Söldnerfirmen an "ihre" Regierungen zu beobachten sein, wie das in den USA schon länger der Fall war. Die Regulierung des Söldnerwesens wird mit dem Ziel verfolgt, am Ende zwischen "guten" und "bösen" Söldnerfirmen unterscheiden zu können. Während den "bösen" das Exil auf den Cayman Islands droht, können die "guten" Söldner sich auf das Füllhorn der Regierungen freuen. Damit würde sich auch der Kreis schließen, der mit dem Personalabbau in den westlichen Streitkräften eröffnet wurde.

Der Abbau wurde mit einer veränderten sicherheitspolitischen Lage begründet und der Notwendigkeit, mehr Geld in die Forschung, Entwicklung und Beschaffung neuer Rüstungstechnologien zu stecken. Ein Teil des Personals wurde de facto nur in die Söldnerfirmen abgeschoben, die zumeist von Generälen a. D. geführt werden. Eine wirkliche Demobilisierung der entlassenen Soldaten hat nie stattgefunden. Werden nun Söldnerfirmen durch längere Verträge wieder eingebunden, kann man zu Recht davon sprechen, daß es nur um "Lohndumping" und Auslagerung der politischen Verantwortung für einen Teil des Gewaltapparates gegangen ist.

Am Ende werden Söldner als PMC/PSC dort eingesetzt werden, wo die westlichen Regierungen und Konzerne dies für richtig erachten, aber keine eigenen Soldaten hinschicken wollen. Dies kann im Rahmen von UN-Missionen oder eines Ausbildungsprogramms für "befreundete" Armeen erfolgen. Mit dem Einsatz von Söldnern entledigen sich die westlichen Regierungen eines Teils ihrer Mitverantwortung für die Entwicklungen vor Ort. Menschenrechtsverletzungen, Embargoverletzungen, Massaker oder eine weitere Konflikteskalation können einem "Mißmanagement" des Söldnerunternehmens zugeschrieben werden.

Die Kernfrage lautet also, ob die Staaten bereit sind, die politische und juristische Verantwortung für die Duldung/Unterstützung einer Söldner-Mission gegenüber der Bevölkerung im Einsatzland zu übernehmen? Nach wie vor ist der rechtliche Status der Söldner ungeklärt und auch im Green Paper der britischen Regierung finden sich wenig Hinweise darauf, daß die Regierung in Zukunft bestrebt sein wird, für die Konsequenzen, die sich aus dem Einsatz britischer Söldner ergeben, den Kopf hinzuhalten.

Christopher Steinmetz ist freier Journalist und Mitarbeiter der Berliner Instituts für Transatlantische Sicherheit.

 

Fussnoten:

(1) Ministry for Foreign and Commonwealth Affairs: "Private Military Companies - Options for Regulation". House of Commons, Document HC 577, London, February 2002.

(2) Dazu zählen u.a. die amerikanischen Unternehmen Military Professional Ressources International (MPRI), DynCorp und Vinnell Corporation.

(3) International Alert: Green Paper Submission - Private Military Companies: Options for Regulation. July 2002, S. 3.

(4) Zu den Verwicklungen von Söldnerfirmen in Sierra Leone siehe illoyal Nr. 4/1998, S. 28f. und Nr. 7/1999, S. 23.

(5) Im Kongo sorgt die britische Söldnerfirma Defense Systems Ltd. (DSL), inzwischen ein Tochterunternehmen der ArmourGroup, daß den Mitarbeitern des Roten Kreuzes nichts passiert. Vgl. dazu International Alert: Humanitarian Action and Private Security Companies. London, 2001, S.13. In Kolumbien dagegen sorgte DSL im Auftrag des Ölkonzerns BP dafür, daß kritische Gewerkschafter verschwanden und z.B. Nachtsichtgeräte an die Spezialpolizei geliefert werden konnte. Vgl. dazu ami Nr. 11/97, S.15, und Nr. 11/98, S.46 sowie illoyal, Nr. 12/2000, S.15.

(6) Siehe die entsprechenden Argumente im Green Paper, S.23.

(7) Zum Beispiel verhinderte die US-Regierung 1996 unter Verweis auf die undurchsichtige Geschäftspraxis der südafrikanischen Söldnerfirma Executive Outcomes, daß diese einen Auftrag der angolanischen Regierung erhielt. Stattdessen erhielt die amerikanische Firma MPRI den Auftrag.

(8) Exemplarisch ist die Struktur von Executive Outcomes. Vgl. illoyal Nr.4/1998, S.23.

(9) Viele der renommierteren amerikanischen Söldnerfirmen wurden von Rüstungskonzernen wie TRW und L-3 Communications zur Ergänzung des Portfolios aufgekauft. Im August wurde bekannt, daß die britische ArmorGroup, zu der inzwischen Defense Systems Ltd. gehört, in Deutschland die Firma Sachsenring Fahrzeugbau / Trasco Bremen, einem Hersteller von gepanzerten Pkw gekauft hat.