Friedensratschlag
19. Februar 2005


Die Atomambitionen des Iran als Vorwand für einen vierten Golfkrieg?

von Gerhard Piper

Im Atomstreit zwischen dem Iran und der Internationalen Atomenergiekommission (IAEO) scheint eine Konfliktlösung auf den ersten Blick sehr einfach zu sein. Der iranische Supreme National Security Council (SNSC) könnte einfach auf alle Projekte verzichten, durch die das Land in Verdacht geriet, es wolle eine Atombombe bauen.[1] Diese Verpflichtung sollte der Regierung in Teheran um so leichter fallen, da sie selbst immer wieder betont hat, man betreibe die Nuklearforschung nur zu friedlichen Zwecken, um Strom zu erzeugen.

Noch betreibt die iranische Regierung unter dem "gemäßigten" Staatspräsidenten Sayed Ali Mohammed Khatami Ardakani ihre Nuklearaktivitäten lediglich am Rande des Erlaubten und hält sich somit strikt an den Atomwaffensperrvertrag. Frühestens in drei oder vier Jahren können die iranischen Techniker eine Atombombe bauen. Um dies zu verhindern, wäre eine diplomatische Einigung am Besten. Aber noch nie hat sich ein Land durch gutes Zureden vom Bau einer Atombombe abhalten lassen und außerdem brauchen diplomatische Verhandlungslösungen Zeit. Aber die Zeit drängt. Ein amerikanischer oder israelischer Militärschlag gegen die Nuklearzentren drüfte nicht erst erfolgen, kurz bevor eine erste Atombombe konstruiert würde, sondern schon vor der Fertigstellung der Atomfabriken. Andernfalls droht eine Umweltkatastrophe wie beim Super-GAU von Tschernobyl. Soll man also dem Bau einer Atombombe einfach zugucken oder dies notfalls mit Gewalt verhindern?

Militärbeobachter rechnen daher mit einem Angriff bis spätestens Ende 2005, Anfang 2006. So erklärte John Pike von Global Security: "Das günstige Zeitfenster (window of opportunity) für einen Entwaffnungsschlag gegen den Iran wird im Jahre 2005 anfangen sich zu schließen. Wie es scheint, wird die Urankonversionsanlage in Isfahan im Verlauf des Jahres 2005 ihren Betrieb aufnehmen, genauso wie die Schwerwasserfabrik in Arak. Wenn sich die russische und die iranische Seite über eine Bezahlung geeinigt haben, werden die Brennelemente, die derzeit in einem russischen Hafen auf ihre Ausfuhr warten, im kommenden Jahr für den Reaktor in Buschehr ausgeliefert. Eine nennenswerte Urananreicherung in Natanz kann im Jahr 2006 beginnen, und die Plutoniumproduktion könnte im Jahr 2010 in Arak aufgenommen werden." [2]

Bereits im Oktober 1998 stellte der damalige Kommandeur des US Central Command, General Anthony Zinni, fest, der Iran sei eine größere Bedrohung als der Irak[3]. Seit 2002 feilt das Office of Special Plans (OSP) im US Verteidigungsministerium an der Ausarbeitung der amerikanischen Iranpolitik. Die ehemalige Pentagonbedienstete Karen Kwiatkowski berichtete: "Bereits im Herbst 2002, als der Präsident noch um Zustimmung für die Invasion in den Irak warb, schaute das Amt für spezielle Planung schon auf den Iran. Und die Neokonservativen dachten darüber nach, wie man mit dem Iran verfahren sollte. In ihrem Weltbild ist der Iran schon seit langem ein Zielobjekt." [4]

Andererseits wäre jeder Militärschlag ein Verstoß gegen die UN-Charta. Als diese 1945 verabschiedet wurde, kannte man noch nicht das Problem der Proliferation von Massenvernichtungswaffen und hat daher keine Ausnahmeregelung für solche Problemfälle geschaffen. Außerdem birgt ein Counterproliferation Strike erhebliche Risiken. Ein Teil der Nuklearanlagen liegt unter der Erde und zu deren Zerstörung fehlt die geeignete Bunkerknacker-Munition. Mit den vorhandenen Präzisionsbomben der beiden Typen Guided Bomb Unit GBU-28/B Paveway III und GBU-37/B GAM können die US Militärs nicht alle Ziele ausschalten, weil die Iraner einen Teil ihrer Nuklearanlagen unterirdisch angelegt haben. Bei einem Angriff müßten solche Atomfabriken durch Spezialeinheiten in die Luft gesprengt werden. Nach einem Bericht von Seymour Hersh sind bereits seit Sommer 2004 US Sonderkommandos im Iran im Einsatz, um ihre Zielobjekte auszukundschaften. Demnach stehen rund 40 Objekte auf der Zielliste der US Streitkräfte.[5] Statt einen Militärangriff gegen die Nuklearanlagen durchzuführen, könnte man alternativ auf einen Regierungswechsel in Teheran hinarbeiten, um ein pro-amerikanisches Marionettenregime zu etablieren.

Bereits im Jahre 1992 arbeiteten die US Militärs erstmals einen Operationsplan für den Fall gegen den Iran aus, daß das Land Saudi Arabien angreifen sollte. Die letzte Fassung dieses Entwurfs stammt vom Frühjahr 2004 und damit liegt ein fertiger Kriegsplan in den Schubladen des Pentagon bereit: OPLAN 1002-04. Wenn im Mai 2005 in New York die Überprüfungskonferenz der Mitgliedsstaaten des Atomwaffensperrvertrages stattfindet, wäre dies womöglich die letzte Chance für eine friedliche Konfliktbeilegung. Ab Sommer plant die US Regierung einen Militärschlag, wie der amerikanische Journalist Seymour Hersh berichtete. Auch die israelische Regierung von Ministerpräsident Ariel Scharon hat mehrfach erklärt, für sie sei die Entwicklung einer iranischen Atombombe unakzeptabel. Seit Sommer 2004 soll ein erster Entwurf für einen israelischen Luftangriff auf die iranischen Atomanlagen bereitliegen.

 

Indizien aber kein Beweis für Atombombenprojekt

Wie das Gerangel um das irakische ABC-Potential in den letzten Jahren gezeigt hat, ist es trotz der modernen technischen Aufklärungsmittel nach wie vor schwierig, das Militärpotential eines gegnerischen Landes halbwegs objektiv einzuschätzen. So stellte sich die Behauptung des Iraks, er habe keine Atomwaffen entwickelt, trotz gegenteiliger US Vermutungen als wahr heraus, während andererseits die Behauptung der nordkoreanischen Regierung, sie besitze Atomwaffen aus eigener Produktion, wiederholt in Zweifel gezogen wurde.

Eine Überwachung und Gesamtbewertung des iranischen Atompotential ist noch schwieriger als im Fall Irak, weil der Iran mit 1.650.000 qkm viermal so groß ist und fast dreimal soviele Einwohner hat. Allein in den letzten zwei Jahren mußte die CIA ihre Einschätzungen, bis wann der Iran eine Atombombe fertig stellen könne, mindestens viermal korrigieren. Dennoch sprach sich Vizeadmiral Lowell E. Jacoby, Direktor der Defense Intelligence Agency, am 16. Februar 2005 gegen alarmistische Beurteilungen aus: "Teheran wird wahrscheinlich zu Beginn des nächsten Jahrzehnts die Fähigkeit zur Produktion einer Atombombe erringen. (..) Wir denken der Iran wird im Jahre 2015 über die technischen Möglichkeiten zur Entwicklung einer Interkontinentalrakete besitzen. Es ist nicht klar, ob sich der Iran dazu entschlossen hat, eine solche Rakete einzuführen."[6]

Nach Schätzung der israelischen Nachrichtendienste aus dem Jahre 1992, hätte der Iran bereits im Jahr 2000 zur Nuklearmacht aufsteigen müssen. Während der Geheimdienstgeneral Ze´evi noch im August 2003 erklärte, er rechne mit der Fertigstellung einer iranischen Atombombe bis zum Jahr 2006, taxierten die israelischen Geheimdienste im Juli 2004 mit einer Produktion im Jahr 2008. Der Generaldirektor der IAEO Mohammed El Baradei vermutet, daß der Iran frühestens im Jahr 2007 über eine Nuklearwaffe verfügen wird.[7] Und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Klaus-Dieter Fritsche behauptete 1998: "Es gibt kein Land im Krisengürtel des Nahen und Mittleren Ostens, dessen Programme zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen in Umfang und Breite mit den iranischen Programmen vergleichbar wären."[8]

Nach Angaben der iranischen Regierung dient sein nationales Atomprogramm ausschließlich der zivilen Stromerzeugung. Zwar plant man langfristig den Bau von 15 Atomkraftwerken (AKWs), um den Energiehunger der rasch wachsenden Bevölkerung zu stillen, aber seit Beginn des Programms in den fünfziger Jahren hat der Iran noch keine einzige Kilowattstunde in einem kommerziellen AKW erzeugt. Stattdessen unterhält das Land ein umfangreiches Programm zum Erwerb von Atomtechnologien, das zum Teil der militärischen Geheimhaltung unterliegt. Möglicherweise zählt der Iran schon zu den Atombombentechnologie-Staaten, die über das Know-how zur Bombenproduktion verfügen, aber noch keine Nuklearwaffe produziert haben. "Allein der Besitz der Technologie hat schon einen psychologischen Abschreckungseffekt für andere Staaten. Atomtechnologie wird nicht die USA abschrecken, aber immerhin die anderen Staaten der Region," behauptete der frühere Vorsitzende des Parlamentsausschusses für nationale Sicherheit Mohsen Mirdamadi.[9]

Zwar hat die iranische Regierung gemäß den internationalen Abkommen ein Recht darauf, ihre nationalen Uranerzvorkommen ökonomisch zu verwerten, indem sie das Natururan anreichert. Die entscheidende Frage ist aber, bis zu welchem Grad eine Anreicherung erfolgt. Fünfprozentiges Uran eignet sich als Brennelement für zivile AKWs, aber achtzigprozentiges Material wäre ausschließlich zum Bau von Atombomben geeignet. Aber die Herstellung von Waffenuran ist gemäß Atomwaffensperrvertrag dem Iran verboten.

Während die amerikanische Regierungspropaganda im Fall Irak die Falschmeldung verbreitete, Saddam Hussein besitze definitiv ABC-Waffen, hat die US Regierung im Fall Iran ihre Strategie geändert. Sie gibt offen zu, daß es bisher keinen Beweiß für das Vorhandensein eines Atombombenprojektes innerhalb des iranischen Nuklearprogramms gibt und daß auch kein Nuklearmaterial "verschwunden" sei. So gibt es für die Existenz eines iranischen Nuklearwaffenprogramm zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestenfalls zahlreiche Indizien. Dennoch versucht die US Regierung wie bei der Irakkrise mit fingierten Geheimdiensterkenntnissen ihre Bedrohungsperzeption zu untermauern. Der damalige US Außenminister Colin Powell behauptete im November 2004, daß die Iraner ihre Raketen mit Atomsprengköpfen ausrüsteten: "Ich spreche von Informationen, die besagen, daß sie nicht nur diese Raketen haben, sondern ich habe auch Informationen, die nahe legen, daß sie hart daran gearbeitet haben, beides zusammenzubauen." Weil diese Erkenntnisse aber lediglich auf ungeprüften Aussagen der Volksmuhajedin im Irak beruhen, die ihre Informationen vermutlich vom israelischen Geheimdienst Mossad haben, wies Javier Solana diese billige US Propaganda zurück: "Raketen können atomar und nicht-atomar sein. Derzeit haben die Iraner keine Atomwaffen, also ist es ihnen unmöglich, Raketen mit Atomwaffen zu nutzen."

Während sich der Iran mit seiner Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages im Jahre 1970 prinzipiell dazu verpflichtet hat, seine Nuklearaktivitäten offen zu legen, kam die Führung in Teheran ihrer internationalen Verpflichtung in den letzten zwanzig Jahren wiederholt nur unzureichend oder verspätet nach. So räumte die iranische Führung erst im August 2003 ein, in den neunziger Jahren 113 Experimente zur Produktion von Uranhexafluorid und reinem Uran aus importierten Uranoxid durchgeführt zu haben.[10] Angesichts dieses Verhaltens fordert die US Regierung nun eine Umkehrung der Beweispflicht: Nicht sie müsse beweisen, daß der Iran an der Atombombe baue, sondern die iranische Regierung müsse nachweisen, daß sie dies nicht tue. In der Praxis würde dieses Unterfangen allerdings schon an der formalen Logik scheitern, weil die Teheraner Regierung niemals nachweisen könnte, daß sie etwas nicht tut.

Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) hält sich bei ihrer Einschätzung des iranischen Nuklearprogramms bedeckt.[11] In ihrem Bericht vom 15. November 2004 heißt es lakonisch, sie könne die Frage nicht entscheiden, ob der Iran verbotene Aktivitäten verfolgt. In Paragraph 107 wird lediglich festgestellt, daß es bis zum Oktober 2003 zahlreiche Verstöße des Irans gegen seine Safeguard-Verpflichtungen gegeben hat, daß seitdem aber eine Besserung eingetreten sei.[12]

Mit seiner Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages hat sich der Iran außerdem dazu verpflichtet, internationale Inspektionen seiner Nuklearanlagen zuzulassen. Allerdings fordert der Atomwaffensperrvertrag nur eine Inspektion ziviler Nuklearanlagen ein, militärische Objekte bleiben tabu. Seit 1974 führt die IAEO ihre Betriebskontrollen im Iran durch. Bisher gilt dies aber nur für wenige Objekte, u.a. den amerikanischen Teheran Research Reactor (TRR) in Teheran[13], den chinesischen Heavy Water Zero Power Reactor (HWZPR) und den chinesischen Minature Neutron Source Reactor (MNSR) in Isfahan, sowie das Fuel Fabrication Laboratory (FFL) in Isfahan. Außerdem erlaubte die iranische Regierung der IAEO im Juni 2003, die Urananreicherungsanlage in Natanz und eine frühere Nuklearanlage im Teheraner Stadtteil Bagh Shian zu inspizieren. Aber als sich die IAEO Fabriken im Teheraner Stadtteil Lavizan und auf dem Testgelände in Parchin einmal genauer anschauen, wurde dies am 5. Dezember 2004 abgelehnt.[14]

Zwar hat die iranische Regierung das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag am 18. Dezember 2003 unterzeichnet, das Parlament in Teheran hat es aber noch nicht ratifiziert. Erst dann wäre es rechtlich möglich, umfassende Verdachtsinspektionen (On-Side-Inspection – OSI) durchzuführen. Dennoch stellte Mohammed El Baradei im Januar 2005 fest, daß sich die Informationslage in der letzten Zeit wesentlich verbessert habe: "Achtzehn Monate zuvor war der Iran eine blinder Fleck – wir wußten nicht viel darüber, was dort vorging. Jetzt haben wir eine ziemlich gute Vorstellung davon, was dort passiert. Wir verstehen nun, wie komplex und umfangreich dieses Programm ist. (..) Der Iran hat in der Vergangenheit ganz klar betrogen, wir haben darüber berichtet. Man hat das geändert. (..) Falls sie immer noch betrügen sollten, so haben wir bisher keinerlei Hinweise darauf."[15]

Nicht zuletzt wurde im Dezember 2004 bekannt, daß die amerikanische National Security Agency (NSA) die Telefonate zwischen dem IAEO-Chef Mohammed El Baradei und iranischen Diplomaten abgehört hat.[16] Dennoch werden die USA eine Wiederwahl von El Baradei zum Generaldirektor der IAEO kaum verhindern können; es fehlt ein zweiter Kandidat.

 

Mögliche Motive zum Bau von Atombomben

Die iranischen Poliker waren die ersten, die 1974 die Errichtung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten forderten. Dies scheiterte am Willen der israelischen Regierung, auf ihr Atommonopol nicht verzichten zu wollen. Mittlerweile haben die iranischen Politiker durch öffentliche Äußerungen Befürchtungen geschürt, nun wolle sich auch der Iran ein Atomwaffenarsenal zulegen. So erklärte 1988 der damalige Präsident Akbar Hashemi-Rafsanjani gegenüber Soldaten: "Wir sollten unsererseits die Fähigkeit zum offensiven und defensiven Gebrauch von chemischen, bakteriologischen und radiologischen Waffen voll erwerben. Von jetzt ab sollt ihr die Gelegenheit nutzen und diesen Auftrag erfüllen." Die xenophoben Mullahs in Teheran könnten mittlerweile zu der Erkenntnis gekommen sein, daß es für den Erwerb von ABC-Waffen hinreichende Gründe gäbe, und könnten dabei mit breiter Unterstützung der Bevölkerung rechnen.

Betrachtet man das sicherheitspolitische Umfeld des Iran nur oberflächlich, so scheint keine akute Bedrohung zu existieren:

  • Die Sowjetunion hat sich aufgelöst und die innerasiatischen Republiken bilden einen natürlichen Puffer gegenüber Rußland;
  • der frühere "Hauptfeind" Irak wurde durch die beiden amerikanischen Golfkriege vollständig zerschlagen; und
  • der Dauerkonflikt zwischen den schiitischen Persern im Iran und den sunnitischen Arabern in Saudi Arabien und den Golfstaaten schwelt – wie üblich – auf kleiner Flamme weiter.

Andererseits ist der Iran in allen Himmelsrichtungen von Atommächten umgeben: Im Norden von Rußland, im Osten von Pakistan und Indien, im Süden von der 5. US Flotte mit ihren Trident-U-Booten der Ohio-Klasse und im Westen von Israel mit seinen atomaren Jericho-Raketen.

Außerdem sah sich die Führung in Teheran wiederholt einer Bedrohung mit ABC-Waffen ausgesetzt:

  • Im März 1946 forderte US Präsident Harry Truman einen Abzug der sowjetischen Truppen aus dem Iran innerhalb von 48 Stunden, andernfalls drohte er mit dem Einsatz von Atomwaffen, auf die die USA damals noch ein Monopol hatten. Die Sowjets lenkten unverzüglich ein.
  • Nach dem Sturz des Schah-Regimes und der Geiselnahme der US Diplomaten in Teheran befürchtete Präsident Jimmy Carter eine Einmischung der sowjetischen Regierung im Iran. In seiner Rede zur Lage der Nation am 23. Januar 1980 drohte Carter mit "militärischen Konsequenzen". In der vertraulichen Pentagon-Studie Capabilities in the Persian Gulf hieß es damals: "Um in einem iranischen Konfliktfall die Oberhand zu behalten, müßten wir gegebenenfalls mit dem Einsatz von taktischen Nuklearwaffen drohen oder diese einsetzen."[17]
  • Nach unbestätigten Meldungen soll der Irak im ersten Golfkrieg (1980-88) mehrere Mykotoxine (T-2, HT-2, Nivalenol und Verrucarol) gegen den Iran versprüht haben.
  • Im ersten Golfkrieg setzten sowohl der Irak als auch der Iran chemische Waffen ein. CS, Senfgas, Zyanid, Tabun und Sarin wurden durch Artilleriegranaten, Flugzeuge, Hubschrauber und möglicherweise mittels Boden-Boden-Raketen freigesetzt. Von den 500.000 bis 600.000 iranischen Opfer kamen – nach offiziellen Angaben aus Teheran – rund 60.000 durch Chemiewaffen um.[18] Die irakischen Stäbe konnten in ihrer Operationsplanung zur Vernichtung der iranischen Truppen auf Daten aus der amerikanischen Satellitenaufklärung zurückgreifen.

Damit sich diese traumatische Erfahrungen nicht wiederholen, könnte die iranische Regierung geneigt sein, sich neben ihrem Arsenal an chemischen Waffen auch noch Atomwaffen zuzulegen. Sie scheinen das einzige Mittel für eine effektive Abschreckung und Überlebensgarantie zu sein. Eine konventionelle Aufrüstung wäre keine Alternative, wie das Beispiel Irak gezeigt hat: Saddam Hussein hatte von 1978 bis 1990 im Westen für 36 Milliarden Dollar HighTech-Waffen eingekauft, die den irakischen Streitkräften weder im Golfkrieg 1991 noch im Golfkrieg 2003 den kleinsten militärischen Nutzen gebracht haben. So könnte die US Regierung durch ihre Irakpolitik die iranischen Atomambitionen erst voll entfacht haben.

Andererseits versucht die US Regierung mit allen Mitteln die Entwicklung einer Atombombe durch den Iran zu verhindern. Für den Fall, das die amerikanische Counterproliferation Politik scheitert, malte der frühere Nationale Sicherheitsberater Richard A. Clarke folgendes Szenario aus: "Wenn wir uns nicht auf die Schwerpunkte konzentrieren, um die wir uns schon gleich nach dem 11. September hätten kümmern sollen, steht uns 2007 folgendes Szenario bevor: eine den Taliban ähnliche Regierung in Pakistan, die Atomwaffen hat, einen ähnlichen Satellitenstaat vor der Tür in Afghanistan unterstützt, eine Ideologie im Stil von al-Qaida vertritt und den Terrorismus auf der ganzen Welt fördert. In der Golfregion der Iran, der ebenfalls über Atomwaffen verfügt und seine eigene Version der Ideologie im Stil der Hisbollah vertritt. Und Saudi-Arabien nach dem Sturz des Hauses Saud, das eine theokratische Republik im Stil des 14. Jahrhunderts errichtet. Unter diesen Umständen wären Amerika und der Rest der Welt immer noch unsicher, selbst wenn wir eine Demokratie im Stil Jeffersons im Irak geschaffen hätten."[19]

Thomas Finger, Chef des Bureau of Intelligence and Research (INR), ging noch einen Schritt weiter. Gegenüber dem Geheimdienstausschuß des Senats erklärte er am 16. Februar 2005: "Der Iran strebt nach Atomwaffen und Raketen mit einer Reichweite, mit denen er die USA erreichen kann, aber er hat noch keine."[20]

Ein amerikanischer Angriff auf den Iran wäre nicht der erste bewaffnete Konflikt zwischen beiden Staaten, vielmehr ist es seit dem Machtantritt der theokratischen Mullahs 1979 wiederholt zu Kampfhandlungen gekommen: Am 26. April 1980 startete die US Regierung einen vergeblichen Versuch, um die Geiseln in der US Botschaft in Teheran durch die Delta Force zu befreien (Operation EAGLE CLAW). Im sogenannten "Tanker-Krieg" griff die US Navy 1987 bis 89 mehrere iranische Kriegsschiffe an und versenkte sie (Operationen PRAYING MANTIS und PRIME CHANCE).

 

Die iranische Nuklearindustrie

Oberstes Gremium zur Bestimmung der iranischen Atompolitik ist das Nuklearkomitee des Supreme National Security Council (SNSC). Unter Vorsitz von Sekretär Hassan Rowhani gehören diesem folgende Personen an: der Vorsitzende der iranischen Atomenergiebehörde Gholam Reza Aghazadeh , der zugleich stellvertretender Staatspräsident ist, der Verteidigungsminister Vizeadmiral Ali Schamkhani, der Geheimdienstminister Ali Younessi, der Außenminister Kamal Kharrazi und Ali Akbar Velayati als Vertreter des Revolutionsführers Ajatollah Sayed Ali Hoseini-Khamenei.

Der zivilen iranischen Atomenergiebehörde Sazeman-e Energy Atomi unterstehen rund zwei Dutzend Nuklearfabriken. Zum Bau einer Atombombe muß zuerst eine umfassende Industrie aufgebaut werden, um das notwendige hochangereicherte Nuklearmaterial produzieren zu können. Prinzipiell gibt es zwei Wege zum Bau einer Atombombe: Uran 235 oder Plutonium 239. Nachdem das Natururan, das nur einen Anteil von 0,7 Prozent Uran 235 enthält, aus den Bergwerken gefördert wurde, wird das Erz zunächst in das sogenannte Yellow Cake (U3O8) umgewandelt. Beim nächsten Schritt wird daraus Uranhexafluorid (UF6) hergestellt. Dieses nicht-radioaktive Gas kann dann in einer Zentrifugenanlage angereichert werden. Dazu muß es mehrere hundertmal hintereinander gefiltert werden. Als Alternative kann man eine Plutoniumbombe herstellen. Allerdings kommt dieses Isotop in der Natur kaum vor und muß erst in einem Atomreaktor "erbrütet" werden, indem ein Uran 238-Atom mit einem freien Neutron beschossen wird und sich dabei in Plutonium 239 verwandelt. Hierfür sind insbesondere Schwerwasserreaktoren geeignet, in geringerem Maße kommen auch Leichtwasserreaktoren in Frage. Das erzeugte Plutonium wird bei der Wiederaufarbeitung der Brennelemente im Purex-Verfahren (Plutonium-Uranium-Recovery by Extraction) herausgefiltert. Abgebrannte Reaktorstäbe enthalten ca. 1 Prozent Plutonium. Zur Produktion einer Atombombe sind – je nach Konstruktionsweise - drei bis fünfundzwanzig Kilogramm Uran 235 bzw. ein bis acht Kilogramm Plutonium 239 notwendig. Gegenwärtig peilt die iranische Regierung vermutlich die Produktion von Uranbomben an.

Will ein Staat verhindern, daß ein anderes Land zur Nuklearmacht aufsteigt, muß es diesen "geschlossenen Brennstoffkreislauf" an einer beliebigen Stelle unterbrechen, indem man die gegnerischen Nuklearfabriken zerstört. Der Iran besitzt Uranminen in der Nähe von Saghand mit einem Vorkommen von 1,5 Mio. Tonnen Uranerz. Daraus wird in einem Chemielaboratorium in Ardekan bei Yazd Uranoxyd erzeugt. Eine weitere Anlage zur Produktion von Uranoxyd wollen die Iraner bis Ende 2005 in Bandar Abbas in Betrieb nehmen.[21] Eine Fabrik zur Umwandlung von Uranoxyd in Uranhexafluorid ist das Rudan Nuklearforschungszentrum bei Schiraz. Eine ähnliche Anlage chinesischer Bauart wurde im März 2003 an der Universität in Isfahan in Betrieb genommen. In der Nähe der Anlage wird gerade an einem geheimen Tunnelkomplex gebaut. Ein größerer Komplex zur Urananreicherung in Ardekan befindet sich im Bau. In den Bergen bei Natanz (300 km südlich von Teheran) wurde zunächst eine Pilotanlage zur Urananreicherung fertiggestellt und getestet. Eine größere Urananreicherungsanlage wurde hier ebenfalls fertiggestellt, aber aus politischen Gründen noch nicht in Betrieb genommen. Im Endausbau handelt es sich um drei Hallen von jeweils 190 mal 170 Metern mit 50.000 Zentrifugen vom Typ P2. Die Räume sind unterirdisch angelegt, so liegt der Hallenboden in einer Tiefe von 24,6 Metern. Die Decke besteht aus zwei Meter dickem Beton, darüber liegen mehrere Meter Felsgestein. Kleinere Anreicherungsanlagen befinden sich in Lashkar Abad (Pilotanlage zur Anreicherung mittels Laser: Atomic Vapour Laser Isotope Separation - ALVIS), Mo'allem Kalaych bei Qazvin und Ramadah (40km westlich von Teheran).

Zur Plutoniumproduktion wären mehrere Reaktoren geeignet. Ein kleinerer 5 Megawatt-Forschungsreaktor ist an der Universität in Teheran in Betrieb. Ein 1000-Megawatt-Leichtwasserreaktor vom russischen Typ VVER-1000 (VVER = Voda-Vodyanoi Energetichesky Reaktor), Modell V-446, wurde im Oktober 2004 in Buschehr fertiggestellt.[22] Allerdings fehlen noch die Brennelemente: Zwar wurde am 6. Januar 2003 ein Lieferabkommen zwischen der russischen TVEL Corporation und der iranischen Atomenergiekommission unterzeichnet, aber das 80-Millionen-Dollar-Geschäft konnte bisher nicht abgewickelt werden, weil sich beide Seiten noch nicht über die Zahlungsmodalitäten einigen konnten. Im Bau befindet sich ein 40-Megawatt Schwerwasserreaktor IR-40 in Arak (200km südwestlich von Teheran). Rund 3000 iranische Atomwaffenkonstrukteure arbeiten beim Nuklearen Technologiezentrum in Isfahan. Keine zuverlässigen Informationen gibt es über unterirdische Nuklearlaboratorien in Neka und Tabas sowie eine Anlage im Berg Chalus.

Die militärische Nuklearforschung wird geführt vom Defensive Research Training Institute (DRTI) innerhalb des Verteidigungsministeriums unter Leitung von Muhammad Islami. Ihm unterstehen u.a. das Modern Defensive Readiness and Technology Center (MDRTC) im Teheraner Stadtteil Lavizan, die Iman Hussein Universität in Teheran, die Malek Ashtar Universität der Revolutionsgarde in Isfahan und die unterirdische Nuklearanlage der Revolutionsgarde in Darkhovin.[23]

Nach unbestätigten Angaben der iranischen Exilopposition soll es im Iran bereits eine Fabrik zur Produktion von Atomsprengköpfen geben, wie der "Nationale Widerstandsrat" im Pariser Exil behauptete. Nach seinen Angaben handelt es sich um die Shahid Karimi Industrial Group auf dem Gelände des Hemmat Industriekomplexes zwischen Azemayesh und Lashgark. Diese beiden Militärbetriebe werden von Gholi Zadeh bzw. Brigadegeneral Danesh Ashtiani geleitet.[24]

Unklar ist, in welchem Umfang die iranischen Nuklearwissenschaftler Hilfe und Materialien aus dem Ausland bezogen haben. Über die Lieferungen des Netzwerkes von Abdul Qader Khan, einem der Chefkonstrukteure der pakistanischen Atombomben, stellte die pakistanische Regierung seit Ende 2004 den Amerikanern umfassende Informationen zur Verfügung. Langfristig strebt der Iran eine Autarkie im Nuklearbereich an und will von einem Importeur zum Exporteur von Atomtechnologien aufsteigen. Bis zum Jahr 2020 will man einer der führenden Anbieter von Reaktorbrennstäben auf dem Weltmarkt sein.

 

Biologische und chemische Waffen

Während zum Bau einer Atomwaffe erst die Errichtung einer nuklearindustriellen Komplexes mit spezialisierten großtechnischen Anlagen notwendig ist, können biologische oder chemische Waffen schon in relativ kleinen Fabriken produziert werden. Diese potentiellen Produktionsstätten sind noch viel schwieriger zu entdecken und aufzuklären. Daher stehen über die Waffenentwicklung in diesen beiden Bereichen in der Regel wesentlich weniger Informationen zur Verfügung:

Die einzige Produktionsstätte für biologische Waffen befindet sich in Damghan, rund 300 km östlich von Teheran. Nach Geheimdienstmeldungen arbeiten die Militärbiologen an verschiedenen Agentien, die zum Teil in ihren Zuchtbehältern deponiert sind, zum Teil in Waffen abgefüllt wurden. Es soll sich u. a. um Erreger folgender Krankheiten handeln: Marburgfieber, Pest, Pocken und Tularämie.[25] Die Bestände werden bisher als gering eingeschätzt. Unklar ist, ob die Entwicklung von biologischen SCUD-Raketengefechtsköpfen abgeschlossen werden konnte.

In Damghan befindet sich auch die Fabrik für chemische Waffen. Der jährliche Ausstoß soll 1000 Tonnen Kampfgas betragen. Zu den vorhandenen C-Kampfstoffen gehören Phosgen, Senf- und Nervengas. Außerdem betreibt das iranische Unternehmen Melli Agrochemicals in Qazvin, 125 km westlich von Teheran, eine Fabrik zur Herstellung von Phosphorpentasulfit, das in der Landwirtschaft zur Herstellung von Pestiziden, aber auch für die Produktion des Nervengases Tabun verwendet wird.[26] Weitere chemische Anlagen befinden sich in Al Razi, Bahshwir, Isfahan und Parchin. Andererseits trat die iranische Regierung 1993 dem Abkommen zum Verbot von Chemiewaffen bei. Gegenüber der internationalen Organisation for the Prohibiton of Chemical Weapons (OPCW), die die Einhaltung des Vertrages überwacht, gab die iranische Führung an, in der Vergangenheit an Chemiewaffen gearbeitet, aber inzwischen alle Programme eingestellt zu haben.[27]

 

Das iranische Flugkörperprogramm

Die Entwicklung von militärischen Trägerraketen ist ein wichtiger, indirekter Hinweis für das Vorhandensein eines ABC-Programms: Weitreichende Flugkörper haben eine Zielabweichung von mehreren Hundert Metern. Die Bestückung einer solchen Rakete mit konventionellem Sprengkopf ist militärtechnisch unsinnig, da dessen Explosionswirkung auf wenige Meter beschränkt wäre und damit das Zielobjekt unbeschädigt bliebe. Wenn ein Staat Mittelstreckenraketen baut, kann man daher automatisch davon ausgehen, daß für diese Flugkörper auch ABC-Sprengköpfe entwickelt werden.

Im Teheraner Stadtteil Lavizan befindet sich die Sanam Industries Group, die das iranische Flugkörperprogramm mit dem Decknamen "Department 140" leitet. Der Chefkonstrukteur Ali Mahmudi Mimand starb im Juli 2001 unter mysteriösen Umständen. Zu den rund 36 Betrieben der Raketenindustrie zählen u.a. ein Forschungszentrum in Gostaresh, sowie Produktionsstätten in Bandar Abbas (für Marschflugkörper), Isfahan, Semnan und Sirjan. Nach dem Bau von kleineren Raketen begann im Jahre 1992 die Entwicklung der Shahab-3 (andere Bezeichnung: Zelzal-3). Sie basiert auf der Scud-B und soll der nordkoreanischen Nodong 1-Rakete ähnlich sein. Die Reichweite soll 1300 bis 1500 km betragen, so daß Ziele in Israel attackiert werden können. Nachdem der erste Testflug der Rakete am 22. Juli 1998 nur teilweise gelang, war ein weiterer Test im Februar 2000 erfolgreich. Die noch größere Shahab-4 mit einer geschätzten Reichweite von 2000 km wird zur Zeit entwickelt. Sie basiert auf der sowjetischen SS-4 Sandal. Die geplante Shahab-5 soll eine Reichweite von 3500 bis 5500 km haben, die Shahab-6 ist mit 10.000 km eine Interkontinentalrakete.[28]

Seit Sommer 2004 soll mindestens ein Raketenbataillon der Revolutionsgarden mit Shahab 3-Flugkörpern einsatzbereit sein. Nach Angaben der iranischen Exilopposition sollen u.a. folgende Raketenverbände bestehen: Die 15. Ghaem Raketenbrigade, die 5. Ra´ad Raketenbrigade mit Shahab 3 und Shahab 4, die 7. Al-Hadid Raketenbrigade mit den älteren Mustern Shahab 1 und Sahab 2 auf dem Imam Ali-Raketenstützpunkt bei Khorramabad, sowie die 23. Towhid Raketenbrigade.[29]

Außerdem soll der Iran im Jahre 2002 sechs luftgestützte Marschflugkörper vom sowjetischen Typ KH-55(SM) in der Ukraine erworben haben. Diese Luft-Boden-Flugkörper haben eine Reichweite von 2.400 Kilometern, sie wurden ohne ihren Nuklearsprengkopf geliefert. Obwohl dieses Rüstungsgeschäft gegen internationale Abkommen verstieß, war der ukrainische Präsident Leonid Kuchma darin involviert. Der Export wurde vom Staatsunternehmen UkrSpetzExport mit Wissen des ukrainischen Nachrichtendienstes SBU und des russischen Geheimdienstes FSB abgewickelt. Empfänger auf iranischer Seite war die SATAK Ltd.[30]

An der Aufrüstung des Iran mit ABC-Waffen sind auch deutsche Unternehmen beteiligt: Schon 1997 richtete das Zollkriminalamt (ZKA) in Köln eigens eine "Koordinierungsstelle Iran" ein[31]. Bis Anfang 2000 gerieten 230 Betriebe in Verdacht, darunter Tochterunternehmen von Siemens, Krupp und Mannesmann. In 28 Fällen kam es zur Einleitung eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens. Allerdings war nur zweimal Anklage erhoben worden, in zwölf Fällen wurde das Verfahren eingestellt, die übrigen Untersuchungen dümpelten vor sich hin.

 

Amerikanische Militäroptionen

Die Verfügungsgewalt über Atomwaffen würde die Ambitionen der theokratischen Machthaber in Teheran, zur Regionalmacht aufzusteigen, enormen Auftrieb verleihen. Dann würden die Mullahs ihre Versuche verstärken, die USA aus der Nahostregion zu vertreiben, den Kampf der Palästinenser gegen Israel unterstützen und als Exporteur von ABC-Technologien die Proliferation anheizen, heißt es in Washington.

Am 18. Januar 2005, zwei Tage vor Beginn seiner zweiten Amtszeit, drohte US Präsident George W. Bush im Atomstreit mit dem Iran mit einem Militärschlag: "I hope we can solve it diplomatically, but I will never take any option off the table. (..) Diplomacy must be the first choice and always the first choice of an administration trying to solve an issue of, in this case, nuclear armament, and we´ll continue to press on diplomacy," erklärte Bush in einem Interview mit dem Fernsehsender NBC.[32] Wenige Tage später ergänzte Vizepräsident Dick Cheney, der Iran stehe ganz oben auf der politischen Agenda.

Die US Regierung hat verschiedene Handlungsoptionen: Zwar kann sie versuchen, ausländische Unternehmen in ihr Wirtschaftsembargo gegen den Iran einzubinden, für weitergehende Sanktionen fehlt ihr aber eine Mehrheit im UN-Sicherheitsrat. Daher bleiben den Amerikanern nur drei Möglichkeiten:

  • eine wenn auch nur klammheimliche Unterstützung der diplomatischen Initiative der EU,
  • eine Ausweitung der nachrichtendienstlichen Operationen oder
  • ein Militäreinsatz mit verschiedenen Optionen.

Der Iran ist schon seit März 1946 im Visier der US Militärplanung, als das Land noch von sowjetischen und britischen Truppen besetzt war. Im Jahre 1988 sahen die beiden Operationspläne OPLAN 1002-88 und OPLAN 1021-88 eine "Verteidigung" des Irans gegen einen sowjetischen Angriff vor, obwohl die islamistische Regierung in Teheran seit 1979 sicherlich kein Interesse mehr daran gehabt hatte, ausgerechnet von den USA, dem "Großen Satan", verteidigt zu werden. Zumindest der letztere Plan sah auch den Einsatz von atomaren und chemischen Waffen durch die USA vor. Nach dem Ende des Kalten Krieges und der Zerschlagung des irakischen Militärpotentials im Golfkrieg 1991 änderte die US Regierung ihre Bedrohungsperzeption und Kriegplanung für den Nahen Osten. Der neue Kriegsplan OPLAN 1002-92 sah erstmals eine "Verteidigung" Saudi-Arabiens gegen einen iranischen Angriff vor. Innerhalb von vier Jahren avancierte der Iran so vom Schutzbefohlenen zum potentiellen Feind. Die Ziele der möglichen US Operationen waren die Besatzung des Landes, ein Umsturz in Teheran, die Zerstörung des iranischen ABC-Potentials und die Sicherung der Ölexporte. Diese Kriegsplanung wurde 2004 mit OPLAN 1002-04 - routinemäßig - fortgeschrieben. Auf Basis und im Rahmen diesen allgemeinen Kriegsplanes arbeiten nun die Militärplaner des Pentagon verschiedene Optionen im Detail aus. In verschiedenen Wargames wurde ein Krieg gegen den Iran durchgespielt: Austere Challenge (Ramstein AB, 14.bis 28. April 2004), Unified Quest (Carlisle Barracks, USA, 27. April bis 2. Mai 2003) und Urgent Victory (US Army in der Bundesrepublik Deutschland).

Im Vordergrund steht zunächst einmal ein begrenzter Counterproliferation Strike zur Zerstörung der ABC-Anlagen, dabei werden möglicherweise auch politische oder militärische Führungsobjekte angegriffen. Eine zweite umfassendere Option wäre gar – wie im Fall Irak – die Besetzung des gesamten Landes, um einen Regimewechsel zu erzwingen. Will man nicht soviele Soldaten aufbieten, könnten die Nachrichtendienste theoretisch einen Militärputsch im Iran inszenieren, vorausgesetzt man fände im einheimischen Offizierskorps genügend Unterstützer.

Schon die Durchführung eines Counterproliferation Strike wirft mehrere Probleme auf. Zwar verfügt die Defense Intelligence Agency über ein Programm zur Erfassung aller ABC-Anlagen in Schwellenländern

(Dragon Fury/ATHENA), aber dennoch ist die amerikanische Militäraufklärung lückenhaft. Neben der Überwachung durch Satelliten, führt die US-Luftwaffe fortlaufend Aufklärungseinsätze am Rande es iranischen Luftraums mit Spezialflugzeugen EC/RC-135 durch. Dazu gehörte in den letzten Jahren insbesondere die Aufzeichnung der telemetrischen Signale bei iranischen Raketentests im Rahmen der Operationen NORDIC TRUST und PONY EXPRESS.[33]

Zur Ausspähung der Zielobjekte werden seit April 2003 auch Dronen (Global Hawk oder Predator) vom Irak aus eingesetzt.[34] Außerdem benutzen die Geheimdienste Kurden aus dem Nordirak und Angehörige der iranischen Muhajedin-e-Khalq (MEK) im irakischen Exil. Um die MEK entsprechend auszubilden und auszurüsten verwendet die Defense Intelligence Agency (DIA) die Privatfirma Global Options als Tarnorganisation.[35] Das frühere CIA-Agentennetz im Iran soll Anfang der neuziger Jahre durch die dortigen Sicherheitsdienste zerschlagen worden sein. Die Behörden verhafteten bis zu vierzig Agenten.[36] Im Rahmen der andauernden Repression im Iran haben die Sicherheitsbehörden in den letzten Monaten dutzende Personen unter dem Vorwand festgenommen, sie seien "Atomspione".[37]

Zur Durchführung eines Counterproliferation Strike könnte die US Air Force ihre Bomber B-2B Spirit und die Jagdbomber F-117A Nighthawk einsetzen, die US Navy wäre mit den Marschflugkörpern vom Typ Tomahawk Land Attack Missile (TLAM) beteiligt. Während die Spirits direkt von den USA und die Tomahawks von Kriegsschiffen aus eingesetzt werden könnten, müßten die Nighthawks extra an den Golf verlegt werden. Aber für einen Präventivschlag gegen verbunkerte ABC-Waffendepots fehlt bis heute die geeignete Munition. Dafür wären Bomben nötig, die zwei waffentechnische Eigenschaften besitzen: Sie müßten als sogenannte Bunker Buster-Bomben in einen unterirdischen Bunker eindringen und als Agent Defeat-Waffen die dort deponierten Massenvernichtungsmittel des Gegners rückstandslos zerstören können. Die vorhandenen Präzisionsbomben der beiden Typen Guided Bomb Unit GBU-28/B Paveway III und GBU-37/B GAM haben eine Ladung aus 306 kg Sprengstoff (Tritonal) und können 35 Meter tief in den Erdboden eindringen oder 6 Meter dicken Beton durchschlagen. Dennoch können die US Militärs damit nicht alle Ziele ausschalten, weil die Iraner einen Teil ihrer Nuklearanlagen noch tiefer in unterirdischen Bunker untergebracht haben. So hat die Urananreicherungsanlage in Natanz eine Tiefe von 24,6 Metern und ist durch eine Decke aus 2 Meter Beton zusätzlich gesichert.

Außerdem können die bisher vorhandenen konventionellen Bomben die meisten Bunker zwar zersprengen, aber bei ihrem Einsatz besteht das Restrisiko, daß Giftgas oder biologischer Kampfstoff aus einem nur halbzerstörten Bunker austritt und eine Katastrophe auslöst, wie dies schon im Irak der Fall war: Kurz nach Ende des ersten Golfkrieges sprengte eine US Pioniereinheit am 4. März 1991 die dreißig Bunker des Munitionsdepots in Khamisiyah. Dabei wurde auch der Bunker Nr. 73 zerstört, in dem Feldraketen mit chemischen Gefechtsköpfen (Senfgas und Sarin) gebunkert waren. Bei dieser Aktion wurden giftige Wolken freigesetzt, die über 98.910 US Soldaten im Umkreis von 300 Landmeilen hinweg zogen und so zur Entstehung des Golfkriegssyndroms beitrugen. Es bleibt abzuwarten, ob die amerikanischen Streitkräfte bei einem Angriff auf den Iran neuartige Bomben- oder Raketensysteme eingesetzt werden. Gegenwärtig laufen mehrere Entwicklungsprogramme: Crashpad, Discrete, Dipole und Divine.[38] Gegenwärtig heißt es, rund ein Viertel aller Ziele kann nicht bombardiert werden, weil das Objekt zu tief vergraben ist oder zu nah an zivile Wohngebiete angrenzt.[39]

Wo die Flugzeugmunition fehlt, könnten US Sprengkommandos eingesetzt werden. Nach Angaben von Seymour Hersh sind seit Sommer 2004 Sonderkommandos im Iran im Einsatz, um ihre Zielobjekte auszukundschaften. Hierfür kommen die Delta Force, die Naval Special Warfare Development Group, die Special Tactics Squadron 1 und das ultrageheime Technical Analysis Team (TAT) in Frage.

Nach dem Bericht von Hersh haben die US Zielplaner rund 40 Objekte im Visier: Neben den nuklearen Produktionsstätten auch Fabriken und Depots für Chemiewaffen und Boden-Boden-Raketen. Zu den Angriffszielen gehören vermutlich die Uranoxydfabrik in Yazd, die Uranhexafluoridanlagen in Ardekan, Isfahan und Schiraz, die Urananreicherungsanlagen in Lashkar Abad, Natanz und Ramadah, die im Bau befindlichen Atomkraftwerke in Arak und Buschehr, das nukleare Technologiezentrum in Isfahan, die Giftgasfabriken in Damghan und Qazvim, sowie die Raketenfabriken in Isfahan, Lavizan und Sirjan. Möglicherweise könnte ein Luftangriff auch militärische und politische Führungszentralen einschließen.

Gemäß dem "window of opportunity" wäre ein Angriff in der zweiten Jahreshälfte 2005 wahrscheinlich. Allerdings gibt es die genannten Bedenken gegen die Effektivität eines Counterproliferation Strike:

  • Möglicherweise sind nicht alle Ziele bekannt,
  • ein Teil der Ziele kann nicht ausreichend zerstört werden, weil die geeignete Munition fehlt und sich damit die Chance zum frühzeitigen Wiederaufbau ergibt,
  • einzelne Angriffe fordern "Kollateralschäden" unter der Zivilbevölkerung und schaden damit der US Propaganda.

Ein Angriff gegen die iranischen ABC-Anlagen wäre nicht der erste Counterproliferation Strike gegen die iranischen ABC-Anlagen. Bereits während des ersten Golfkrieges griff die irakische Luftwaffe siebenmal den im Bau befindlichen Reaktor in Buschehr an. Die erste Bombardierungen erfolgte am 24. März.1984, der letzte Luftangriff am 17. November 1987. Zunächst setzte die irakische Luftwaffe französische Jagdbomber Super Etendard, später sowjetische Suchoi Su-22M-4K ein. Ein deutscher Ingenieur der Siemens AG, die damals den Bau des AKWs leitete, wurde bei der letzten Bombardierung getötet. Auch die iranische Regierung hat schon einmal versucht, die Nuklearfabriken des Gegners militärisch auszuschalten: Am 30. September 1980 attackierten vier iranische Jagdbomber F-4E Phantom II den im Bau befindlichen Leichtwasser-Forschungsreaktor Tammuz I bei Bagdad an (Operation SCORCH SWORD). Ein Jahr später, am 7. Juni 1981, bombardierte eine israelische Staffel mit F-16A Falcon denselben Atomreaktor kurz vor dessen Beladung mit radioaktiven Brennelementen (Operation OPERA).

Ein begrenzter Counterproliferation Strike braucht keine umfassenden Kriegsvorbereitungen, dennoch können folgende Militärmaßnahmen als Hinweise für einen drohenden Angriff auf den Iran gewertet werden:

  • Der Einsatz von US Sonderkommandos "hinter den feindlichen Linien" seit Sommer 2004.
  • Der Aufbau eines neuen Luftstützpunktes in der afghanischen Region Ghorian an Grenze zum Iran Anfang 2005.
  • Die Durchführung von Aufklärungsflügen mit amerikanischen Dronen, um potentielle Ziele auszukundschaften und das Luftverteidigungssystem zu kitzeln.
  • Die Verletzung des iranischen Luftraums durch US Kampfjets, so am 24. August 2004[40]
  • Die Erhöhung des US Kontingentes im Irak von 138.000 auf 150.000 Soldaten im Vorfeld der irakischen Wahlen Anfang 2005.[41]

Unklar blieb, was sich am 16. Februar 2005 in der Nähe des Atomkraftwerkes in Buschehr ereignet hat. In einem Überblick von Spiegel-Online hieß es: "Zunächst hatte es geheißen, dort habe es eine gewaltige Explosion gegeben, die Augenzeugen zufolge von einer Rakete ausgelöst worden war. Anschließend folgte die Meldung, ein Flugzeug habe seinen Tank verloren und der sei explodiert. Später wurde als Erklärung genannt, daß die Detonation vom Bau eines Staudamms herrühre. Schließlich meldete sich die Regierung. Es habe gar keine Explosion gegeben."[42]

Innerhalb der US Regierung werden die Probleme eines Counterproliferation Strike von den verschiedenen Fraktionen (Falken – Tauben etc.) unterschiedlich bewertet. Das Pentagon könnte wegen dieser Risiken von der Planung eines Luftangriffs vollständig Abstand nehmen und sich mit der Entwicklung einer iranischen Atombombe stillschweigend abfinden. Stattdessen könnten die US Geheimdienste alternativ auf einen Regierungswechsel in Teheran hinarbeiten, um ein pro-amerikanisches Marionettenregime zu etablieren, daß dann die Kontrolle über die iranischen Atomwaffen im Sinne der USA ausübt. Auch damit wäre der amerikanischen Counterproliferation Politik genüge getan. Dennoch dementierte US Außenminister Colin Powell im November 2004 scheinheilig mögliche Pläne für einen Coup: "Wir haben keine Pläne für einen Regimewechsel im Iran."[43]

Demgegenüber ermunterte US Präsident George W. Bush in seiner State-of-the-Union-Rede vor dem Kongreß am 2. Februar 2005 die iranische Bevölkerung erneut zu einem Volksaufstand: "Der Iran ist heute der Hauptsponsor des Terrors auf der Welt - er strebt den Besitz von Atomwaffen an und beraubt sein Volk der Freiheit, die es sich wünscht und verdient. (..) Zu den Iranern sage ich heute Abend: Wenn Sie für Ihre eigene Freiheit einstehen, stehen die Vereinigten Staaten an Ihrer Seite."[44] Allerdings hat schon der amerikanische "regime change" im Irak gezeigt, daß auch das Herbeibomben der "Demokratie" einige Risiken birgt. Wie im Fall Irak wird auch an eine Besetzung des Irans gedacht. Dazu wäre ein enormes Truppenaufgebot notwendig, daher wurde diese Möglichkeit zeitweise als "Eisenhower-Option" bezeichnet. Die Stabsoffiziere vom CENTCOM-Hauptquartier in Tampa erhielten 2004 den Auftrag, entsprechende Contingency Plans (CONPLANs) zu aktualisieren, obwohl Colin Powell in der Öffentlichkeit behauptete: "Wir bereiten keine Invasion vor."[45]

Die amerikanische Regierung würde durch die republikanische Mehrheit im Kongreß die notwendige innenpolitische Unterstützung für einen erneuten Waffengang mobilisieren können. Auch scheinen die militärischen Rahmenbedingungen z.Zt. relativ günstig zu sein, da die USA durch die Kriege im Irak und Afghanistan den Iran bereits mit 200.000 Soldaten eingekreist haben. Die Frage ist, wann die US Regierung diese Truppen für einen Einsatz im Iran verfügbar machen könnte. Zur Zeit sind sie angesichts des islamischen Widerstandes vor Ort gebunden. Durch die "Iraqization" werden erst im Verlauf des Jahres 2006 amerikanische Einheiten im Irak durch einheimische Soldaten abgelöst werden können. Je weiter die Pazifizierung des Iraks fortschreitet, desto größer wird die Kriegsgefahr für den Iran. In Afghanistan hat die US Regierung ausgerechnet den Vertretern der "terroristischen" Taliban im Dezember 2004 einen Waffenstillstand angeboten.[46]

Historisches Vorbild für einen US Coup wäre die amerikanisch-britische Geheimdienstoperation AJAX zum Sturz des iranischen Regierungschefs Mossadegh im Jahre 1953. Nachdem dieser die Anglo-Iranian Oil Company verstaatlicht hatte, ersetzte die US Regierung ihn durch Schah Reza Pahlevi und würgte damit jegliche Demokratiebestrebung für Jahrzehnte ab. Nachdem der Schah widerum 1979 durch die Mullahs gestürzt wurde, scheiterten alle Versuche der US Regierung, die demokratischen Reformkräfte innerhalb des Irans zu stärken. Auch die iranische Exilopposition konnte keinen nennenswerten Rückhalt im Land erringen.

Sollten die USA auf einen Militärschlag verzichten, könnten die Israelis im Alleingang versuchen, die iranischen Nuklearanlagen zu zerstören: Während die israelische Regierung noch in den siebziger Jahren eine gemeinsame Entwicklung von atomaren Jericho-Raketen mit dem damaligen Schah-Regime im Iran erwog, bereiten die Israelis heute einen eigenen Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen vor. Je mehr es den Israelis gelingt, mit den Palästinenser und den Syrern endlich einen Verhandlungsfrieden zu vereinbaren, desto deutlicher wird, daß das iranische Atomprogramm dann als einzige Bedrohung für Israel übrigbleibt. Verteidigungsminister Schaul Mofas erklärte, Israel werde "unter keinen Umständen Atomwaffen in iranischem Besitz dulden".[47] Die Leitung der Angriffsplanung liegt beim Mossad-Chef Meir Dagan. Nach einem Bericht der Sunday Times vom 18. Juli 2004 liegt ein erster Angriffsplan in den Schubladen bereit und wird ständig den sich verändernden Lagebedingungen angepaßt.[48] Außerdem haben die Israelis den iranischen Atomreaktor Buschehr in der Negev-Wüste im Modell nachgebaut. Hier trainieren israelische Luftwaffenpiloten mit ihren F-15I und F-16I den exakten Bombenabwurf. Der amerikanische Vizepräsident Dick Cheney erklärte: "In Anbetracht der Tatsache, daß Iran eine spezielle Politik verfolgt, deren Ziel die Zerstörung Israels ist, ist es gut möglich, daß Israel sich entscheidet, als Erster zu handeln und dem Rest der Welt anschließend die Beseitigung des diplomatischen Chaos überläßt."

 

Iranische Verteidigung und Vergeltung

Trotz der weltweiten Befürchtungen vor einem Vierten Golfkrieg demonstrierte der iranische Regierungschef Mohammed Khatami Gelassenheit: "Ich glaube nicht, daß die Amerikaner so etwas Verrücktes wie einen Militärangriff auf uns unternehmen werden," erklärte er im staatlichen Rundfunk.[49] Aber die iranischen Verteidigungsmöglichkeiten gegen einen Counterproliferation Strike sind begrenzt, da der Iran nur über ein geschwächtes Luftverteidigungssystem verfügt. Das in den siebziger Jahren von den USA selbst aufgebaute System "Peace Crown" dürfte nur noch zum Teil einsatzbereit sein. Wegen des irakisch-iranischen Krieges (1980-88) wurde Anfang der achtziger Jahre ein internationales Militärembargo gegen den Iran verhängt; das US Rüstungsembargo dauert bis heute an. Rüstungsgeschäfte mit anderen Ländern scheiterten wiederholt an der fehlenden Finanzierung. So ist die iranische Luftverteidigungsorganisation völlig veraltet. Mängel bestehen insbesondere bei der Frühwarnung und der Koordination der Abwehrkräfte.

Dennoch drohte der iranische Verteidigungsminister, Vizeadmiral Ali Shamkhani, einem amerikanischen Präventivschlag gegen die iranische Nuklearindustrie durch einen Präemptivschlag zuvorzukommen.[50] Zum iranischen Säbelrasseln gehörte auch die Drohung von General Muhammad Baqir Zolqadr von den Revolutionären Garden, im Falle eines Angriffs einen Gegenschlag gegen den israelischen KAMAG-Atomreaktor durchzuführen: "Wenn Israel eine Rakete auf das Atomkraftwerk in Buschehr abfeuert, kann es das Nuklearzentrum Dimona, wo es seine Atomwaffen produziert und lagert, für immer vergessen."[51]

Im Falle eines US Angriffes könnte die iranische Militärführung auf eine horizontale Eskalation setzen, indem sie versucht, die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Irak gegen die amerikanischen Besatzungstruppen zu mobilisieren. Schon seit dem Beginn des Dritten Golfkrieges 2003 hat die US Regierung der iranischen Führung mehrfach vorgeworfen, sie wolle die Konflikte im Irak schüren, um das Land zu destabilisieren.[52] Die Frage ist, ob sich die irakischen Schiiten für die nationalen Interessen der Schiiten im Iran mobilisieren lassen. Immerhin waren es die US Streitkräfte, die das Regime von Saddam Hussein gestürzt haben und den Schiiten zur Machtübernahme im Irak verholfen haben. So hat sich bisher nur eine Minderheit der Schiiten um Mochtada Al Badr vorrübergehend am Widerstand gegen die amerikanische Okkupation beteiligt. Außerdem steht der religiös-politische Führer der irakischen Schiiten, Großajatollah Ali Sistani, dem Mullah-Führung in Teheran eher skeptisch gegenüber. Eher politisch-symbolische Bedeutung haben die Sicherheitsabkommen, die die iranische Regierung insbesondere mit Syrien, aber auch mit Algerien abschließen will.[53]

 

Europäische Verhandlungsalternative

Im Gegensatz zur US Regierung setzen die Europäer auf eine friedliche Streitschlichtung. Anders als im Fall Irak hat sich die britische Regierung diemal der Position der Europäischen Union (EU) angeschlossen. Bereits im Sommer 2003 begannen die Verhandlungen zwischen der iranischen Regierung und den sogenannten EU3 - Vereinigtes Königreich, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland. Am 21. Oktober 2003 wurde in Teheran ein "Statement by the Iranian Government and visiting EU Foreign Ministers", unterzeichnet. In dem zweiseitigen Papier versichert die iranische Regierung, daß "Nuklearwaffen keinen Platz in der iranischen Verteidigungsdoktrin haben". Gleichzeitig sichert sie "volle Kooperation" sowie "volle Transparenz" gegenüber der IAEO zu und verspricht, das Safeguard-Zusatzabkommen zu unterzeichnen. Sie "hat sich freiwillig dazu entschieden, die gesamte Urananreicherung einzustellen". Im Gegenzug erkennen die europäischen Unterzeichnerstaaten an, daß "der Iran das Recht zur friedlichen Nutzung der Atomenergie in Übereinstimmung mit dem Atomwaffensperrvertrag hat" und daß "der Iran einen erleichterten Zugang zu Technologien erwarten darf".[54]

Im Februar 2004 kamen beide Seiten überein, daß man darauf hinwirken wolle, daß die IEAO bis Juni ihr Verfahren gegen den Iran einstellen solle. Nachdem dies nicht geschah, warfen die Iranern den Europäern Wortbruch vor und im Juli wurden die Gespräche abgebrochen. Nachdem die iranische Regierung einen Monat später die Aufnahme der Produktion von Hexafluorid als Vorstufe zur Urananreicherung ankündigte, wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen.

Am 14. November 2004 wurde in Paris eine zweite Vereinbarung, das "Iran-EU Agreement on Nuclear Programme", abgeschlossen.[55] Gegenüber dem ein Jahr zuvor unterzeichneten, aber zwischenzeitlich diskreditierten Teheraner Abkommen bringt die neue Übereinkunft keinerlei wesentliche Veränderungen, allerdings sind die Bestimmungen diesmal detaillierter: Die EU3 erkennen prinzipiell das Recht der Iraner auf Anreicherung an, im Gegenzug verpflichtet sich die Regierung in Teheran zur Einstellung der geplanten Urananreicherung und einer möglichen Plutonium-Separation. Als Kompensationsmaßnahme unterstützten die Europäer das zivile Atomprogramm des Irans durch die Lieferung von Leichtwasserreaktoren und die garantierte Lieferung von schwach angereicherten Reaktorbrennstäben. Außerdem soll der Iran Wirtschaftshilfe erhalten. Der Verzicht auf eine Urananreicherung gilt nur zeitlich befristet und zwar prinzipiell bis zum Abschluß der Verhandlungen mit der EU. Während sich die iranische Seite hierfür nur auf einen Zeitrahmen von drei, höchsten sechs Monaten einlassen will, rechnen die Europäer mit einer Verhandlungsdauer von mindestens zwei Jahren.[56]

Der Gouverneursrat der IAEO, der die iranische Seite ultimativ aufgefordert hatte, bis zum 29. November 2004 auf die Urananreicherung zu verzichten, stimmte am selben Tag dem Abkommen zu. Durch diesen Beschluß verzichtete die IAEO darauf, den UN-Sicherheitsrat anzurufen. Diese Möglichkeit war ursprünglich von den USA gefordert worden, aber von den 35 Mitgliedsstaaten im IAEO-Gouverneursrat hatten sich nur Kanada und Australien für eine Unterstützung der amerikanischen Linie ausgesprochen. Außerdem hatten Rußland und die Volksrepublik China schon vorab verlauten lassen, daß sie im Sicherheitsrat keinen Sanktionen gegen den Iran zustimmen würden.

Bereits zehn Tage nach Einigung mit den EU-Staaten wich die iranische Regierung von ihrer Zusage ab, daß Anreicherungsprogramm vollständig einzustellen und forderte am 24. November 2004, 24 Zentrifugen zu "Forschungszwecken" weiter betreiben zu dürfen. Das EU-Trio protestierte gegen diesen versuchten Bruch der Pariser Vereinbarung, die zwar keinen völkerrechtlichen Vertrag darstellt, aber politisch bindend ist. Auch dem Drängen der Iraner, der IAEO müsse seine Ermittlungen gegen ihr Land einstellen, gaben die Europäer nicht nach. Am 28. November lenkte die iranische Seite schließlich ein.

Am 13. Dezember 2004 wurden die Verhandlungen in Brüssel fortgesetzt. Dabei wurde drei Arbeitsgruppen zu den Themenkomplexen Nuklearprogramm, Sicherheitspolitik und Wirtschaftsförderung eingesetzt. Der iranische Verhandlungsführer Hassan Rowhani gab sich zunächst optimistisch: "Wir werden jetzt Schritt für Schritt daran arbeiten, eine neue Grundlage unserer Beziehungen zu erreichen." Ein weitere Gesprächsrunde fand in Genf statt und endete am 11. Februar 2005 mit der iranischen Weigerung, auf die Fertigstellung ihres Schwerwasserreaktors zu verzichten, wenn die Europäer im Gegenzug einen Leichtwasserreaktor liefern.

Die Verhandlungen sind zwar nicht befristet, aber für ihre Fortsetzung will der iranische Präsident Mohammed Khatami Grundbedingungen stellen. Der iranische Außenminister Kamel Kharrazi drohte gar mit einem vorzeitigen Ende der Gespräche: "Ich denke, wir müssen optimistisch sein. Die Deadline ist März, Ende März. So haben wir noch ein paar Wochen zur Verfügung."[57] Demgegenüber nannte der iranische Verhandlungsführer Hassan Rowhani eine spätere Deadline: Der Iran habe eine Aussetzung der Urananreicherung bis Ende Juni 2005 zugesagt.[58]

Für die iranische Regierung bringen die Verhandlungen einen Zeitgewinn, um ihr Katz-und-Maus-Spiel mit der IAEO fortzuführen. Ihre Uran-Anreicherung sollte angeblich sowieso erst im Jahre 2006 beginnen. Wenn dies richtig ist, hätte die vorrübergehende Verzichtserklärung sowieso keinerlei praktische Relevanz. Außerdem versuchen die Iraner die Europäer gegen die Amerikaner auszuspielen. Dabei könnte die Parteinahme der Briten auf Seiten der Europäer deren Position in den transatlantischen Beziehungen stärken. Nicht zuletzt erwartet die iranische Regierung konkrete Maßnahmen der europäischen Wirtschaftsförderung als Ausgleich für das seit 1979 andauernde Wirtschaftsembargo der USA. Dabei wollen von einem Ausbau der europäisch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen beide Seiten profitieren. Unter dem Mullah-Regime hat die Wirtschaftskrise zu einer Verarmung breiter Kreise der Bevölkerung geführt, die die politische Stabilität des Regimes zu gefährden droht. Im Gegenzug für einen Verzicht auf ein militärisches Atomwaffenprogramm bieten die Europäer nun umfassende Unterstützung insbesondere bei der zivilen Nutzung der Atomenergie an. Das EU-Angebot sieht den Bau von Leichtwasserreaktoren und eine garantierte Lieferung von nuklearen Brennelementen vor. Bleibt die Frage, ob sich beide Seiten auf einen angemessenen Kaufpreis einigen können. Sollten die Europäer ihre Wirtschaftszusagen nicht einhalten, könnte die iranische Seite dies zum Vorwand nehmen, um das Abkommen aufzukündigen.

Innerhalb des Iran ist das Abkommen nicht unumstritten. Nachdem die Regierung monatelang ihr Recht auf Urananreicherung betont hatte und ein entsprechender Parlamentsbeschluß verabschiedet worden war, wird nun kritisiert, man habe gegenüber der IAEO zu große Zugeständnisse gemacht. Die Rede ist vom "Verrat nationaler Interessen". Die Teheraner Tageszeitung Djomhuri Eslami bemerkte am 18. November 2004 skeptisch: "Manche behaupten, Iran sei es gelungen, die Politik der USA zu neutralisieren. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der Westen hat gemerkt, daß die Drohungen Erfolg haben. Grund genug, um diesen Kurs fortzusetzen und weiterhin auf uns Druck auszuüben."[59]

Die US Regierung stand den EU-Verhandlungen von vornherein skeptisch gegenüber. Während sie im Fall Nordkorea an den sogenannten Sechser-Gesprächen teilnimmt, hat sie sich einer Beteiligung an den EU-Iran-Verhandlungen seit deren Beginn im Jahre 2003 verweigert, ohne eine praktische Alternative vorweisen zu können. Während sich die Amerikaner alle Optionen vorbehalten, ging von ihnen bisher keinerlei praktische Initiative zur Konfliktlösung aus. Um dabei nicht in eine außenpolitische Selbstisolation zu geraten, hat die amerikanische Regierung innerhalb der IAEO eine Annahme der beiden EU-Iran-Abkommen nicht blockiert, denn solange die Urananreicherung in Natanz still steht, können die USA mit diesem Status Quo gut leben.

Da die USA offiziell nicht an den Verhandlungen beteiligt sind, sind sie auch nicht an die Abkommen gebunden. Zwar gestand die neue US Außenministerin Condoleeza Rice bei ihrer Goodwill-Tour durch Europa im Februar ein, daß die Bemühungen um eine friedliche Streitbeilegung gegenwärtig zu favorisieren seien, aber sie äußerte sich zugleich skeptisch darüber, daß die EU-Staaten nicht genügend Druck auf die Regierung in Teheran ausüben könnten.[60]

Derweil setzt die US Regierung ihr Wirtschaftsembargo gegenüber dem Iran fort. So hat die US Regierung im Dezember 2004 zum zwanzigsten Mal eine Aufnahme des Irans in die Welthandelsorganisation (WTO) verhindert, während der Irak und Afghanistan als beobachtende Mitglieder aufgenommen wurden. Das Vereinigte Königreich, Frankreich und die BRD plädierten für eine Aufnahme Iran, was dem Land zahlreiche Zolleinsparungen beschert hätte, sie konnten sich mit dieser Forderung aber gegenüber den Amerikanern nicht durchsetzen. Daraufhin warf der Leiter der iranischen Verhandlungsdelegation bei der WTO, Esfandiar Omidbachsch, den Europäern einen Bruch des Pariser Abkommens vor.

Außerdem versucht die US Regierung über ihre nationale Wirtschaftsgesetzgebung ausländische Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen sowohl mit dem Iran als auch mit den USA unterhalten, zu einer Einstellung ihrer Aktivitäten in Persien zu zwingen. Im Jahre 1999 verhängte die US Regierung erstmals ein Embargo gegen zehn russische Institutionen, weil diese angeblich Nuklearprodukte an die Iraner geliefert hatten. Amerikanische Anschuldigungen gab es gegen folgende Institutionen: INOR Wissenschaftszentrum, NIKET-Forschungs- und Entwicklungszentrum für Energietechnik, die Forschungsinstitute Grafit und Polyus, das Tikhomirov Institut, das Luftfahrtinstitut in Moskau, die Komintern-Anlage in Novosibirsk, das Unternehmen MOSO, die Mendelejev-Universität für chemische Technologie, die Baltische Staatsuniversität für Technik, Europlace 2000 und Glavkosmos. Seit Verabschiedung des Iran Nonproliferation Act (INPA) im Jahr 2000 hat die US Regierung weitere fünfzigmal Sanktionen gegen Unternehmen aus Rußland und China verhängt, weil sie Nukleargeschäfte mit dem Iran betrieben haben sollen. Zuletzt waren am 1. Dezember 2004 vier chinesische und ein nordkoreanisches Unternehmen von US Sanktionen betroffen. Diese hatten allerdings nur symbolische Bedeutung, weil die Unternehmen auf dem amerikanischen Markt nicht vertreten waren. Dabei fällt es der US Regierung leicht zum Mittel der Wirtschaftsanktionen zu greifen, schließlich würde der "große Satan" USA von einer wirtschaftlichen Öffnung des Irans ohne nicht profitieren.

Während der Iran versucht, Amerikaner und Europäer gegeneinander auszuspielen, ziehen andererseits die USA und die EU an einem Strang. Mit dem Hinweis, auch die US Regierung zufrieden stellen zu müssen, können die Europäer in den Verhandlungen auftrumpfen und den Iranern Zugeständnisse abverlangen. Nach dem Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche" haben die Europäer den Iranern ein Moratorium bei der Urananreicherung abgetrotzt und dafür Wirtschaftshilfe zugesagt. Entgegen der amerikanischen Forderung nach verstärkten wirtschaftlichem Druck, wollen die Europäer ihre Geschäfte noch ausdehnen. Die EU-Staaten knüpfen dabei an ihre traditionelle Politik des "kritischen Dialogs" mit dem Iran an. Die transatlantische Rollenverteilung "good guy – bad guy", wie es US Minister Richard Armitage formulierte, scheint bisher zu funktionieren.

Die russische Regierung hat wegen ihrer schon laufenden Nukleargeschäfte die amerikanischen Unterstellungen über illegale iranische Nuklearaktivitäten immer zurückgewiesen. Nur einzelne Duma-Abgeordnete wie der Vorsitzende des Ausschusses für GUS Angelegenheiten, Andrei Kokoshin, wagten es, vor der Entwicklung einer iranischen Atombombe zu warnen. Die Moskauer Regierung unterstützt prinzipiell die EU-Verhandlungen, obwohl die Europäer mit ihrer ökonomischen Offerte in Konkurrenz zu Rußland treten. Am 26. Februar 2005 wird der Chef der russischen Atomenergiebehörde Aleksandr Rumyantsev nach Teheran fahren, um mit der iranischen Regierung die Lieferung der noch fehlenden Brennelemente für den Atomreaktor in Buschehr zu vereinbaren. Nach der Fertigstellung dieses Reaktors will die Regierung in Moskau sechs weitere Leichtwasserreaktoren in den Iran exportieren. So konnte die iranische Regierung am 11. Februar 2005 das EU-Angebot zur Lieferung von Leichtwasserreaktoren zurückweisen, weil die Europäer damit die Forderung verbanden, der Iran müsse den Bau seines Schwerwasserreaktors einstellen.[61] Im Gegensatz dazu wäre die russische Regierung zur Lieferung von Leichtwasserreaktoren bereit, ohne auf dieses Junktim zu bestehen.

Trotz des einseitigen iranischen Moratoriums bezüglich einer Anreicherung von Uran schwelt der Grundkonflikt um das Nuklearprogramm weiter. Während Europäer und Amerikaner darauf bestehen, daß aus dem vorrübergehenden ein endgültiger Verzicht wird, will die iranische Seite auf Dauer auf ihr Recht zur Urananreicherung beharren, um keinen internationalen Präzedenzfall für einen einseitigen Souveränitätsverzicht zu schaffen. Angesichts dieser konträren Positionen scheint ein Kompromiss ausgeschlossen. Es stellt sich daher die Frage, wie es ein endgültiges Abkommen konstruiert sein soll.

Ein Scheitern der Verhandlungen hätte für die EU keine direkten negativen Folgen. Für den Iran bedeutet ein Abbruch der Gespräche nicht automatisch einen Militärangriff. Die USA könnten - wie angekündigt - den UN-Sicherheitsrat gemäß Artikel 35 der UN-Charta anrufen, um ein internationales Embargo gegen den Iran zu erwirken. Dies würde voraussetzen, daß die Regierungen von Rußland und der Volksrepublik China ihre wirtschaftlichen Interessen zurückstellen und ihre ablehnende Haltung gegenüber einem Boykott aufgeben. Sollten sie zu einer solchen radikalen Kehrtwendung nicht bereit sein, könnte die US Regierung einen Militärangriff starten und versuchen, einen Teil der Schuld auf die Verweigerungshaltung anderer Regierungen zuzuschieben. Eine Wiederaufnahme der Urananreicherung könnte für die USA den casus belli heraufbeschwören, oder sie bringen den weltweiten Anti-Terrorkrieg als Vorwand für einen Angriff vor.

 

Iranische Durchhalte-Strategie?

Heute besitzen fünf Staaten im Nahen Osten (Ägypten, Israel, Syrien, Iran und Pakistan) ABC-Waffen. Seit 1945 wurde dort zehnmal mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht und in fünf Kriegen biologische oder chemische Waffen eingesetzt. Eine Eindämmung der Proliferation von ABC-Waffen ist dringend geboten. Politiker aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland versuchen derzeit die iranische Führung davon zu überzeugen, daß sie in größerer Sicherheit leben würde, wenn sie keine Atomwaffen besäße. Dabei haben die Engländer und Franzosen selbst seit Jahrzehnten eigene Nuklearwaffen einsatzbereit.

Durch die diplomatischen Auseinandersetzungen um ihre Nuklearaktivitäten steht die Regierung in Teheran unter zunehmendem Druck. Noch mindestens bis Juni ist ein Verhandlungserfolg möglich. Scheitern die Gespräche, werden zunächst internationale Sanktionen verhängt. Darüberhinaus könnten die amerikanische oder israelische Regierung ab Mitte 2005 eine "militärische Lösung" erzwingen wollen. Die US Regierung hat seit 1991 mehrere hundert Millarden Dollar aufgewendet, um einem Regimewechsel und eine umfassende Abrüstung im Irak durchzusetzen und dabei den Tod von über 1,5 Millionen Irakern billigend in Kauf genommen. Daher sollte die iranische Führung den amerikanischen Destruktivismus nicht unterschätzen.

Militärtechnisch betrachtet sind die iranischen Abwehrchancen und Vergeltungsmöglichkeiten gegen einen Militärschlag gering und die Schäden wären im Kriegsfalle hoch, aber nicht irreparabel. Dennoch scheint die Regierung in Teheran die militärpolitischen Rahmenbedingungen zur Verwirklichung eines eigenen Atomwaffenprojektes gegenwärtig als relativ günstig anzusehen. Es ist daher zu befürchten, daß die iranische Führung um Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei und Regierungschef Mohammed Khatami unbeirrt an ihren Nuklearplänen festhält. "Unsere Nation wird keine Einmischung in unser Nuklearprogramm dulden", machte der iranische Vizepräsident Gholamreza Aghazadeh Ende 2004 noch einmal deutlich.

Ein Angriff auf den Iran wäre auch für die USA mit Risiken verbunden. Mit ihrem Angriff auf den Irak 2003 haben sich die amerikanischen Streitkräfte selbst neutralisiert. Für einen weiteren Krieg gegen den Iran reicht das Militärpotential der USA gegenwärtig nicht aus, zumal die Truppen noch für zwei, drei Jahre im Irak gebunden sein dürften. Außerdem befürchten die amerikanischen Geheimdienste CIA und DIA, daß es infolge eines amerikanischen Angriffs auf den Iran zu einer Eskalation im Nahen Osten kommen könnte. So könnte die Führung in Teheran Vergeltung üben, indem sie die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Irak in ihrem Kampf gegen die US Besatzungstruppen militärisch unterstützt, soweit die irakischen Schiiten dies zulassen. Aber selbst wenn sie die Entwicklung einer iranischen Atombombe einfach hinnehmen würden, nähmen anschließend die Spannungen im Nahen Osten ebenfalls zu. Dennoch raten die US Nachrichtendienste im Moment von einem Angriff auf die Nuklearanlagen ab; stattdessen setzen sie darauf, einen politischen Umsturz im Iran zu provozieren. Damit könne man zwar nicht die Entwicklung einer Atombombe verhindern, aber diese würde dann wenigstens in den Händen eines gemäßigten Regimes in Teheran sein.[62] Allerdings hat der angepeilte "regime change" schon im Irak nicht funktioniert.

Für Israel ist die Verhinderung einer iranischen Atombewaffnung nicht nur eine Frage des nationalen Überlebens. Gerade die Entwicklung einer iranischen Atombombe würde der Forderung nach Errichtung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten neue Dringlichkeit verleihen und damit auch die Existenz des israelischen Nukleararsenals in Frage stellen.

 

 

 

Dem Manuskript lag ein Vortrag beim Friedenspolitischen Ratschlag, Universität Kassel, am 4. Dezember 2004 zugrunde. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS

 


 

Fußnoten:  

[1] Diesem Gremium gehören unter Vorsitz von Ajatollah Ali Khamenei acht weitere Amtsträger an, darunter der Chef des Obersten Kommandorats der Streitkräfte General Hassan Firouzabadi, Geheimdienstminister Ali Younessi und – als ständiger Vertreter des Präsidenten - Hassan Rowhani, der zugleich Leiter des Nuklearkomitees beim SNSC ist.

[2] John Pike, Target Iran – Air Strikes, Washington, 21. Januar 2005, www.globalsecurity.org/military/ops/iran-strikes.htm

[3] Bryan Bender, Nuclear Iran ´worse threat than Iraq´, Jane’s Defence Weekly, 28. Oktober 1998, S. 2

[4] Markus Schmidt, John Goetz, Kriegsziel Iran: Die geheimen Pläne der US Regierung, Monitor, 3. Februar 2005

[5] Seymour M. Hersh, The Coming Wars – What the Pentagon can now do in secret, The New Yorker, 17.1.2005, www.newyorker.com/fact/content/?050124fa_fact

[6] Lowell E. Jacoby, Current and Projected National Security Threats to the United States, Statement For the Record, Senate Select Committee on Intelligence, Washington, 16. Februar 2005, S. 10f, www.globalsecurity.org/intell/library/congress/2005_hr/050216-jacoby.pdf

[7] Lally Weymouth, Q&A: El Baradei, Feeling the Nuclear Heat, Interview mit dem Generaldirektor der IAEO, Washington Post, 30. Januar 2005, S. B01, www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A46420-2005Jan29.html

[8] Klaus-Dieter Fritsche, Innere Sicherheit aus der Sicht der Verfassungsschutzbehörden, Europäische Sicherheit, 8/1998, S. 11

[9] Robin Wright, Desire for Nuclear Empowerment a Uniting Factor in Iran, Washington Post, 14. November 2004, S. A25

[10] Nuclear Threat Initiative, Iran Profile - Nuclear Overview, Washington, September 2004, www.nti.org/e_research/profiles/Iran/1819_1822.html

[11] Die IAEO in Wien hat in den letzten Jahren sechs Resolutionen zum Iran verabschiedet: 12. September 2003, 26. November 2003, 15. März 2004, 18. Juni 2004, 18. September 2004 und 29. November 2004.

[12] In Paragraph 107 heißt es: "Many aspects of Iran`s nuclear fuel cycle activities and experiments, particularly in the areas of uranium enrichment, uranium conversion and plutonium separation, were not declared to the Agency in accordance with Iran´s obligations under its Safeguards Agreement. Iran´s policy of concealment continued until October 2003, and has resulted in many breaches of its obligation to comply with that Agreement. Since that time, good progress has been made in Iran´s correction of those breaches and in the Agency´s ability to confirm certain aspects of Iran´s current declarations, which will be followed up as a routine safeguards implementation matter." Siehe: IAEO-Board of Governors, Implementation of the NPT Safeguards Agreement in the Islamic Republic of Iran – Report by the Director General, GOV/2004/83, Wien, 15. November 2004, S. 23, www.globalsecurity.org/wmd/library/report/2004/iran_iaea_gov-2004-83_15nov2004.pdf

[13] Der Reaktor wird mit Brennstäben aus argentinischer Produktion betrieben. Siehe: David Albright, An Iranian bomb?, The Bulletin of the Atomic Scientists, Juli 1995, www.thebulletin.org/article.php?art_ofn=ja95albright

[14] Agence France Press, Iran Signals Military Sites Off-Limits to UN Inspectors, Radio Free Europe/Radio Liberty, 5. Dezember 2004

[15] Lally Weymouth, Q&A: El Baradei, Feeling the Nuclear Heat, Interview mit dem Generaldirektor der IAEO, Washington Post, 30. Januar 2005, S. B01, www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A46420-2005Jan29.html

[16] N.N., US Regierung wollte al-Baradei mittels Lauschangriff aus dem Amt drängen, Spiegel-Online, 12. Dezember 2005, www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,332492,00.html

[17] Zit. n.: Michio Kaku / Daniel Axelrod, To Win A Nuclear War – The Pentagon´s Secret War Plans, London, 1987, S. 225

[18] Irakische Chemieangriffe erfolgten u.a. im Zusammenhang mit folgenden Operationen: VAL FAJR II (August 1983 bei Haj Umran), KHAYBAR I (1984 in den Manjoon-Inseln bei Basra) und KARBALA VII (April 1987). Siehe: Javed Ali, Chemical Weapons and the Iran-Iraq War: A Case Study in Noncompliance, The Nonproliferation Review, Frühjahr 2001, S.., S. 48ff

[19] Richard A. Clarke, Against all Enemies – Der Insiderbericht, Hamburg, 2004, S. 367f

[20] Thomas Fingar, Statement, Security Threats to the United States, Senate Select Committee on Intelligence, Washington, 16. Februar 2005, www.globalsecurity.org/intell/library/congress/2005_hr/050216-fingar.pdf

[21] N.N., Iran will produzieren, taz, 25.1.2005, S. 10, www.taz.de/pt/2005/01/25/a0167.nf/textdruck

[22] Reuters, Russia Finishes Building Iran Nuclear Plant, Washington Post, 14. Oktober 2004

[23] National Council for Resistance in Iran, Disclosing a Major Secret Nuclear Site under the Ministry of Defense, Paris, 17. November 2004, www.globalsecurity.org/wmd/library/report/2004/new-nuke-info.htm

[24] National Council for Resistance in Iran, Ohne Titel, Paris, 3. Dezember 2004, >www.globalsecurity.org/wmd/library/report/2004/new-project.htm

[25] Blanchard Economic Research Unit, The new threat: Iran, ohne Datum, http://www.blanchardonline.com

[26] Laurie H. Boulden, India May Build 'Turnkey' Chemical Plant in Iran, Arms Control Today, July 1996, S. 26

[27] Jean Pascal Zanders (u.a.), Chemical and biological weapon developments and arms control, SIPRI Yearbook 1999, Oxford, 1999, S. 570

[28] Ed Blanche / Duncan Lennox, Shifting Balance, Jane´s Defence Weekly, 10.3.1999, S. 60

[29] National Council for Resistance in Iran, Ohne Titel, 3. Dezember 2004, www.globalsecurity.org/wmd/library/report/2004/new-project.htm

[30] Roman Kupchinsky, Analysis: Kuchma´s Ukraine Cruises Back Into The Spotligt, Radio Free Europe/Radio Liberty, 2. Februar 2005, www.rferl.org/featuresarticle/2005/02/cd6facb4-991b-495b-9c69-96fdf30dfeed.html

[31] N.N., Soko Mullah, Spiegel, 19.5.1997, S. 19

[32] Golnaz Esfandiari, Iran/U.S.: Bush Says All Options On The Table For Tehran´s Nuclear Program, RFE/RL, 18.1.2005

[33] William M. Arkin, Code Names – Deciphering U.S. Military Plans, Programs, and Operations in the 9/11 World, Hanover, USA, 2005

[34] Solche Überflüge wurden im Dezember 2004 z. B. bei den Nuklearanlagen in Buschehr und Isfahan festgestellt und führten zeitweise zu einer UFO-Hysterie in den iranischen Massenmedien. Siehe: Dafna Linzer, U.S. Uses Drones to Probe Iran For Arms, Washington Post, 13. Februar 2005, S. A01

[35] Markus Schmidt, John Goetz, Kriegsziel Iran: Die geheimen Pläne der US Regierung, Monitor, 3. Februar 2005

[36] Das Netz wurde bis Mitte der neunziger Jahre von einer CIA-Dependance in Frankfurt am Main gesteuert, danach übernahm eine CIA-Niederlassung in Los Angeles die Führung. Siehe: Greg Miller, CIA Operation in Iran Failed When Spies Were Exposed, Los Angeles Times, 12. Februar 2005, www.latimes.com/news/nationworld/world/la-fg-cia12feb12,0,5143074.story

[37] Zit. n.: Bahman Nirumand (Hg.), Iran-Report, Nr. 12/2004, Heinrich Böll Stiftung, Berlin, S. 4, www.boell.de/downloads/presse/iran-report122004.pdf

[38] William M. Arkin, Code Names – Deciphering U.S. Military Plans, Programs, and Operations in the 9/11 World, Hanover, USA, 2005, S. 23

[39] Seymour M. Hersh, The Coming Wars – What the Pentagon can now do in secret, The New Yorker, 17.1.2005, www.newyorker.com/fact/content/?050124fa_fact

[40] Islamic Republic News Agency, US warplanes violate Iran` air space: press report, Teheran, 24. August 2004, www.globalsecurity.org/wmd/library/news/iran/2004/iran-040824-irna01.htm

[41] Thomas E. Ricks, U.S. Troop Level In Iraq To Grow, Washington Post, 2.12.2004, S. A01

[42] N.N., Wirrwarr um Explosion nahe Dailam, Spiegel-Online, 16. Februar 2005, www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,342045,00.html

[43] N.N., USA: Kein Plan für Umsturz in Iran, Taz, 15. November 2004, S. 10

[44] George W. Bush: "Zur Lage der Nation", Washington, 2. Februar 2005, www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/USA/bush2005.html

[45] Seymour M. Hersh, The Coming Wars – What the Pentagon can now do in secret, The New Yorker, 17.1.2005, www.newyorker.com/fact/content/?050124fa_fact

[46] N.N., USA bieten Taliban Handel an, Spiegel Online, 2.12.2004, www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,330632,00.html

[47] Dieter Bednarz (u.a.), Weltverbesserer im Weißen Haus, Spiegel, 21.1.2005, S. 109

[48] Douglas Davis, Report: Israel´s "first strike" plan against Iran Ready, Jerusalem Post, 18. Juli 2004, http://www.jpost.com/servlet/Satellite?pagename=JPost/JPArticle/Printer&cid=1090121780879&p=1078027574121

[49] P. Gruber (u.a.), Ring frei zu Runde zwei, Focus, 26. Januar 2005, S. 149.

[50] Nazila Fathi, Iran Says It May Pre-empt Attack Against Its Nuclear Facilities, New York Times, 20.8.2004, http://middleeastinfo.org/article4695.html

[51] Al Jazeera, Iran may strike if sites threatened, 18. August 2004, http://english.aljazeera.net/NR/exeres/B19236FC-6A23-4FB4-B499-E7AF900949DE

[52] Charles Recknagel, U.S.: Washington Warns Iran, Syria Not To Interfere in Iraq, But Can The Charges Be Substantiated?, Radio Free Europe/Radio Liberty, 16. Dezember 2004

[53] N.N., Iran und Syrien wollen gemeinsame Front gegen USA bilden, Spiegel-Online, 16.2.2005, www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,342038,00.html

[54] Das Dokument ist im Internet veröffentlicht: www.iaea.org/NewsCenter/Focus/IaeaIran/statement_iran21102003.shtml

[55] Das Dokument ist im Internet veröffentlicht: www.iaea.org/NewsCenter/Focus/IaeaIran/eu_iran14112004.shtml

[56] Dafna Linzer, Iran Vows To Freeze Nuclear Programs, Washington Post, 15. November 2005, S. A01

[57] Douglas Bakshian, Iran Says Talks with the EU Must Pick Up To Reach Deal, Voice of America, 15. Februar 2005

[58] N.N., Iran will US Drohnen abschießen, Spiegel-Online, 16.2.2005, www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,341999,00.html

[59] Zit. n.: Bahman Nirumand (Hg.), Iran-Report, Nr. 12/2004, Heinrich Böll Stiftung, Berlin, S. 13, www.boell.de/downloads/presse/iran-report122004.pdf

[60] David Gollust, Rice Urges European Firmness on Nuclear Talks with Iran, Voice of America, 9. Februar 2005, www.voanews.com/english/2005-02-09-voa83.cfm

[61] Golnaz Esfandiari, Iran: Tehran´s Rejection Of EU Offer Signals Difficulty Of Talks, Radio Free Europe/Radio Liberty, 14. Februar 2005

[62] Knut Mellenthin, Droht "Präventivschlag" gegen Irans Atomanlagen? Junge Welt, 23. September 2004, http://www.jungewelt.de/2004/09-23/005.php

 


BITS braucht Hilfe!
Um dieses umfangreiche Internetaufgebot aufrecht halten zu können sind wir auf Spender angewiesen. Unterstützen können Sie uns mit Zahlungen (gerne gegen Spendenquittung) auf unser Konto:
BITS Foerderverein e.V.; Konto-Nr.: 577 005 107; BLZ: 100 100 10 - Postbank Berlin
Nähere Informationen wie BITS unterstützt werden kann und zu unserer Lage erhalten Sie hier!