Das Blättchen
Nr. 10 / 08. Mai 2017


Eurofighter für Wien – oder: ein Geschäft stinkt zum Himmel

von Otfried Nassauer


Hans Peter Doskozil ist Sozialdemokrat, Jurist, ehemaliger Polizist und seit Januar 2016 Verteidigungsminister in Österreich. Im Februar dieses Jahres sorgte er für eine faustdicke Überraschung. Gestützt auf die Ergebnisse einer internen Untersuchungskommission seines Ministeriums zeigte Doskozil den Airbus-Konzern und die Projektgesellschaft Eurofighter Jagdflugzeug GmbH bei der Staatsanwaltschaft Wien an. Beiden wirft er vor, Österreich beim Kauf von Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter betrogen und um bislang etwa 1,1 Milliarden Euro geschädigt zu haben. Österreich will Schadensersatz.

Es geht um mehrere neue Vorwürfe: Zum einen sollen Airbus und die Eurofighter GmbH der Republik Österreich beim Verkauf der Flugzeuge 2003 wissentlich Leistungen und Auslieferungstermine versprochen haben, die sie gar nicht einhalten konnten und wollten. Zum zweiten sollen die Firmen entgegen der Vorgaben in der Ausschreibung im Vertragspreis Kosten in Höhe von 183,4 Millionen Euro versteckt haben, mit denen Gegengeschäfte arrangiert werden sollten. Und schließlich bestehe der Verdacht, dass im Kontext der Gegengeschäfte viel Geld veruntreut, gewaschen oder in Bestechung investiert worden sei, damit Österreich die Maschinen überhaupt kauft. Verteidigungsminister Doskozil wurde deutlich: „Offensichtlich – und das muss man auch feststellen und festhalten – sind Gegengeschäfte im militärischen Bereich, bei Rüstungsgeschäften, bei militärischen Anschaffungen für einzelne Personen und Berater in diesem Umfeld sehr dazu geeignet, sich zu bereichern. Ich würde sogar meinen, Gegengeschäfte sind offensichtlich eine ideale Trägerrakete für Korruption, Misswirtschaft und Geldwäsche.“

Die Geschichte begann vor rund 15 Jahren: Zu Beginn der 2000er Jahre wollte Österreich neue Jagdflugzeuge kaufen. Der Auftrag wurde ausgeschrieben. Drei Modelle kamen in die engere Auswahl: Der Eurofighter, die amerikanische F-16 und die schwedische Gripen. In letzter Minute entschied sich die schwarz-blaue Koalition aus ÖVP und FPÖ 2003 überraschend für das teuerste Angebot, den Eurofighter. 18 Kampfflugzeuge wurden für knapp zwei Milliarden Euro bestellt. Österreich wurden Gegengeschäfte im Wert von rund vier Milliarden Euro zugesagt, deutsche Unternehmen sollten in diesem Umfang in der Alpenrepublik einkaufen oder investieren.

Schon bald kam der Verdacht auf, das könne nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Airbus habe mit unzulässigen Mitteln nachgeholfen und Entscheidungsträgern in Österreich Vorteile zukommen lassen. 2006 wurde vom Wiener Parlament ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Der rollte den Prozess der Kaufentscheidung noch einmal auf. Zu Tage gefördert wurden viele Indizien, dass Airbus und seine Partner viel Geld in die Hand genommen hatten, um den Eurofighter an Wien zu verkaufen.

Etwa zeitgleich geriet das Bauprogramm für den Eurofighter in massiven Zeitverzug. Airbus konnte nicht liefern. Österreich hätte deshalb vom Kaufvertrag zurücktreten können. Die mittlerweile von der SPÖ geführte Regierung unter Kanzler Gusenbauer und Verteidigungsminister Darabos entschied, von ihrem Rücktrittsrecht keinen Gebrauch zu machen. Darabos wollte lieber den Preis drücken und weniger Flugzeuge bestellen. Im Juni 2007 kam ein Kompromiss zustande. Österreich kaufte nur noch 15 Flugzeuge, akzeptierte die Übernahme von sechs gebrauchten Maschinen der Bundeswehr und verzichtete gleich ganz auf leistungsfähigere Eurofighter der Tranche 2. Im Gegenzug gab es einen Preisnachlass von etwa 250 Millionen Euro. Ein schlechter Deal, wie Kritiker monierten. Und das Geschäft hatte „Geschmäckle“. Denn eine Nebenabrede vom 24. Juni 2007 hielt fest: „Es wird davon ausgegangen, dass der Eurofighter-Untersuchungsausschuss seine Arbeit Ende Juni 2007 beendet.“

Die Wiener Regierung sagte also der Industrie zu, den unliebsamen parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen binnen sechs Tagen zu beenden und hielt diese Zusage ein.

Doch wegen der ungewöhnlichen Geldflüsse ermittelten Staatsanwaltschaften und andere Behörden in Österreich, Italien, Großbritannien und Deutschland weiter. Hausdurchsuchungen – unter anderem bei Airbus-Deutschland – brachten zusätzliche Verdachtsmomente zutage. Peter Pilz, Grünen-Politiker und Vorsitzender des eingestellten Untersuchungsausschusses, sammelte kontinuierlich weiter Beweise.

Schließlich richtete das österreichische Verteidigungsministerium Ende 2012 eine eigene Untersuchungsgruppe in Sachen Eurofighter ein. Als Hans Peter Doskozil 2016 Verteidigungsminister wurde, ermutigte er diese Gruppe, ihre Ergebnisse zusammenzufassen und öffentlich zu machen. Der Abgeordnete Pilz stellte dafür auch seine Unterlagen zur Verfügung. Die Kommission wertete etwa fünf Terabyte Daten aus. Die Erkenntnisse führten zu der erwähnten Strafanzeige. Und im März wurde schließlich ein neuer Eurofighter-Untersuchungsausschuss eingesetzt.

Airbus hatte sich Anfang des Jahres mit den deutschen Behörden geeinigt, rund 90 Millionen Euro nachzuversteuern, die der Konzern zunächst als Betriebsausgaben geltend machen wollte. Er konnte jedoch nicht nachweisen, dass er dafür adäquate Gegenleistungen erhalten hatte. Aus Wiener Sicht ein Indiz dafür, dass diese Summe für illegale Zahlungen verwendet worden sein könnte.

Pilz sieht weitere Hinweise, die den Korruptionsverdacht erhärten: „183,4 Millionen Euro sind an dubiosen Zahlungen in weltweite Briefkastennetzwerke wie Vector Aerospace oder City Chambers – und dahinter verbergen sich an die 100 Briefkästen – gegangen. Das Geld ist kreuz und quer über die ganze Welt verschoben worden. […] Dieses Schmiergeld ist vertragswidrig im Kaufpreis versteckt worden. Die österreichischen Steuerzahler sind gezwungen worden, sogar das Schmiergeld noch selbst zu bezahlen.“

Für Airbus und seine Unterstützer in Österreich entsteht damit eine höchst ungemütliche Situation, die Jahre anhalten könnte: In Wien klagt der Staat Österreich wegen Betrugs und arglistiger Täuschung. In mehreren Ländern laufen Ermittlungen, weil Geld veruntreut, gewaschen oder für Korruptionszahlungen ausgegeben worden sein soll. Der Wiener Untersuchungsausschuss wird darüber hinaus untersuchen, wer Airbus beim Verkauf der Eurofighter geholfen und möglicherweise davon profitiert hat. Bei der Beweismittelerhebung ergänzen sich all diese Untersuchungen. Zudem droht Österreich damit, seine Erkenntnisse auch an britische und amerikanische Ermittler weiter zugeben. In den USA können Firmen, die sich irgendwo auf der Welt der Bestechung oder ähnlicher Vergehen schuldig gemacht haben, von der weiteren Tätigkeit auf dem US-Markt ausgeschlossen werden – für einen weltweit aktiven Flugzeugbauer wie Airbus eine gefährliche Drohung.

Der Grünen-Politiker Peter Pilz will sogar noch einen Schritt weiter gehen. Er will prüfen lassen, ob das Vorgehen der Firmen juristisch den Tatbestand der organisierten Kriminalität erfüllt: „Airbus Defence und Eurofighter GmbH erfüllen mit größter Wahrscheinlichkeit ein weiteres Tatbild, nämlich das der kriminellen Organisation. Das ist unser Mafia-Paragraph.“

Bis Juni will das Verteidigungsministerium in Wien eine Empfehlung erarbeiten, wie die Luftraumüberwachung in Österreich künftig kostengünstiger organisiert werden kann und ob die Eurofighter vorzeitig stillgelegt werden sollten. Denn der Betrieb der Eurofighter hat sich für Wien als extrem teuer erwiesen. Ersatzteile, Reparaturen und Betrieb sind so kostspielig, dass das ganze Bundesheer darunter zu leiden hat. Mehr noch: Nach noch nicht einmal zehn Jahren Eurofighter-Betrieb deutete Airbus an, die als erstes ausgelieferten Eurofighter der Tranche 1 schon bald nicht mehr warten zu können. Es gebe nicht mehr alle Ersatzteile.

Auf den weiteren Gang der Ereignisse darf man also gespannt sein. Mit Österreich legt sich erstmals ein Staat wegen eines großen Beschaffungsvorhabens mit einem internationalen Rüstungskonzern juristisch an und wirft der Industrie Täuschung und Betrug vor. Es droht ein Kräftemessen, dessen Ausgang interessant und lehrreich werden dürfte. Schließlich gibt es in Österreich ein Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, also ein Firmenstrafrecht. Die in Deutschland beliebte Möglichkeit, dass Firmen kriminelles Handeln einzelnen Mitarbeitern in die Schuhe schieben, greift in Österreich nicht. Neben Personen können in Wien auch Firmen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Und das geschieht. Die Staatsanwaltschaft Wien hat mittlerweile bestätigt, dass sie auch gegen den Konzernchef von Airbus, Thomas Enders, Ermittlungen führt. Das dürfte für Deutschland ebenfalls ein lehrreiches Beispiel werden.

Dieser Text ist eine leicht modifizierte Version des Beitrages unseres Autors für die Ausgabe der Senderreihe „Streitkräfte und Strategien“ auf  NDR-Info am 23. April 2017.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS