Berliner Zeitung
20. März 2002

US-ATOMSTRATEGIE

Europäische Nato-Partner müssen Farbe bekennen

von Otfried Nassauer

Wenn die Verteidigungsminister der Nato am 6. und 7. Juni in Brüssel zur Frühjahrstagung zusammentreffen, werden sie über die Zukunft der Nuklearwaffen in der Allianz beraten. Dies geht aus dem in Washington bekannt gewordenen geheimen Bericht des Pentagon zur Überprüfung der US-Nuklearstrategie und des Atomwaffenpotenzials hervor. Den Nato-Ministern sollen Empfehlungen zur künftigen Stationierung konventionell und nuklear einsetzbarer Flugzeuge vorgelegt werden. Überprüft wird, ob Änderungen an der derzeitigen Stationierung von nuklearfähigen Flugzeugen und nuklearen Waffen erforderlich sind, "um sie an die veränderte Bedrohungsumgebung anzupassen".

Das scheinbar harmlose Vorhaben birgt gleich mehrfach Zündstoff. Gerade hat Washington entschieden, sich den Einsatz nuklearer Waffen auch bei der Bekämpfung des Terrorismus und der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen offen zu halten - und damit auch gegen atomwaffenfreie Staaten. Nun müssen die Nato-Partner sich dieser Frage ebenfalls stellen. Sechs europäische Nato-Staaten, darunter die Bundesrepublik, verfügen im Rahmen der so genannten "nuklearen Teilhabe" über Kampfflugzeuge, die von den USA bereitgestellte Atomwaffen abwerfen können. Wären sie dazu im Extremfall bereit? Auch wenn der Gegner nicht - wie im Kalten Krieg die Sowjetunion - ebenfalls über Atomwaffen verfügt und eine existenzgefährdende Bedrohung darstellt? Auch wenn ein solcher Einsatz weder durch das Völkerrecht abgedeckt wäre, noch mit den Verpflichtungen in Übereinstimmung zu bringen wäre, die sich für die nicht-nuklearen Nato-Mitglieder aus dem Atomwaffensperrvertrag ergeben?

Auch die Diskussion über die Zukunft der Trägerflugzeuge ist brisant. Die heute eingesetzten Flugzeugmuster, F-16, Tornado und (nur bei der US-Luftwaffe) F-15 E erreichen zumeist im nächsten Jahrzehnt das Ende ihrer Lebensdauer. Die Bundeswehr hat bereits im Januar 2001 beschlossen, schrittweise alle nuklearfähigen Tornados durch die Jagdbomber-Version des Eurofighters zu ersetzen. Dieses Flugzeug ist nicht nuklearfähig. Auch der Joint Strike Fighter, der in etlichen Staaten die F-16 ablösen soll, wird bislang als konventionelles Flugzeug geplant. Die Nuklearfähigkeit ist derzeit nur nachrüstbar. Soll die "nukleare Teilhabe" auch langfristig aufrecht erhalten werden, so ist das mit erheblichen Kosten verbunden. Dies nicht zuletzt, weil auch die heute verwendeten Atomwaffen - so der Pentagon-Bericht - spätestens im kommenden Jahrzehnt überholt werden müssen. Letztlich diskutieren die Nato-Minister im Juni die Zukunft der "nuklearen Teilhabe".

 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).